JudikaturOLG Linz

2R18/25t – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
Versicherungsrecht
05. März 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht hat durch die Richter Mag. Bernhard Telfser als Vorsitzenden sowie Mag. Christine Mayrhofer und Dr. Werner Gratzl in der Rechtssache der Kläger 1. Dr. A* , geboren am **, Zahnarzt, 2. B* , geboren am **, Angestellte, beide **, **, beide vertreten durch Dr. Paul Fuchs, Rechtsanwalt in 4600 Thalheim bei Wels, des Nebenintervenienten auf Seiten der Kläger C* , geboren am **, Versicherungsmakler, **, **, vertreten durch die Dax Wutzlhofer Partner Rechtsanwälte GmbH in 7000 Eisenstadt, gegen die Beklagte D* AG, **straße **, **, vertreten durch Mag. Udo Hansmann, Rechtsanwalt in 1010 Wien, wegen EUR 18.757,77, über die Berufungen beider Teile gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 13. November 2024, Cg*-27, (Berufungsstreitwert jeweils EUR 9.378,89), in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Den Berufungen der Kläger und des Nebenintervenienten wird keine Folge gegeben.

Hingegen wird der Berufung der Beklagten Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird teilweise bestätigt, teilweise abgeändert, sodass es insgesamt zu lauten hat:

„Das Klagebegehren, die Beklagte sei schuldig, den klagenden Parteien zur ungeteilten Hand binnen 14 Tagen EUR 18.757,77 samt 4 % Zinsen ab 01.07.2023 zu bezahlen, wird abgewiesen.

Die Kläger sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Beklagten binnen 14 Tagen die mit EUR 6.938,14 (darin EUR 1.156,36 USt) bestimmten Kosten des Verfahrens zu ersetzen.“

Die Kläger sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Beklagten binnen 14 Tagen die mit EUR 4.622,13 (darin EUR 546,87 USt und EUR 1.340,90 Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger erwarben 2019 ein Mehrparteienhaus in Kärnten und schlossen über Vermittlung des dem Verfahren als Nebenintervenient auf ihrer Seite beigetretenen Versicherungsmaklers dafür beim beklagten Versicherungsunternehmen unter anderem einen Feuerversicherungsvertrag mit einer Versicherungssumme von EUR 900.000,00 ab. Durch einen Brand am 23. Dezember 2022 wurde das Haus beschädigt. Der Sachverständige bewertete die Schäden mit EUR 54.885,05; die Beklagte leistete EUR 36.127,28, weil das Gebäude unterversichert gewesen sei.

Die Kläger begehren den Differenzbetrag zusammengefasst mit der Begründung, für die Unterversicherung seien sie nicht verantwortlich. Der Nebenintervenient habe in ihrem Auftrag die Beklagte ersucht, ein Angebot für eine Gebäudeversicherung zu legen, und dabei ein Exposé des neu erworbenen Objekts samt Lichtbildern, Planungsunterlagen und den Versicherungsschein des Vorbesitzers übermittelt. Auf Basis dieser Unterlagen habe die Beklagte aus eigenem die Versicherungssumme mit EUR 900.000,00 errechnet und ein entsprechendes Angebot per Mail übermittelt, ohne darauf hinzuweisen, dass eine Unterversicherung möglich sei. Die Beklagte habe gewusst, dass die mit übermittelte Versicherungspolizze eine weit zu geringe Versicherungssumme aufgewiesen habe, sodass sie die Versicherungssumme von über EUR 900.000,00 zugrunde gelegt habe, obwohl die Versicherungspolizze lediglich EUR 560.042,61 aufgewiesen habe. Aufgabe der Beklagten wäre es gewesen, eine korrekte Versicherungssumme auf Basis der zur Verfügung gestellten Unterlagen und nach Rücksprache mit einem Sachverständigen zu errechnen. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben hätten sie darauf vertrauen dürfen, dass die vorgeschlagene Versicherungssumme für das Gebäude der Höhe nach korrekt festgelegt worden sei; den wahren Wert der Liegenschaft hätte sie nicht kennen können. Die Beklagte habe vorvertragliche Aufklärungs-, Schutz- und Sorgfaltspflichten verletzt, weil sie dem Versicherungsangebot eine zu geringe Versicherungssumme zugrunde gelegt und sie nicht darüber aufgeklärt habe, dass mit der zugrunde gelegten Versicherungssumme die EUR 900.000,00 eine Unterversicherung einhergehen werde und in diesem Fall keine Verpflichtung bestehe, den gesamten durch einen Versicherungsfall verursachten Schaden zu ersetzen. Sollte die Beklagte selbst davon ausgegangen sein, dass die angebotene Versicherungssumme von EUR 900.000,00 dem Wiedererrichtungswert des Gebäudes entsprochen habe, sei ihr insofern ein haftungsrelevantes Fehlverhalten unterlaufen, als es ihre Aufgabe gewesen sei, bei Unterbreitung des Versicherungsangebotes die Höhe der Versicherungssumme mit jenem Wert anzusetzen, der aufgrund der Beherrschung der Versicherungstechnik, der Geschäftskunde, der umfangreichen Erfahrungen und wegen der Sachverständigen, an der sich die Beklagte bedienen könne, jedenfalls nach dem Grundsatz von Treu und Glauben dem Wert des zu versicherten Objekts zu entsprechen habe. Es sei nicht Aufgabe der Kläger als Konsumenten gewesen, sich bei Abschluss des Versicherungsvertrages zunächst eines Bausachverständigen zu bedienen, um die von der Beklagten unterbreitete Versicherungssumme eine ergänzenden Überprüfung zuzuführen. Sowohl der Ankauf des Gebäudes als auch dessen Versicherung stellten Gründungsgeschäfte dar. Deshalb wäre es Aufgabe der Beklagten gewesen, sie bei Unterbreiten des Versicherungsangebotes über das Risiko einer Unterversicherung in Kenntnis zu setzen. Bei einer Schadensabwicklung aufgrund eines Schneedruckschadens im Jahr 2021 sei der Einwand der Unterversicherung nicht erhoben worden. Die Beklagte sei daher nicht berechtigt, dem geltend gemachten Anspruch mit dem Einwand der Unterversicherung zu begegnen.

