11Rs29/25a – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Richter Senatspräsident Dr. Robert Singer als Vorsitzenden, Mag. Herbert Ratzenböck und Dr. Patrick Eixelsberger sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Josef Wagner, LL.B. (Kreis der Arbeitgeber) und Birgit Wallner (Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A* , geboren am **, **, **, vertreten durch Dr. Peter Lindinger und Dr. Andreas Pramer, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen , Landesstelle **, **, **, vertreten durch ihre Angestellte Mag. a B*, wegen Pflegegeld, über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 10. März 2025, Cgs* 9, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass es zu lauten hat:
„1. Das Klagebegehren des Inhalts, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei ab 1.10.2024 Pflegegeld der Stufe 6 zu gewähren, wird abgewiesen.
2. Die klagende Partei hat die Prozesskosten selbst zu tragen.“
Die klagende Partei hat die Kosten des Berufungsverfahrens selbst zu tragen.
Die ordentliche Revision ist zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Bescheid vom 21.10.2024 wurde der Antrag der Klägerin vom 23.9.2024 auf Erhöhung des bis dahin bezogenen Pflegegelds der Stufe 5 abgelehnt.
Die Klägerin begehrte mit der gegen diesen Bescheid erhobenen Klage die Gewährung von Pflegegeld der Stufe 6. Es sei im Detail dargelegt nunmehr die dauernde Anwesenheit einer Pflegeperson während des Tages und der Nacht erforderlich, weil die Wahrscheinlichkeit einer Eigengefährdung gegeben sei.
Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Trotz eines Oberschenkelhalsbruchs sei keine wesentliche Änderung des Pflegebedarfs gegenüber dem Vorverfahren eingetreten.
Mit dem angefochtenen Urteil sprach das Erstgericht der Klägerin Pflegegeld der Stufe 6 ab 1.10.2024 „im gesetzlichen Ausmaß“ zu. Es traf folgende Feststellungen :
Die Klägerin hat einen selbständigen Mobilisierungsversuch unternommen und dabei eine Schenkelhalsfraktur erlitten. Zu ihrer Sicherung wird die Klägerin seither untertags entweder unter ständige Beobachtung der 24-Stunden-Pflegerin gestellt oder wenn diese einkaufen geht ins Bett gelegt und die Seitenbegrenzung hochgeklappt. Das ist wegen Selbstgefährdung medizinisch notwendig. Die Überwindung der Seitenbegrenzung ist der Klägerin kräftemäßig nicht mehr möglich.
Die Klägerin hat in der Nacht im Laufe eines Monats vier- bis fünfmal Verwirrungszustände. Sie schläft nicht mehr durch, eine Selbstgefährdung kann in der Nacht nicht ausgeschlossen werden. Die Selbstgefährdung wird in der Nacht laufend durch die hochgeklappte Seitenbegrenzung unterbunden. Ohne Seitenbegrenzung könnte man die Klägerin nicht alleine lassen.
Die Klägerin leidet an zunehmender Demenz, planendes und orientiertes Verhalten ist ihr nicht mehr möglich. Der Denkprozess ist deutlich beeinträchtigt. Unbeobachtet und nicht gesichert unternimmt sie zumindest Mobilisierungsversuche, kann also nicht ungesichert alleine gelassen werden. Es liegt eine schwere Verhaltensstörung vor.
In der rechtlichen Beurteilungging das Erstgericht von einem monatlichen Pflegebedarf von unstrittig mehr als 180 Stunden aus. Die Voraussetzungen der Z 2 des § 4 Abs 2 Stufe 6 BPGG lägen vor. Die festgestellten Verwirrungszustände und eine damit verbundene Selbstgefährdung würden grundsätzlich die dauernde Anwesenheit einer Pflegeperson auch in der Nacht erfordern. Dies lasse sich nur dadurch vermeiden, dass die Seitenbegrenzung eines Pflegebettes hochgeklappt werde. Dabei handle sich um eine Freiheitsbeschränkung. Eine solche dürfe im Zuge der Pflegegeldeinstufung auch im privaten Bereich nur verlangt bzw fiktiv im Rahmen der Mitwirkungspflicht berücksichtigt werden, wenn die betroffene Person einsichts- und urteilsfähig ist. Dies sei hier jedoch nicht der Fall, sodass die Verwendung der Seitenbegrenzung des Pflegebettes nicht fiktiv bei der Beurteilung des Pflegebedarfs berücksichtigt werden dürfe. Daher sei die dauernde Anwesenheit einer Pflegeperson zur Verhinderung einer Selbstgefährdung erforderlich.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag auf Klagsabweisung; hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt in ihrer Berufungsbeantwortung, der Berufung keine Folge zu geben.
