JudikaturOLG Linz

8Bs47/25f – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
Strafrecht
03. April 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Mag. Reinberg als Vorsitzende und Mag. Haidvogl, BEd, sowie den Richter Mag. Grosser in der Strafsache gegen A*wegen des Verbrechens der absichtlich schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 und 2 erster Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Berufungen der Staatsanwaltschaft Salzburg und des Angeklagten je wegen des Ausspruchs über die Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 19. Dezember 2024, Hv*-94, nach der in Anwesenheit des EStA Mag. Neher als Vertreter des Leitenden Oberstaatsanwalts, des Angeklagten und seines Verteidigers Mag. Jelinek durchgeführten Berufungsverhandlung vom 3. April 2024 zu Recht erkannt:

Spruch

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** geborene A* des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs 4 StGB (A./) und des Verbrechens der absichtlich schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 und 2 erster Fall StGB (B./) schuldig erkannt und hierfür unter Anwendung von §§ 28 Abs 1 und 39a Abs 1 Z 4, Abs 2 Z 4 erster Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren sowie zum Ersatz der Verfahrenskosten verurteilt.

Nach dem Schuldspruch hat A* am 8. März 2024 in **

A./ eine schwere Körperverletzung der B* herbeizuführen versucht, indem er ihr einen Schlag gegen das Gesicht versetzte und versuchte sie mit einem mehrere Kilogramm schweren Barhocker zu treffen, wodurch diese eine Prellung im Gesicht und eine Schnittwunde an der rechten Wade erlitt, wobei es nur deshalb zu keiner schweren Körperverletzung kam, weil er sie mit dem Barhocker verfehlte;

B./ C* dadurch, dass er ihm drei Faustschläge ins Gesicht versetzte, ihm ein Glas und eine halbvolle Weinflasche mit einem Fassungsvermögen von 0,75 Liter aus nächster Nähe gegen den Kopf schleuderte und versuchte, ihn mit einem mehrere Kilogramm schweren Barhocker zu treffen, eine an sich schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) mit einer Gesundheitsschädigung von mehr als 24 Tagen, nämlich mehrere Schnittverletzungen im Gesicht rechts, einen Schädelbruch im Scheitelhinterhauptbereich rechts, einen Nasenbeinbruch, Schnittverletzungen mit einem Weichteilemphysem (Gasansammlung in den Weichteilen) im Gesicht, eine Durchtrennung des rechten Gesichtsnervs und ein Monokelhämatom des rechten Augenlids, absichtlich zugefügt, wobei die Tat eine schwere Dauerfolge, nämlich eine auffallende Verunstaltung in Form einer Narbe von der rechten Ohroberkante in Richtung rechte Jochbeinregion ziehend mit einer Breite von drei Millimetern und einer Länge von neun bis zehn Zentimetern, einer Narbe an der rechten Augenbrauenaußenkante mit einer Breite von zwei Millimetern und einer Länge von drei Zentimetern, den Verlust der Fähigkeit die rechte Stirnseite zu runzeln und den Verlust der Symmetrie der Augenachse durch ein Absinken der rechten Augenbraue zur Folge hatte.

Im Adhäsionserkenntnis wurde A* zur Zahlung von Teilschmerzengeldbeträgen an die Privatbeteiligten C* und B*, die mit ihren darüber hinausgehenden Ansprüchen jeweils auf den Zivilrechtsweg verwiesen wurden, verpflichtet.

Gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB wurde die erlittene Vorhaft auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet.

Gegen dieses Urteil richten sich die rechtzeitig angemeldeten (ON 89 und ON 90) Berufungen der Staatsanwaltschaft (ON 95) und des A* (ON 99) jeweils wegen des Ausspruchs über die Strafe. Die Anklagebehörde strebt mit ihrem Rechtsmittel eine Erhöhung der verhängten Freiheitsstrafe, der Angeklagte deren Herabsetzung an.

Beide Berufungen bleiben ohne Erfolg.

Rechtliche Beurteilung

Bei der Strafzumessung wertete das Erstgericht mildernd die geständige Verantwortung des Angeklagten (§ 34 Abs 1 Z 17 StGB), den Umstand, dass es teilweise beim Versuch blieb (§ 34 Abs 1 Z 13 StGB), und die teilweise Schadensgutmachung, erschwerend hingegen eine einschlägige Vorstrafe (§ 33 Abs 1 Z 2 StGB), das Zusammentreffen von zwei Verbrechen (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB), die hohe Alkoholisierung des Angeklagten, den raschen Rückfall sowie den Einsatz einer Waffe (§ 33 Abs 2 Z 6 StGB).