Der auf Klägerseite dem Verfahren beigetretenen Nebenintervenient ergänzte, er habe sämtliche ihm von der klagenden Partei zur Verfügung gestellten Unterlagen an die Beklagte übermittelt, die die Versicherungssumme errechnet und festgelegt habe. Er sei nicht zur weiteren Nachforschung verpflichtet gewesen, sondern habe sich auf die Angaben seiner Kunden verlassen dürfen.

Die Beklagte bestritt, beantragte die Abweisung der Klage und wendete zusammengefasst ein, der tatsächliche Versicherungswert habe etwa EUR 1,6 Mio. betragen. Den Wert von EUR 900.000,00 hätten die Kläger im Versicherungsantrag selbst schriftlich so bestätigt. Sie seien von einem selbständigen Versicherungsmakler beraten und vertreten worden und hätten die Versicherungssumme leicht ändern oder den korrekten Wert der Liegenschaft angeben können. Die Beklagte habe keine Kenntnis vom wahren Wert der Liegenschaft gehabt. Nicht sie, sondern die Kläger hätten ein Angebot gelegt; die Informationen darin stammten ausschließlich von diesen. Es sei Aufgabe des Versicherungsmaklers, den Klienten mit Hilfe seiner Kenntnisse und Erfahrung einen bestmöglich den jeweiligen Bedürfnissen und Notwendigkeiten entsprechenden Versicherungsschutz zu verschaffen. Hingegen sei sie als Versicherer nicht zur Überprüfung verpflichtet, ob das angebotene Versicherungsprodukt das Schutzbedürfnis des Versicherungsnehmers vollständig abdecke. Einem Versicherungsmakler gegenüber seien die Aufklärungspflichten aufgrund dessen eigenen Fachwissens geringer. Der Nebenintervenient habe ihr Unterlagen für die Berechnung eines Angebots zur Verfügung gestellt, aus denen sich eine deutlich niedrigere Versicherungssumme ergeben habe. Sie sei nicht zu weiteren Nachforschungen verpflichtet gewesen, sondern habe davon ausgehen können, dass die durch einen Versicherungsmakler vertretenen Kläger den wahren Wert der Liegenschaft kennen. Nach Durchsicht der Unterlagen habe sie ihm mitgeteilt, dass die Versicherungssumme zumindest EUR 900.000,00 betragen müsse. Der Nebenintervenient habe entgegnet, keinesfalls eine höhere Summe zu akzeptieren, weil dies zu einer höheren Prämie führen würde. Sie habe daraufhin das Richtoffert verschickt, das die Kläger schließlich angenommen hätten; allfällige Fehlvorstellungen der Kläger habe sie nicht gekannt.

Außerdem sei zwischen 2019 und dem Vorfall im Dezember 2022 eine Werterhöhung eingetreten, die auf die allgemeine Marktentwicklung und auf Umbauarbeiten der Kläger zurückzuführen sei. Bei der Liquidierung des Schneedruckschadens sei der Gebäudewert nicht überprüft worden, weil es sich um einen verhältnismäßig kleinen Schaden gehandelt habe. Auch sie habe daher nicht gewusst, dass eine Unterversicherung vorgelegen sei.