Die Berufung ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung meint, dass untertags keine dauernde Anwesenheit einer Pflegeperson im Wohnbereich erforderlich sei, weil die Klägerin auch eine Stunde allein gelassen werden könne, wenn die betreuende Pflegeperson einkaufen geht und die Klägerin während dieser Zeit im Bett liegt und zu ihrem Schutz das Seitengitter vorübergehend hochgezogen wird. Eine dauernde Anwesenheit einer Pflegeperson in der Nacht sei bei vier- bis fünfmal im Monat auftretenden Verwirrtheitszuständen nicht nötig, weil daraus keine ausreichende Wahrscheinlichkeit einer Eigengefährdung abzuleiten sei. Zudem stelle die bereits vorhandene und auch genutzte Sicherungsmaßnahme einer Seitenbegrenzung ein mögliches und zumutbares gelinderes Mittel dar, wodurch die dauernde Anwesenheit einer Pflegeperson nicht nur untertags, sondern vor allem auch in der Nacht nicht notwendig sei.
Dazu ist auszuführen:
1.1 Nach § 4 Abs 2 BPGG besteht Anspruch auf Pflegegeld der Stufe 6 für Personen, deren Pflegebedarf nach § 4 Abs 1 BPGG durchschnittlich mehr als 180 Stunden monatlich beträgt, wenn
1. zeitlich unkoordinierbare Betreuungsmaßnahmen erforderlich sind und diese regelmäßig während des Tages und der Nacht zu erbringen sind oder
2. die dauernde Anwesenheit einer Person während des Tages und der Nacht erforderlich ist, weil die Wahrscheinlichkeit einer Eigen- oder Fremdgefährdung gegeben ist.
1.2 Die Berufung wendet sich nicht gegen den vom Erstgericht als unstrittig angenommenen Pflegebedarf von durchschnittlich mehr als 180 Stunden monatlich. Auf diese Anspruchsvoraussetzung der Pflegegeldstufe 6 ist daher nicht näher einzugehen.
1.3 Die Notwendigkeit zeitlich unkoordinierbarer Betreuungsmaßnahmen wurde von der bereits im erstinstanzlichen Verfahren rechtsfreundlich vertretenen Klägerin nicht behauptet. In diese Richtung gehende Anhaltspunkte ergeben sich auch nicht aus der Aktenlage; darauf bezogene Feststellungen wurden vom Erstgericht zudem nicht getroffen. Strittig ist im Berufungsverfahren demnach nur die Frage der Erforderlichkeit der dauernden Anwesenheit einer Person während des Tages und der Nacht im Sinn des § 4 Abs 2 Stufe 6 Z 2 BPGG.
