JudikaturOLG Linz

10Bs12/25y – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
29. Januar 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Henhofer als Vorsitzende und Mag. Höpfl sowie den Richter Mag. Graf in der Maßnahmenvollzugssache betreffend A* über deren Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Steyr vom 2. Jänner 2025, GZ1*-10, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Mit Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom 24. Mai 2023, GZ2*, wurde A* gemäß § 21 Abs 1 StGB in einem forensisch-therapeutischen Zentrum untergebracht.

Dieser Unterbringung liegt zugrunde, dass die Betroffene am 26. Februar 2023 in ** und an anderen Orten unter dem maßgeblichen Einfluss einer die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung, nämlich einer undifferenzierten Schizophrenie, Beamte des Landespolizeikommandos Burgenland, und zwar RI B* und Insp. C*, mit Gewalt bzw. durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper an einer Amtshandlung, nämlich ihrer Anhaltung zum Zwecke einer Fahrzeug- und Lenkerkontrolle, zu hindern versuchte (§ 15 StGB), indem sie über eine Streckenlänge von 60 km als Lenkerin eines PKW sich der Anhaltung zum Zwecke der Fahrzeug- und Lenkerkontrolle durch die Polizei durch rücksichtsloses Fahrverhalten widersetzte und dabei wiederholt auf das vor ihr fahrende Einsatzfahrzeug unter Missachtung der Einhaltung eines Mindestabstands zufuhr und dadurch das Vorbeifahren erzwang sowie Lenkbewegungen auf die Fahrspur des neben ihr fahrenden Einsatzfahrzeuges durchführte, um dessen Überholen zu verhindern.

A* hat hiedurch Taten begangen, die ihr, wäre sie zur Tatzeit zurechnungsfähig gewesen, als das Vergehen des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach den §§ 15 Abs 1, 269 Abs 1 erster Fall StGB zuzurechnen gewesen wäre, wobei nach ihrer Person, ihrem Zustand und der Art der Tat mit hoher Wahrscheinlichkeit zu befürchten war, dass sie sonst in absehbarer Zukunft unter dem maßgeblichen Einfluss ihrer psychischen Störung eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen, nämlich eine gegen Leib und Leben gerichtete mit mehr als zwei Jahren Freiheitsstrafe bedrohte Handlung begehen wird.

Die Maßnahme wird derzeit im Forensisch-Therapeutischen Zentrum ** vollzogen.

Mit der am 16. Oktober 2024 im Wege eines Rechtsvertreters übermittelten Eingabe beantragte die Betroffene die bedingte Entlassung aus der Maßnahme. Zugleich wurde die Bestellung von Mag. D* zur Sachverständigen begehrt (ON 2).

Mit Beschluss vom 1. Dezember 2024 bestellte das Erstgericht Prim. Dr. E*, Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie, zur Sachverständigen mit dem Auftrag zur Begutachtung im Sinne des § 25 Abs 3 StGB, ob bei der Betroffenen nach wie vor jene schwerwiegende und nachhaltige psychische Störung, die für die Begehung der Anlasstat (LG Eisenstadt GZ2*) kausal war, bestehe, die bejahendenfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit befürchten lasse, dass die Betroffene nach ihrer Person, ihrem Zustand und der Art der Tat in absehbarer Zukunft unter dem maßgeblichen Einfluss ihrer psychischen Störung erneut eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen (iSd § 21 Abs 3 StGB) begehen werde; ob eine allenfalls festgestellte Gefährlichkeit der Betroffenen außerhalb des FTZ ** hintangehalten werden könne; ob nach der Aufführung und Entwicklung der Betroffenen im forensisch-therapeutischen Zentrum nach ihrer Person, ihrem Gesundheitszustand, ihrem Vorleben und nach ihren Aussichten auf ein redliches Fortkommen anzunehmen sei, dass die Gefährlichkeit, gegen die sich die vorbeugende Maßnahme richtet, außerhalb des FTZ ** nicht mehr besteht bzw. so weit abgebaut ist, dass eine bedingte Entlassung empfohlen werden könne, und bejahendenfalls, welche Maßnahmen im Sinne der §§ 50 bis 52 StGB zu empfehlen wären (ON 7).

Mit Eingabe vom 16. Dezember 2024 sprach sich die Betroffene gegen die Bestellung der Sachverständigen mit der Begründung aus, diese habe schon den „Fall F*“ begutachtet und viele „Anstaltsgutachten“ erstellt, weshalb sie „eventuell vorbelastet bzw. nicht ganz unbeeinflusst sein könnte“. Sie wünsche eine Bestellung von Mag. Dur Sachverständigen, da diese für ihren Fall geeigneter und unvoreingenommener sei (ON 9).

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Antrag ab (ON 10).

Dagegen richtet sich die fristgerechte Beschwerde der Betroffenen (ON 11).

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde ist nicht berechtigt.

Voranzustellen ist, dass das Beschwerdegericht über eine Beschwerde in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zu entscheiden hat (§ 89 Abs 1 StPO).