Mit dem angefochtenen Urteil verpflichtete das Erstgericht die Beklagte zur Zahlung von EUR 9.378,89 und wies das Mehrbegehren (auf einen weiteren Betrag in derselben Höhe) ab. Es legte seiner Entscheidung die auf den Urteilsseiten 3 bis 5 ersichtlichen Feststellungen zugrunde, die sich wie folgt zusammengefasst wiedergeben lassen:

Die Kläger erwarben das Versicherungsobjekt im Dezember 2019 als Vorsorgemodell um EUR 103.000,00. Ihnen war bewusst, dass der Wert höher als der Kaufpreis war, konkret aber nicht bekannt. Sie vermieteten drei, kurzfristig auch vier, Wohnungen darin; baulich wurde das Objekt nicht verändert.

Der Erstkläger beauftragte den Nebenintervenienten mit der Vermittlung eines Versicherungsvertrages; eine Versicherungssumme oder eine bestimmte Prämienhöhe wurde dabei nicht vorgegeben.

Über Nachfrage des Nebenintervenienten erklärte der Mitarbeiter der Beklagten, E*, dass eine Versicherung des Objekts grundsätzlich in Frage komme. Der Nebenintervenient übermittelte am 5. Dezember 2019 Grundrisspläne des Objekts, einen Bescheid des Vermessungsamts, das Verkaufsexposé und Lichtbilder, eine Verkehrswertberechnung aus dem Jahr 2018, ausweisend einen Bauzeitwert des Objekts von EUR 241.881,00, und die Vorpolizze der F* mit einer Versicherungssumme von EUR 560.042,61,00. Dabei ersuchte er E* um „[…] Berechnung eines Angebotes [...].“, wobei er weder eine bestimmte Versicherungssumme vorgab noch sich bezüglich einer bestimmten Prämienhöhe äußerte.

Noch am selben Tag übermittelte E* folgende E-Mail: „[…] anbei ein Richtoffert. Prämie können wir bei ca. 1.100,00 p.a. festsetzen. […].“. Im Anhang schickte er einen bereits ausgefüllten Antrag des Erstklägers auf Abschluss eines Versicherungsvertrags „ImmobilieVerwalten“. Die Rubrik „Verbraucher nach § 1 KSchG“ war systembedingt aufgrund des gewählten Versicherungsprodukts automatisch mit „nein“ ausgefüllt. Im Antrag war eine Versicherungssumme von EUR 900.000,00 festgelegt. E* war bewusst, dass die Kläger einen vollen Deckungsumfang anstrebten; er hatte gegen die im Antrag festgelegte Versicherungssumme keine Bedenken, weshalb er von der Beiziehung eines Sachverständigen zur Bewertung des Versicherungsobjekts Abstand nahm. Er ging davon aus, dass die Versicherungssumme vollen Deckungsschutz gewährleiste. Auf das Risiko einer Unterversicherung wies er nicht hin.

Der Nebenintervenient erörterte den Antrag mit den Klägern; zur Versicherungssumme sagte er nur, dass diese von der Beklagten auf Basis der vorab übermittelten Unterlagen festgelegt worden sei. Über das Risiko einer Untersicherung wurde nicht gesprochen. Sowohl die Kläger als auch der Nebenintervenient gingen davon aus, dass die Versicherungssumme einen vollständigen Deckungsschutz gewährleiste. Wäre den Klägern mitgeteilt worden, dass die Versicherungssumme allenfalls keine ausreichende Deckung im Schadensfall gewährleiste bzw das Risiko einer Unterversicherung bestehe, hätten sie eine Versicherungssumme vereinbart, die eine vollständige Deckung gewährleistet hätte.

Der Erstkläger war damals als selbstständiger Zahnarzt tätig, die Zweitklägerin als Angestellte. Bereits 2021 kam es zu einem Schneedruckschaden, der ohne Einwand der Unterversicherung von der Beklagten abgewickelt wurde. Zu einer Überprüfung des Gebäudewerts kam es damals nicht.