2.1 Unter dauernder Anwesenheit ist die weitgehend permanente Anwesenheit einer Pflegeperson im Wohnbereich bzw in unmittelbarer Nähe der pflegebedürftigen Person zu verstehen. Eine über die dauernde Anwesenheit im Wohnbereich hinausgehende Notwendigkeit einer Sitzwache neben dem Bett ist hingegen ebenso wenig Anspruchsvoraussetzung wie die eines permanenten Sichtkontakts mit dem Pflegebedürftigen ( Greifeneder/Liebhart , Pflegegeld 5Rz 5.406). Die dauernde Beaufsichtigung eines Pflegebedürftigen wird vor allem dann erforderlich sein, wenn im Einzelfall besonders häufig und/oder besonders dringend ein Bedarf nach fremder Hilfe auftritt (RS0107442). Die dauernde Anwesenheit einer Pflegeperson wegen der Wahrscheinlichkeit der Eigen- oder Fremdgefährdung muss während des Tages und der Nacht erforderlich sein. Der Begriff der Eigengefährdung umfasst sowohl die Gefahr selbstgefährdender, gegen sich selbst gerichteter Handlungen, als auch jeden sonstigen die Gesundheit ernstlich gefährdenden Zustand des Pflegebedürftigen, der zu Krisenereignissen führt, die ein unverzügliches Eingreifen durch eine Pflegeperson erforderlich machen. In beiden Fällen kann einer ernstlichen Gefährdung der Gesundheit des Pflegebedürftigen nur durch ein häufiges und/oder besonders dringendes Eingreifen der Pflegeperson entgegengewirkt werden, wozu aber eine weitgehend permanente Anwesenheit einer Pflegeperson im Wohnbereich bzw in unmittelbarer Nähe des Pflegebedürftigen erforderlich ist ( Greifeneder/LiebhartaaO Rz 5.407). § 4 Abs 2 Stufe 6 Z 2 BPGG setzt für die Berücksichtigung der dauernden Anwesenheit einer Pflegeperson die „Wahrscheinlichkeit“ einer Eigen- oder Fremdgefährdung voraus. Obwohl die Pflegekraft somit nicht regelmäßig eine Pflegeleistung erbringen muss, hat sie dennoch dauernd im Wohnbereich anwesend zu sein, weil eine unmittelbar notwendige Pflegeleistung aufgrund einer Gefährdung für die Gesundheit oder das Leben des Pflegebedürftigen wahrscheinlich zu erbringen sein wird. Die bloße Möglichkeit im Sinne einer „relativ geringen“ Wahrscheinlichkeit entspricht diesem Erfordernis nicht. Die dafür maßgeblichen Umstände müssen aber jedenfalls wahrscheinlich und nicht bloß möglich sein ( Greifeneder/Liebhart aaO Rz 5.410 f mwN). So ist es nicht ausreichend, dass bloß nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann, dass etwas geschieht. Auch akute, aber nur selten auftretende Anfälle, Psychosen etc reichen nicht aus, um einen ständigen Bedarf an Betreuung und Hilfe zu rechtfertigen; eine konkrete Mindesthäufigkeit der die dauernde Anwesenheit erfordernden Ereignisse lässt sich ebenso wenig ziffernmäßig bestimmen, wie sich ein Mindestmaß der damit verbundenen Gesundheitsgefährdung für den Pflegebedürftigen oder einen Dritten konkret definieren lässt. Diese Rechtsfrage kann immer nur anhand der Umstände im Einzelfall entschieden werden ( Greifeneder/Liebhart aaO Rz 5.411 mwN). Die beiden Fallgruppen der Stufe 6 unterscheiden sich dadurch, dass bei unkoordinierbaren Pflegeleistungen nach Z 1 regelmäßig ein Eingreifen tatsächlich notwendig werden muss, während in Z 2 auf die notwendige dauernde Bereitschaft zum jederzeitigen Eingreifen abgestellt wird ( Greifender/Liebhart aaO Rz 5.412).
2.2 Die Notwendigkeit der dauernden Anwesenheit einer Pflegeperson wegen Eigen- oder Fremdgefährdung ist stets unter Bedachtnahme auf die mögliche und zumutbare Nutzung gelinderer Mittel zu sehen ( Greifeneder/LiebhartaaO Rz 5.409 mwN). Dabei kann allgemein auf Grund der verfassungsrechtlichen Vorgaben durch Art 5 Abs 1 EMRK und Art 2 Abs 1 Z 5 PersFrG sowie Bestimmungen des HeimAufG der Grundsatz formuliert werden, dass nur eine tatsächlich bestehende, gesetzlich zulässige Freiheitsbeschränkung bzw Freiheitseinschränkung im Regelfall Einfluss auf die Ermittlung des (qualifizierten) Pflegebedarfs im Rahmen der Pflegegeldeinstufung haben kann. Eine tatsächlich nicht bestehende Freiheitsbeschränkung darf im Zuge der Pflegegeldeinstufung auch im privaten Bereich nur verlangt bzw fiktiv im Rahmen der Mitwirkungspflicht berücksichtigt werden, wenn die betroffene Person ausreichend einsichts- und urteilsfähig ist. Es kann somit nicht verlangt werden, dass beispielsweise zur Vermeidung einer Sturzgefahr ein Bettgitter angebracht wird oder dass das Haustor ständig versperrt wird, um ein Verlassen durch eine umtriebige, nicht einsichts- und urteilsfähige Person zu verhindern ( Greifeneder/Liebhart aaO Rz 2.32 f).