Dieser Strafzumessungskatalog bedarf nominell dahingehend einer Korrektur, als der Angeklagte, der unter völliger Negierung des Rechtsguts der körperlichen Integrität eines anderen unbarmherzig und damit grausam gegen C* vorging und im Zuge eines Gewaltexzesses wiederholt mit den Fäusten und schließlich auch mit einem Glas und einer Weinflasche den sensiblen Kopfbereich seines keinerlei Gegenwehr leistenden, schließlich in Schutzhaltung verharrenden Opfers attackierte, entsprechend der Darstellung im Rechtsmittel der Anklagebehörde die Erschwerungsgründe des § 33 Abs 1 Z 6 StGB und § 33 Abs 2 Z 5 StGB zusätzlich und nebeneinander (vgl Riffel in WK 2StGB § 33 Rz 34/5) gegen sich gelten lassen muss. Entgegen den Ausführungen des Angeklagten (ON 96.1, 2) verlangt die Annahme eines außergewöhnlich hohen Einsatzes von Gewalt nach § 33 Abs 2 Z 5 StGB (im Gegensatz zu § 84 Abs 5 Z 1 StGB; vgl Burgstaller/Schütz in WK 2StGB § 84 Rz 80) keine tatsächliche Verwirklichung eines (konkreten) Risikos für das Leben des Opfers. Festzuhalten ist jedoch in diesem Zusammenhang, dass bei derart brutaler stumpfer und scharfer Gewalteinwirkung gegen den Kopf eines Opfers in der Regel – schon mit Blick auf die Möglichkeit von dadurch ausgelösten Blutungen im Schädelinneren oder aus arteriellen Gefäßen - regelmäßig zumindest die Gefahr der Verursachung lebensbedrohlicher Verletzungen besteht (vgl ON 54.2, S 20).

Die dem Opfer C* zugefügte Verletzung ist nicht nur an sich schwer, sondern war auch mit einer mehr als 24-tägigen Gesundheitsschädigung verbunden, was als Mehrfachqualifikation zusätzlich erschwerend zu werten ist (RS0119312).

Vom Vorliegen des besonderen Erschwerungsgrunds des raschen Rückfalls kann im konkreten Fall hingegen mit Blick auf einen Zeitraum von fast acht Monaten zwischen Rechtskraft der letzten Verurteilung und den nunmehrigen Taten nicht ausgegangen werden.

Gleiches gilt auch für den vom Erstgericht angezogenen Erschwerungsgrund der hohen Alkoholisierung des Angeklagten. Das Wissen um seine erhöhte Aggressivität nach Alkoholkonsum (US 3) schließt zwar den Milderungsgrund nach § 35 StGB aus, da dadurch die bedingte Herabsetzung der Zurechnungsfähigkeit aufgewogen wird, seine Alkoholisierung für sich genommen bildet jedoch fallkonkret keinen besonderen Erschwerungsgrund (vgl RS0090903).

Zu präzisieren ist der Strafzumessungskatalog schließlich dahingehend, als dem Angeklagten der Milderungsgrund des § 33 Abs 1 Z 17 StGB ausschließlich in der Ausprägung des reumütigen Geständnisses zugute kommt; zur Wahrheitsfindung hat er mit seiner Aussage keinen relevanten Beitrag geleistet.

Nicht zu bemängeln ist entgegen den Berufungsausführungen des Angeklagten die erschwerende Wertung der Tatbegehung unter Einsatz von (funktionalen) Waffen neben einer Anhebung der Untergrenze bei der Strafbefugnis nach § 39a Abs 2 StGB ( Riffel in WK 2StGB § 33 Rz 34).