Im Zuge der Schadensabwicklung nach dem Brand am 23. Dezember 2022 bewertete der von der Beklagten beigezogene Sachverständige den Versicherungswert des Objekts mit EUR 1,681.200,00.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, das Versicherungsverhältnis werde im besonderen Maße von Treu und Glauben beherrscht, welchen Grundsatz der Versicherungsnehmer ebenso gelten lassen müsse wie der Versicherer. Diese starke Betonung von Treu und Glauben solle der Tatsache Rechnung tragen, dass jeder der beiden Vertragspartner auf die Unterstützung durch den jeweils anderen angewiesen sei, weil er dem jeweils anderen in der einen oder anderen Weise unterlegen sei. Der Versicherungsnehmer verfüge zum Beispiel allein über die Kenntnis wesentlicher Umstände für den Vertragsschluss und die Schadensabwicklung; der Versicherer sei dem Versicherungsnehmer durch die Beherrschung der Versicherungstechnik, seine Geschäftskunde, seine umfangreichen Erfahrungen und wegen der Sachverständigen, der er sich bedienen kann, überlegen.

Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs müsse der Versicherungsagent zwar nicht prüfen, ob die Versicherungsbedingungen das erkennbare Versicherungsbedürfnis des Versicherungsnehmers voll abdeckten, vielmehr müsse der Versicherungsnehmer die von ihm für aufklärungsbedürftig erachteten Punkte bezeichnen oder erkennbar eine irrige Vorstellung insbesondere über den Deckungsumfang haben. Der Agent müsse dann Fehlvorstellungen, die der Versicherungsnehmer erkennbar über den Deckungsumfang äußere, richtigstellen. Umso eher liege ein pflichtwidriges Verhalten vor, wenn der Versicherungsnehmer in seinen irrigen Vorstellungen über den Inhalt des Versicherungsprodukts noch bestärkt werde, insbesondere wenn dem Versicherungsagenten aus den Äußerungen des Versicherungsnehmers klar erkennbar sei, dass dieser über einen für ihn ganz wesentlichen Vertragspunkt eine irrige Vorstellung habe.

Ein Versicherer sei zu einer sachkundigen Beratung und Aufklärung dann verpflichtet, wenn der andere Vertragsteil nach der im Verkehr herrschenden Auffassung dies redlicherweise erwarten dürfe; die Belehrungspflicht des Versicherers oder seines Agenten dürfe aber nicht überspannt werden und erstrecke sich nicht auf alle möglicherweise eintretende Fälle. Sehe sich der Versicherungsnehmer zufolge seiner erkennbar falschen, vom Versicherungsagenten pflichtwidrig nicht aufgeklärten Vorstellungen über den Umfang der Versicherung einer für ihn unerwarteten Deckungslücke gegenüber, dann sei ihm der Versicherer für den im Entgang des Versicherungsschutzes schadenersatzpflichtig (culpa in contrahendo) und damit deckungspflichtig, wenn der Schaden bei rechtzeitiger Aufklärung durch den entsprechenden Abschluss einer den Versicherungsschutz gewährleistenden Versicherung gedeckt worden wäre.

Hier habe der Mitarbeiter der Beklagten ohne Vorgaben oder Einschränkungen der Kläger oder des Nebenintervenienten unter Zugrundlegung der vom Nebenintervenienten übermittelten Unterlagen eine Versicherungssumme berechnet und vorgeschlagen. Dabei sei er selbst der irrigen Meinung gewesen, dass die von ihm in den Vertragsantrag aufgenommene Versicherungssumme vollen Deckungsumfang gewährleiste. Deshalb habe er von der objektiv und subjektiv zumutbaren Möglichkeit, einen Sachverständigen beizuziehen, um seine Schätzung überprüfen zu lassen, Abstand genommen. Gleichsam habe er auf ein allfälliges Risiko der Unterversicherung nicht hingewiesen, obwohl ihm bewusst gewesen sei, dass die Kläger einen vollen Deckungsumfang angestrebt hätten.

Auch wenn die Aufklärungs- und Sorgfaltspflichten des Versicherers nicht überspannt werden dürften, sei zu berücksichtigen, dass den Versicherer die besondere Verpflichtung treffe, nach dem das Versicherungsgeschäft beherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben Anfragen des Versicherungsnehmers fürsorglich zu behandeln. Dieser Verpflichtung sei E* als Erfüllungsgehilfe der Beklagten schuldhaft nicht nachgekommen. Er hätte gerade im Wissen, dass die Kläger einen Vertrag mit vollem Deckungsschutz anstrebten, in Zusammenschau mit den ihm zur Verfügung gestellten Unterlagen betreffend das Versicherungsobjekt, der von ihm erwartbaren Beherrschung der Versicherungstechnik, Geschäftskunde und Erfahrungen und wegen der Sachverständigen, der er sich bedienen habe können, entweder von vornherein, allenfalls nach vorangehender Beiziehung eines Sachverständigen, eine korrekte Versicherungssumme anbieten oder in Ermangelung einer Beiziehung eines Sachverständigen zumindest in allgemeiner Form auf das Risiko einer allfälligen Unterversicherung hinweisen müssen.