3. Zur abschließenden Beurteilung bedarf es weiterer Feststellungen. Diese können ohne Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung getroffen werden, weil vor den das Urteil fällenden Richtern der gesamte Akteninhalt einverständlich verlesen wurde (vgl RS0042533, RS0118509, RS0040610 [insb T2]).
3.1 Folgende ergänzende
Feststellung en
werden getroffen:
Die Klägerin ist nicht in der Lage, selbständig zu gehen oder zu stehen. Wenn sie versuchen würde, aus dem Bett zu steigen oder von einem Sessel aufzustehen, dann stürzt sie, womit die Gefahr einer Verletzung verbunden ist. Es bestehen eine senile Demenz und Verwirrtheitszustände, die bedingen, dass die Klägerin dennoch hin und wieder die Tendenz hat, von einer Sitzgelegenheit zu rutschen bzw das Bett zu verlassen und dann in Sturzgefahr gerät.
3.2 Diese Feststellungen beruhen auf folgender
Beweiswürdigung:
Aus dem Befund und den gutachterlichen Ausführungen des vom Erstgericht beigezogenen allgemeinmedizinischen Sachverständigen geht schlüssig hervor, dass die Klägerin nicht mehr zum selbständigen Gehen und Stehen in der Lage ist. Dies hat zur Folge, dass etwaige eigenständige „Aufstehversuche“ unweigerlich zu Sturzereignissen mit einer damit verbundenen Verletzungsgefahr führen. Nach den unbedenklichen Befundergebnissen bestehen Verwirrtheitszustände nicht bloß vier- bis fünfmal im Monat in der Nacht, sondern regelmäßig auch am Tag mit der Folge, dass die Klägerin mitunter „Mobilisierungsversuche“ mit damit einhergehender Sturz- und Verletzungsgefahr unternimmt. Diese erfolgen jedoch nur hin und wieder, wie im Ergebnis den Angaben der Nichte im Befund zu entnehmen ist (vgl ON 5.2/S 5).
4. Unter Berücksichtigung der ergänzenden Feststellungen ist hier eine dauernde Anwesenheit einer Pflegeperson während des Tages und der Nacht wegen der Wahrscheinlichkeit einer Eigengefährdung nicht erforderlich:
4.1 Im vorliegenden Fall genügt aufgrund der geringen Mobilität der Klägerin bereits das Hochklappen einer Seitenbegrenzung am Bett, um sie daran zu hindern, das Bett zu verlassen und dadurch in Sturzgefahr zu geraten.