Dem Vorbringen des Angeklagten zuwider kann auch von einer unverhältnismäßig langen Verfahrensdauer iSd § 34 Abs 2 StGB keine Rede sein. Dieser Milderungsgrund deckt zwei Fallgruppen ab, nämlich den allgemeinen Milderungsgrund der aufgrund der individuellen (Mehr-)Belastung unverhältnismäßig langen Verfahrensdauer einerseits und die durch Säumnisse staatlicher Organe zu verantwortende unverhältnismäßig (iSd Art 6 Abs 1 EMRK unangemessen) lange Verfahrensdauer als Verletzung des Beschleunigungsgebotes nach Art 6 EMRK andererseits. Während im ersten Fall der Milderungsgrund im Rahmen der Gesamtabwägung der Erschwerungs- und Milderungsgründe bei der Strafbemessung unmittelbar zu berücksichtigen ist, ist er im zweiten Fall im Sinne des Art 41 EMRK Wiedergutmachung und Entschädigung für eine Konventionswidrigkeit. Die Grundrechtsverletzung ist explizit anzuerkennen und, sofern diese Feststellung für eine adäquate Wiedergutmachung nicht ausreicht, durch eine ausdrückliche und messbare Reduzierung der verhängten Strafe zu kompensieren. Bei Beurteilung der (Un-)Verhältnismäßigkeit der Verfahrensdauer ist auf den Zeitraum zwischen erster Kenntnisnahme des Beschuldigten von der Tatsache, dass gegen ihn wegen des Verdachts einer strafbaren Handlung ermittelt wird, und Eintritt der Rechtskraft des verurteilenden Erkenntnisses abzustellen (RIS-Justiz RS0124901 [T4]). Diese Zeitspanne beträgt vorliegend etwa ein Jahr, was schon mit Blick auf den Umfang der Ermittlungen (mit dem Erfordernis der Einholung zweier Sachverständigengutachten ON 44 und ON 54), die Dauer des Ermittlungsverfahrens, die Durchführung zweier Hauptverhandlungstermine und die notwendige Entscheidung über zwei Berufungen insgesamt verhältnismäßig ist. Säumnisse des Erstgerichts bzw der Anklagebehörde waren nicht auszumachen (vgl RIS-Justiz RS0124901 [T3]). Die Anklageerhebung erfolgte innerhalb von nur knapp drei Monaten. Die Hauptverhandlung wurde nur fünf Tage nach Anklageeinbringung anberaumt und begann sechs Wochen später am 25. Juli 2024. Entgegen den Ausführungen des Angeklagten in seinem Rechtsmittel wurde damit auch die in § 178 Abs 1 Z 2 StPO genannte sechsmonatige Frist nicht überschritten, da zwischen Verhängung der Untersuchungshaft und Beginn der Hauptverhandlung weniger als vier Monate lagen (vgl WK StPO § 178 Rz 11). Ein weiterer für den 8. Oktober 2024 angesetzter Hauptverhandlungstermin musste wegen Verhinderung von Prozessbeteiligten abberaumt werden (ON 1.55). Am 19. Dezember 2024 konnte das Verfahren in erster Instanz erledigt werden. Die Abfertigung des schriftlichen Urteils nahm (trotz dazwischenliegender Feiertage) weniger als zwei Monate in Anspruch, das Rechtsmittelverfahren vor dem Oberlandesgericht dauerte einen Monat. Insgesamt sind keine Verfahrensverzögerung oder Stillstände auszumachen.

Ausgehend von einem (unter Anwendung von § 39a Abs 1 Z 4 iVm § 39a Abs 2 Z 4 erster Fall StGB zu bildenden) Strafrahmen von zwei bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe und unter Berücksichtigung der genannten besonderen und allgemeinen Strafzumessungskriterien erweist sich die vom Erstgericht festgesetzte Sanktion als nicht reduzierbar, aber auch nicht anhebungsbedürftig..

Mit der verhängten Freiheitsstrafe werden auch general- und spezialpräventive Erwägungen entsprechend berücksichtigt. Zum einen kann mit diesem Strafmaß dem (das Haftübel erstmals verspürenden) Angeklagten ein hinlängliches Zeichen gesetzt werden, um ihn so hinkünftig von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten, zum anderen wird diese – den zur Verfügung stehenden Strafrahmen um mehr als ein Viertel ausschöpfende - Freiheitsstrafe auch generalpräventiven Anforderungen gerecht (vgl Jerabek/Ropper, WK 2StGB § 43 Rz 18).

Eine auch nur teilweise bedingte Nachsicht der Freiheitsstrafe scheiterte schon am konkreten Strafmaß.