Die Aufklärungspflichten des Versicherers gegenüber einem Versicherungsmakler seien aufgrund dessen eigenen Fachwissens geringer als gegenüber einem unvertretenen Versicherungsinteressenten. Neben der Erstellung einer angemessenen Risikoanalyse und eines angemessenen Deckungskonzepts sei der Makler auch zur Vermittlung des nach den Umständen des Einzelfalls bestmöglichen Versicherungsschutzes verpflichtet. Die Beklagte habe daher eine herabgesetzte Aufklärungswarnung und Informationspflicht getroffen; sie wäre daher trotz der Vertretung der Kläger durch den Nebenintervenienten zumindest zu einem allgemeinen formelhaften Risikohinweis betreffend eine allfällige Unterversicherung verpflichtet gewesen.

Die Kläger müssten sich jedoch das pflichtwidrige Verhalten ihres Vertreters als eigenes Mitverschulden anrechnen lassen. Von ihm als Fachmann sei nämlich zu erwarten gewesen, dass er die Versicherungssumme der Höhe nach hinsichtlich einer allfälligen Unterversicherung hinterfrage. Insbesondere angesichts des Umstands, dass das Angebot noch am selben Tag wie die Anfrage übermittelt worden sei, habe ihm klar sein müssen, dass die Versicherungssumme keiner sachverständigen Überprüfung unterzogen worden sein habe können. Daher wäre für ihn daher erkennbar gewesen, dass die Versicherungssumme mit Unsicherheit behaftet gewesen sei. Bei Gegenüberstellung sei von gleichteiligem Verschulden auszugehen, zumal das Fachwissen auf beiden Seiten gleich sei.

Gegen dieses Urteil richten sich die Berufungen der Kläger, des Nebenintervenienten und der Beklagten. Die Kläger und der Nebenintervenient bekämpfen, beide gestützt auf den Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung, die Kläger auch auf unrichtige Beweiswürdigung und Sachverhaltsfeststellung, die Teilabweisung und streben primär die Abänderung durch gänzliche Klagestattgabe an. Die Beklagte beabsichtigt mit ihrer aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gegen die Teilstattgabe gerichteten Berufung die Abänderung durch gänzliche Klageabweisung. Hilfsweise werden Aufhebungs- und Zurückverweisungsanträge gestellt.

Die Berufungen der Kläger und des Nebenintervenienten sind nicht berechtigt; hingegen kommt der Berufung der Beklagten Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufungen der Kläger und des Nebenintervenienten richten sich gegen die Schadensteilung wegen Annahme eines Mitverschuldens. Eine solche Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten ist im Verfahren aber erst dann zu prüfen, wenn überhaupt ein dem Beklagten zurechenbarer Sorgfaltsverstoß festzumachen ist. Deshalb sei zunächst auf die Berufungsargumente der Beklagten, die eine ihr zurechenbare Pflichtverletzung bestreitet, eingegangen.

Sie macht u.a. geltend, dass sie weder eine Verpflichtung, einen Sachverständigen zur Ermittlung des Versicherungswertes beizuziehen, noch eine solche getroffen habe, den fachkundigen Versicherungsmakler auf das Risiko einer Unterversicherung hinzuweisen. Anhand der ihr vom Versicherungsmakler übermittelten Unterlagen habe es keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die Versicherungssumme von EUR 900.000,00 nicht ausreichen sollte.

Die Kritik ist berechtigt: Das Erstgericht stellte die relevante Rechtsprechung zu den Schutz-, Sorgfalts- und Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit dem Abschluss des Versicherungsvertrags zutreffend und ausführlich dar; darauf kann verwiesen werden. Die vom Erstgericht daraus gezogenen Schlüsse werden vom Berufungssenat aber nicht zur Gänze geteilt. Sie übersehen, dass der Grundsatz von Treu und Glauben im Versicherungsverhältnis nicht nur Pflichten des Versicherungsunternehmers festlegt, sondern für beide gleichermaßen gilt. Zwar ist der Versicherer dem Versicherungsnehmer durch die Beherrschung der Versicherungstechnik, seine Geschäftskunde, seine umfangreichen Erfahrungen und auch wegen der Sachverständigen, derer sich bedienen kann, überlegen, doch verfügt der Versicherungsnehmer allein über die Kenntnis wesentlicher Umstände für den Vertragsabschluss und die Schadenabwicklung. Zu diesen Umständen gehören auch Eigenschaften wie die Beschaffenheit und der Wert der zu versichernden Sache.