4.2 Darin kann nach Ansicht des Berufungssenats keine (unzulässige) Freiheitsbeschränkung gesehen werden:
a. In einem vergleichbaren Fall hat der Oberste Gerichtshof zu 10 ObS 372/97x Folgendes ausgeführt:
Die Klägerin ist, wenn sie aufsteht, sturzgefährdet, sodass in ihrem Interesse verhindert werden muss, dass sie in diese Gefahr kommt; hindert man sie am Aufstehen, so wird diese Gefahr ausgeschaltet. Wenn zu diesem Zweck ständig eine Aufsichtsperson bei der Klägerin anwesend wäre, so hätte auch diese nur die Möglichkeit, die Klägerin am Aufstehen aus dem Bett zu hindern, indem sie sie wieder in die liegende Stellung bringt, zumal wegen der bestehenden Verwirrtheit bloßer Zuspruch kaum ausreichen wird, um sie dazu zu bringen, im Bett zu bleiben. Die Aufsichtsperson hat daher weitestgehend keine andere Möglichkeit, die Klägerin am Verlassen des Bettes zu hindern, als durch entsprechende körperliche Eingriffe dafür zu sorgen, dass sie im Bett liegenbleibt. Dasselbe Ergebnis wird aber mit einem niederen Steckgitter erreicht, dessen Anbringung daher eine zulässige Maßnahme darstellt, um die Gefahr eines Sturzes der Klägerin hintanzuhalten. Die Verwendung von solchen Gittern ist auch in Krankenanstalten und Pflegeheimen durchaus üblich, um gefährdete Patienten bzw Pfleglinge am willkürlichen oder unwillkürlichen Verlassen des Bettes zu hindern oder vor einem Sturz aus dem Bett zu bewahren. Eine solche oder gleichartige Maßnahme wäre aber auch erforderlich, wenn sich durchgehend eine Betreuungsperson im Wohnbereich aufhielte, weil die Klägerin aufgrund der dargestellten Umstände auch in Sturzgefahr geraten könnte, wenn die Betreuungsperson den Raum nur kurzzeitig verließe, um etwa die Toilette aufzusuchen, die Nahrung zuzubereiten oder Bedarfsartikel aus einem anderem Raum zu holen. Ist aber auf diese Weise die Gefahr eines Sturzes der Klägerin ausgeschaltet, so bedarf sie auch nicht der dauernden Beaufsichtigung, sodass die Voraussetzungen für die Pflegestufe 6 nicht erfüllt sind.
b. In der Entscheidung zu 10 ObS 399/01a wurde zudem ausgeführt, dass gegen die Verwendung eines Steckgitters während der Nacht zum Schutz der dortigen Klägerin (ebenfalls wegen Sturzgefahr) keine Bedenken bestehen, da Anhaltspunkte für eine nächtliche Umtriebigkeit der Klägerin nicht vorliegen.
c. Auch im hier zu beurteilenden Fall liegen keine Anhaltspunkte für eine nächtliche Umtriebigkeit der Klägerin vor. Es bestehen bloß vier- bis fünfmal im Monat Verwirrtheitszustände, sodass eine Selbstgefährdung in der Nacht nicht ausgeschlossen werden kann. Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Klägerin zu einem selbständigen Gehen und Stehen nicht mehr in der Lage ist, kann im Hochklappen einer Seitenbegrenzung am Bett zur Hintanhaltung einer Sturz- und Verletzungsgefahr keine unzulässige Freiheitsbeschränkung erblickt werden.
d. Daran kann nach Ansicht des Berufungssenats auch nichts die durch das mit BGBl I 2004/11 neu geschaffene Heimaufenthaltsgesetz (HeimAufG) geänderte Rechtslage etwas ändern. Dieses Gesetz findet keine Anwendung auf die wie hierhäusliche Pflege (vgl § 2 HeimAufG), weshalb die darin normierten formellen Voraussetzungen (§§ 5 ff) zwangsläufig keine Rolle spielen. Die materiellen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 4 HeimAufG dürften hier erfüllt sein, weil das Hochklappen einer Seitenbegrenzung am Bett während der Nacht die einzige Möglichkeit darstellt, die Sturz- und Verletzungsgefahr der Klägerin in Zuständen der Verwirrtheit hintanzuhalten, wenn man von der dauernden Anwesenheit einer Pflegeperson absieht.
5. Insgesamt folgt daraus, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Pflegegeld der Stufe 6 nicht vorliegen. In Stattgebung der Berufung war daher das angefochtene Urteil klagsabweisend abzuändern.
6. Die Kostenentscheidung für das erst- und zweitinstanzliche Verfahren beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit wurden nicht geltend gemacht und ergeben sich auch nicht aus der Aktenlage (RS0085829 [T1]).
7. Die ordentliche Revision ist gemäß § 502 Abs 1 ZPO ist zulässig, weil klarstellende Ausführungen des Höchstgerichts zur Rechtslage nach Inkrafttreten des HeimAufG indiziert sind.