Entgegen der nunmehrigen Beschwerdeargumentation, lediglich eine „Verbesserung der Unterbringung in Stufe 2“ beantragt zu haben, wurde mit Schriftsatz vom 16. Oktober 2024 die Überprüfung der Voraussetzungen einer bedingten Entlassung und die Bestellung von Mag. D* zur Sachverständigen beantragt (ON 2). Die Erstellung und Änderung des Vollzugsplans ist Sache des Anstaltsleiters (§ 135 iVm § 167 Abs 1 StVG).

Nach § 126 Abs 5 StPO iVm § 17 Abs 1 Z 3 StVG hat die Untergebrachte das Recht, binnen 14 Tagen ab Zustellung des Bestellungsbeschlusses, ab Kenntnis eines Befangenheitsgrundes oder Vorliegen begründeter Zweifel an der Sachkunde der Sachverständigen einen Antrag auf deren Enthebung zu stellen. Die Untergebrachte kann auch eine andere, nach den Kriterien der Sachkunde besser qualifizierte Person zur Bestellung vorschlagen.

Gemäß § 126 Abs 4 StPO (iVm mit § 17 Abs 1 Z 3 StVG) gelten für Sachverständige die Befangenheitsgründe des § 47 Abs 1 StPO sinngemäß. Soweit sie befangen sind oder ihre Sachkunde in Zweifel steht, sind sie von Amts wegen oder auf Grund von (begründeten) Einwänden ihres Amtes zu entheben. Nach (der fallbezogen allein in Betracht kommenden Bestimmung des) § 47 Abs 1 Z 3 StPO iVm § 126 Abs 4 StPO ist eine Sachverständige ihres Amts zu entheben, wenn Gründe vorliegen, die geeignet sind, ihre volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit in Zweifel zu ziehen. Für die Annahme der Befangenheit im Sinn des § 47 Abs 1 Z 3 StPO ist es dabei nicht allein maßgeblich, ob sich die Sachverständige selbst subjektiv befangen fühlt oder nicht. Grundsätzlich genügt schon der äußere Anschein der Befangenheit, soweit hiefür zureichende Anhaltspunkte gegeben sind, welchen die Eignung zukommt, aus objektiver Sicht, nämlich bei einem verständig wertenden objektiven Beurteiler, die volle Unbefangenheit der Sachverständigen in Zweifel zu ziehen (RS0124799; Hinterhofer in Fuchs/Ratz,WK StPO § 126 Rz 73). Dies ist etwa dann der Fall, wenn eine Beeinträchtigung der unparteilichen Begutachtung durch sachfremde psychologische Motive zu befürchten ist ( Hinterhofer in aaO § 126 Rz 69).

Gegenständlich liegt nicht einmal der äußere Anschein einer Befangenheit vor. Weder aus dem Antrag der Betroffenen auf Umbestellung (ON 9) noch aus der Beschwerde (ON 11), noch aus dem Akteninhalt ergibt sich ein Anhaltspunkt für Zweifel an der vollen Unvoreingenommenheit oder Unparteilichkeit von Prim. Dr. E*. Die von der Betroffenen ins Treffen geführte Tatsache, dass Prim. Dr. E* ein Gutachten als Sachverständige im Fall „F*“ sowie viele weitere „Anstaltsgutachten“ erstattet habe, stellt in Übereinstimmung mit dem Erstgericht keinen Befangenheitsgrund dar, zumal selbst die häufige Beschäftigung eines Experten als Sachverständigen in Strafverfahren objektiv keine Voreingenommenheit für ein bestimmtes Strafverfahren begründet (vgl 11 Os 52/15d; Hinterhofer in aaO § 126 Rz 71). Vielmehr handelt es sich bei der zur Darstellung gebrachten subjektiven Überzeugung der Betroffenen, Prim. Dr. E* könnte vorbelastet bzw. nicht ganz unbeeinflusst sein, um eine bloße Behauptung ohne argumentatives Fundament.

Aber auch der (an sich zulässige) Antrag auf Umbestellung geht mangels Begründung, warum die vorgeschlagene Person besser qualifiziert sein soll als die bestellte Sachverständige, ins Leere. Eine bessere Qualifikation kann z.B. mit der fallspezifisch besser passenden beruflichen Spezialisierung einher gehen. Sie kann auch mit einer größeren Berufserfahrung, einer intensiveren Forschungstätigkeit (insb höhere Anzahl einschlägiger Publikationen) oder mit bahnbrechenden neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen auf dem in Rede stehenden Fachgebiet (wie etwa eine präzisere Methode zur Feststellung des genauen Todeszeitpunkts eines Mordopfers) begründet werden ( Hinterhofer in aaO § 126 Rz 122).

Das in der Beschwerde relevierte Vertrauensverhältnis der Betroffenen zu Mag. D* vermag eine bessere Qualifikation gegenüber der jahrelang tätigen, überaus erfahrenen gerichtlichen Sachverständigen für Psychiatrie Prim. Dr. E* nicht zu begründen.

RECHTSMITTELBELEHRUNG:

Gegen diese Entscheidung steht ein weiteres Rechtsmittel nicht zu.