Der Versicherungsagent – oder der Versicherer - muss nicht prüfen, ob die Versicherungsbedingungen das erkennbare Versicherungsbedürfnis voll abdecken (vgl. RIS-Justiz RS0080898); der Versicherungsnehmer muss vielmehr die von ihm für aufklärungsbedürftig erachteten Punkte bezeichnen oder erkennbar eine irrige Vorstellung haben (RIS-Justiz RS0080130). Doch müssen Fehlvorstellungen, die der Versicherungsnehmer über den Deckungsumfang äußert, richtig gestellt werden (RIS-Justiz RS0080898 [T1]). Ein pflichtwidriges Verhalten liegt umso eher vor, wenn der Versicherungsnehmer in seinen irrigen Vorstellungen über den Inhalt des Versicherungsprodukts noch bestärkt wird (RIS-Justiz RS0106980), ebenso, wenn dem Versicherer aus den Äußerungen des Versicherungsinteressenten klar erkennbar ist, dass dieser eine irrige Vorstellung über einen für ihn ganz wesentlichen Vertragspunkt hat (RIS-Justiz RS0080141). Eine besondere Aufklärungspflicht setzt daher grundsätzlich erkennbares Unwissen, Unklarheiten oder Irrtümer voraus. Die Aufklärungspflichten des Versicherers sind einem Makler (und den durch ihn Vertretenen) gegenüber auf Grund seines eigenen Fachwissens geringer als gegenüber einem durchschnittlich unvertretenen Versicherungsnehmer (7 Ob 284/03w).

Eine Verpflichtung des Versicherers gegenüber dem Versicherungsnehmer, in jedem Fall vor Übermittlung eines Richtofferts, also eines beispielhaften Anbotsmusters, das der Versicherungsnehmer für den von ihm gewünschten Vertrag verwenden könnte, oder auch vor Abschluss eines Versicherungsvertrages ein Sachverständigengutachten über den Wert der zu versichernden Sache einzuholen, besteht nicht. Hier übermittelte der Nebenintervenient der Beklagten mit der Anfrage Unterlagen, die einen wesentlich geringeren Wert auswiesen, als ihn nun der Sachverständige bei der Schadensliquidierung ermittelte, und der in der vorgeschlagenen Versicherungssumme leicht Deckung gefunden hätte – einerseits mit der übermittelten Vorpolizze, die eine deutlich niedrigere Versicherungssumme von rund EUR 560.000,00 zeigte, andererseits aber mit dem Verkaufsexposé, das Ausführungen zur Verkehrswertberechnung anhand des Herstellungswerts des Gebäudes enthielt. Der Bauzeitwert von EUR 241.881,00 leitete sich demnach von einem Herstellungswert des Gebäudes von EUR 420.000,00 (+ EUR 15.000,00 für Nebengebäude und EUR 48.762,00 an Bodenwert) und einem 50%igen Abschlag für Alter und Abnutzung ab. Anhand der ihr übermittelten Unterlagen konnte die Beklagte daher davon ausgehen, dass mit einem Versicherungswert von EUR 900.000,00 das Auslangen zu finden wäre.

Die Beklagte erzeugte auch nicht auf ihr zurechenbare Weise einen Rechtsschein für die stattgefundene Wertermittlung durch einen Sachverständigen. Weder behauptete sie solches, noch konnten – wie bereits das Erstgericht zutreffend hervorhob – der Nebenintervenient oder die Kläger aufgrund der Promptheit der Antwort von einer mit Richtigkeitsgewähr ausgestatteten Wertermittlung ausgehen. Dass Dokumente digital schnell übermittelt werden können, bedeutet nicht, dass Sachverständigentätigkeiten keinen Zeitaufwand mehr verursachen, beschränkt sich solche doch nicht auf rasche Dokumentenübermittlung. Die Beklagte übermittelte noch am Tag der Anfrage ein Richtoffert mit einer „Zirka“-Prämie. Die Kläger nahmen denn auch im Richtoffert noch Änderungen vor (sie ergänzten etwa die Klägerin als Versicherungsnehmerin und änderten auf monatliche Zahlung; ./1); alle Beteiligten gingen aber offenbar davon aus, dass die Versicherungssumme dem Versicherungswert entspräche. Dass die Beklagte die Versicherungssumme deutlich höher als mit dem aus den aus den ihr übermittelten Unterlagen hervorgehenden Liegenschaftswert aus ansetzte, vermag einen solchen Rechtsschein nicht zu begründen.

Welche Relevanz der Versicherungssumme zukommt und dass Versicherungsbedingungen dann, wenn der Versicherungswert nicht der Versicherungssumme entspricht, sondern deutlich darüber liegt, auch eine Begrenzung auf eine aliquote Schadensliquidierung vorsehen können, bedeutet zwar Fachwissen aus der Versicherungsbranche. Als solches muss es aber einem Versicherungsmakler bekannt sein, weshalb eine Aufklärungspflicht des Versicherungsunternehmens gegenüber dem Versicherungsmakler und damit auch gegenüber den durch den Makler vertretenen Konsumenten darüber nicht besteht.

Damit bestanden für die Beklagte weder Anhaltspunkte, dass der Abschluss der Versicherung nicht den Interessen der Kläger entsprechen könnte, etwa in Hinblick auf eine Unterversicherung, noch traf sie eine Aufklärungspflicht der durch den fachkundigen Makler vertretenen Kläger über die Relevanz des Versicherungswerts und die Möglichkeit einer Unterversicherung im Allgemeinen.

Die Kläger bestritten die Behauptungen der Beklagten nicht, dass der Versicherungswert in Wahrheit wesentlich höher sei und eine Unterversicherung vorliege. Sie wendeten lediglich ein, für die Unterversicherung nicht verantwortlich zu sein, vielmehr hätte die Beklagte Aufklärungs- und Schutzpflichten verletzt. Damit läge, wie vom Erstgericht richtig beurteilt, eine Haftung nach culpa in contrahendo nahe, die aber, weil nach Auffassung des Berufungssenats solche Pflichten nicht verletzt wurden, zu verneinen ist. Die Kläger, die nicht ausdrücklich eine solche Haftung geltend machten, sondern sich auf „jeden erdenklichen Rechtsgrund“ beriefen, begegneten der Ablehnung der Leistung durch die Beklagten aus dem Versicherungsvertrag auch mit dem Argument, die Beklagte dürfe sich nicht auf den Einwand der Unterversicherung berufen, weil dieser gegen Treu und Glauben verstieße. Darin könnte ein Einwand des Rechtsmissbrauchs gesehen werden.

Rechtsmissbrauch liegt vor, wenn unlautere Motive der Rechtsausübung augenscheinlich im Vordergrund stehen und daher andere Ziele der Rechtsausübung völlig in den Hintergrund treten, sodass zwischen den vom Handelnden verfolgten Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen Teils ein krasses Missverhältnis besteht. Für das rechtsmissbräuchliche Vorgehen beweispflichtig ist stets derjenige, der den Rechtsmissbrauch behauptet. Selbst wenn nur relativ geringe Zweifel am Rechtsmissbrauch verbleiben, geben diese aufgrund der dargestellten Beweislast zugunsten des Rechtsausübenden den Ausschlag, weil demjenigen, der an sich ein Recht hat, grundsätzlich zugestanden werden soll, dass er innerhalb der Schranken dieses Recht handelt (vgl 6 Ob 72/05i mwN).

Welches unlautereMotiv die Beklagte verfolgen könnte, ist schon nicht zu sehen. Erzeugte sie schon nicht den Anschein, den Wert des Versicherungsobjekts selbständig ermittelt zu haben, sodass die Kläger unabhängig von deren Angaben auf die Richtigkeit der Versicherungssumme vertrauen hätten dürfen, und übermittelte sie lediglich ein Richtoffert, dass jeder Adaption der Parameter durch die Kläger zugänglich gewesen wäre, so ist Rechtsmissbrauch nicht zu erkennen. Ob der Einwand der Unterversicherung zutrifft, ob die aliquote Berechnung richtig erfolgte, ist in diesem Verfahren nicht zu prüfen, weil diese Umstände als von den Klägern zugestanden anzusehen sind, indem sie nicht die Unterversicherung an sich, sondern nur die Verantwortlichkeit dafür bestritten (§ 267 ZPO).

Zur Berufung der Kläger und des Nebenintervenienten:

Nachdem der Berufungssenat im Verhalten der Beklagten keinen der geltend gemachten Sorgfaltsverstöße verwirklicht sieht, kommt es auf die Prüfung eines Mitverschuldens des Geschädigten oder einer diesem zurechenbaren Person nicht an.

Zur Berufung des Nebenintervenienten bleibt darauf hinzuweisen, dass die Behauptung, aufgrund der übermittelten Unterlagen, auf deren Richtigkeit er vertrauen habe dürfen, habe für ihn kein Grund bestanden, an der Richtigkeit der Versicherungssumme zu zweifeln, gleichermaßen auch die Beklagte für sich in Anspruch nehmen kann, weil auch sie grundsätzlich auf die Richtigkeit der ihr übermittelten Unterlagen vertrauen durfte und kein Anlass bestand, davon auszugehen, dass nicht mit einer Versicherungssumme von EUR 900.000,00 das Auslangen zu finden wäre. Die Kritik, die Beklagte habe entgegen ihrer Aufklärungs-, Warnungs- und Informationspflicht auch keinen allgemeinen formelhaften Risikohinweis auf eine mögliche Unterversicherung übermittelt, sodass kein Anlass bestanden hätte, die Versicherungssumme zu hinterfragen, übersieht die Fachkunde des Versicherungsmaklers, der mit einer formelhaften Risikoaufklärung bloß über ihm Bekanntes unterrichtet werden könnte. Auf die vom Nebenintervenienten begehrten ergänzenden Feststellungen kommt es nicht an, weil eine Haftung der Beklagten nicht anzunehmen ist.

Die Kläger machen unter dem Berufungsgrund unrichtiger Beweiswürdigung und Sachverhaltsfeststellung das Fehlen ergänzender Feststellungen geltend, welche Rüge dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung zuzuordnen ist. Sie vermissen Feststellungen zu ihrer Konsumenteneigenschaft, ohne aber darzulegen, worauf sich eine verschärfte Aufklärungspflicht gründen könnte. § 28 Abs. Z 1 und 3 MaklerG, mit denen die Rechtsprechung die Herabsetzung der Aufklärungspflichten des Versicherers gegenüber dem durch den Makler Vertretenen begründet (7 Ob 284/03w), gelten gerade auch für Konsumenten. Auch gegenüber von einem Makler vertretenen Konsumenten ist wegen des Fachwissens des Maklers eine allgemeine Aufklärungspflicht über die Bedeutung von Versicherungswert und Versicherungssumme sowie der Möglichkeit einer Unterversicherung nicht anzunehmen; Angaben zum Wert einer Sache fallen in die Späre des Versicherungsnehmers und nicht des Versicherers.

Dass die Versicherungssumme von EUR 900.000,00 nicht ausreichte, der Versicherungswert 1,6 Millionen betragen habe, sodass es zu einer Unterversicherung kam, wurde vom Erstgericht ohnehin aufgrund der Prozesseinlassung der Kläger zugrunde gelegt, und bedarf daher keiner ergänzenden Feststellung. Dass die Kläger und der Nebenintervenient nicht davon ausgehen durften, die Beklagte habe sich beim Vorschlag der Versicherungssumme eines Sachverständigen bedient, stellte bereits das Erstgericht zutreffend dar. Auch hier gilt, dass die Argumentation, es sei für den Versicherungsmakler anhand der Unterlagen nicht erkennbar gewesen, dass die Versicherungssumme nicht ausreichen könnte, ebenso für die Beklagte gilt. Hätte er Zweifel, müsste er solche dem Versicherer zu erkennen geben, um weitere Schutz- oder Sorgfaltspflichten auszulösen.

Über die Berufung der Beklagten ist daher das teilabweisende Urteil in eine gänzliche Klageabweisung abzuändern.

Die Abänderung führt zu einer neuen Kostenentscheidung, die auf den § 41 ZPO gründet. Den Einwendungen der klagenden Partei gegen das Kostenverzeichnis der Beklagten ist insoweit beizupflichten, als der Fristerstreckungsantrag und der Vertagungsantrag der Beklagten alleine zuzurechnen sind, sodass sie dafür auch nicht Kostenersatz ansprechen kann (vgl Obermaier Kostenhandbuch 4Rz 1.265 f). Umgekehrt steht der klagenden Partei kein Kostenersatz für die Einwendungen gegen die Kostennote zu (§ 54 Abs 1 a letzter Satz ZPO) .

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens gründet auf den §§ 41, 50 ZPO. Die mit der Berufung unterliegenden Kläger haben der Beklagten die Kosten der Berufungsbeantwortung, aber auch die Kosten deren erfolgreicher Berufung zu ersetzen. Für die Berufung der Beklagten ist der Streitgenossenzuschlag allerdings auf 10 % beschränkt (auch hinsichtlich der Pauschalgebühren), weil am Verfahren gegen deren Berufung der Nebenintervenient nicht beteiligt war. Für diese Berufung errechnen sich die Kosten daher mit insgesamt EUR 2.945,13, darin EUR 1.340,90 Pauschalgebühr und EUR 267,37 USt. Die Kosten der Berufungsbeantwortung wurden richtig verzeichnet.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, weil die Rechtsfragen anhand einhelliger höchstgerichtlicher Rechtsprechung gelöst werden konnten und im Übrigen die Umstände des Einzelfalls den Ausschlag gaben.