4R6/25t – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz als Rekursgericht hat durch Senatspräsident Mag. Gerhard Hasibeder als Vorsitzenden sowie MMag. Andreas Wiesauer und Mag. Stefan Riegler in der Rechtssache des Klägers A*, geboren am **, **, vertreten durch Mag. Wolfgang Lichtenwagner, Rechtsanwalt in Rohrbach, gegen die Beklagten 1. B* , geboren am **, Unternehmer, **platz **, 2. C* GmbH , FN **, ** , und 3. D* AG , FN **, **, alle vertreten durch Dr. Günther Klepp und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen EUR 36.382,11 s.A. und Feststellung (Streitwert EUR 3.000,00), über den Rekurs der Beklagten gegen den Beschluss des Landesgerichtes Linz vom 28. November 2024, GZ1*-48, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagten haben ihre Rekurskosten selbst zu tragen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Begründung:
Mit Urteil vom 19. April 2024, ON 38, erkannte das Erstgericht die Klagsforderung mit EUR 29.004,15 als zu Recht, die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend, verurteilte die Beklagten demgemäß zur ungeteilten Hand zur Zahlung von EUR 29.004,15 samt Zinsen, wies das Mehrbegehren von EUR 7.377,96 ab und stellte die Haftung der Beklagten für künftige Schäden des Klägers aus dem Verkehrsunfall fest.
Mit seiner Kostenentscheidung erkannte es „die klagende Partei schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 21.317,18 (darin EUR 2.101,19 USt und EUR 8.710,03 Barauslagen) bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Nach der zusammengefassten Begründung der Kostenentscheidung seien aufgrund der Änderungen des Streitwertes im Verlauf des Verfahrens Abschnitte zu bilden. Unter Berücksichtigung eines nach § 43 Abs 2 zweiter und dritter Fall ZPO teilweise kostenunschädlichen Unterliegens des Klägers, das bei der Bildung der jeweiligen echten Streitwerte zur Ermittlung der Obsiegensquote in Abzug zu bringen sei, ergebe sich eine Obsiegensquote des Klägers von rund neun Zehntel im ersten und vierten Verfahrensabschnitt sowie von rund sieben Achtel im zweiten und dritten Verfahrensabschnitt. Der Kläger habe daher im ersten und vierten Abschnitt, in welchen er jeweils nur geringfügig unterlegen sei (§ 43 Abs 2 erster Fall ZPO) Anspruch auf vollen Kostenersatz auf Basis des ersiegten Betrages und in den übrigen beiden Abschnitten auf Ersatz von drei Viertel seiner Verfahrenskosten (wiederum auf Basis des ersiegten Betrages) und sieben Achtel der von ihm allein getragenen Barauslagen, während die Beklagten Anspruch auf Ersatz eines Achtels der von ihnen allein getragenen (ausnahmslos dem zweiten Verfahrensabschnitt zuzuordnenden) Barauslagen hätten (US 31f).
In weiterer Folge behandelte das Erstgericht die Einwendungen der Beklagten gegen das Kostenverzeichnis des Klägers und listete zuletzt auf Basis des klägerischen Kostenverzeichnisses detailliert in einer Tabelle unter Abzug der Barauslagen der Beklagten die letztlich zugesprochenen Kosten von insgesamt EUR 21.317,18 auf (US 32f).
Der gegen dieses Urteil (ausschließlich) in der Hauptsache erhobenen Berufung der Beklagten gab das Rechtsmittelgericht mit Urteil vom 23. September 2024, GZ2* = ON 44, nicht Folge.
Mit in Rechtskraft erwachsenem Beschluss vom 26. September 2024, ON 45, berichtigte das Erstgericht die im Urteil vom 19. April 2024, ON 38, enthaltene Kostenentscheidung (Punkt 6.) dahingehend, dass diese wie folgt zu lauten hat:
„6. Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 21.317,18 (darin EUR 2.101,19 USt und EUR 8.710,03 Barauslagen) bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Nach der wesentlichen Begründung enthalte der Ausspruch über die Kostenersatzpflicht im Spruch des Urteils offenkundig irrtümlich vertauschte Parteirollen. Für die Zulässigkeit einer Entscheidungsberichtigung gemäß § 419 Abs 1 ZPO sei maßgebend, dass durch die Berichtigung der wahre Entscheidungswille des Gerichtes zum Ausdruck gebracht werde (RS0041519). Der Entscheidungswille, wonach die Kostenersatzpflicht die Beklagten treffe, gehe völlig unzweifelhaft aus den die Kostenentscheidung begründenden Ausführungen im Rahmen der Entscheidungsgründe hervor (US 31 ff).
Gegen die berichtigte Kostenentscheidung erhoben die Beklagten am 11. Oktober 2024 einen Kostenrekurs (ON 46).
Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Kostenrekurs der Beklagten vom 11. Oktober 2024 als verspätet zurück.
Im Spruch des Ersturteils vom 19. April 2024, den Vertretern der Beklagten zugestellt am 2. Mai 2024, seien die Parteirollen vertauscht angeführt gewesen. In den Ausführungen zur Kostenentscheidung in den Entscheidungsgründen sei durchgehend von einer Ersatzpflicht der Beklagten gegenüber dem Kläger die Rede. Auch die detailliert angeführte Berechnung lasse insofern keine Zweifel zu, enthalte sie als zuzusprechende Posten ja lediglich vom Kläger verzeichnete Kostenpositionen (mit Ausnahme der bei der Saldierung der Barauslagen abzuziehenden von den Beklagten getragenen Zeugen- und Dolmetschergebühren im zweiten Verfahrensabschnitt).
Abweichend vom allgemeinen Grundsatz, wonach die Berichtigung eines Urteils nach § 419 ZPO im Regelfall eine neue Rechtsmittelfrist in Gang setze (RS0041797), sei dies nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dann nicht der Fall, wenn der Rechtsmittelwerber auch ohne Berichtigung keinen Zweifel über den eigentlichen richterlichen Entscheidungswillen haben habe können. Habe also schon vor der Berichtigung für die Parteien Klarheit darüber bestanden, dass der Entscheidungswille des Erstgerichts auf den - später - berichtigten Inhalt gerichtet gewesen sei, beginne mit der Zustellung des Berichtigungsbeschlusses keine neue Rechtsmittelfrist zu laufen. Nur dann, wenn die Parteien erst durch die Berichtigung einer Entscheidung volle Klarheit über den Inhalt erlangen, beginne die Rechtsmittelfrist damit neu zu laufen (für viele: 9 Ob 93/18f; RS0041797 [T34, T 36, T45, T49]; vgl RS0041760).
Angesichts des aus den Entscheidungsgründen völlig unzweifelhaften Entscheidungswillens habe die Berichtigung des Spruchs des Urteils mit Beschluss vom 26. September 2024 keine neue Rechtsmittelfrist in Gang gesetzt. Rekurse seien gemäß § 521 Abs 1 ZPO binnen 14 Tagen zu erheben. Diese Frist sei von den Rekurswerbern im vorliegenden Fall nicht eingehalten worden, weil maßgeblich weiterhin die ursprüngliche, mit Zustellung des Urteils an die Vertreter der Beklagten am 2. Mai 2024 ausgelöste Rechtsmittelfrist sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.
Der Kläger erstattete keine Rekursbeantwortung.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Die Rekurswerber gestehen zunächst zu, dass der Fehler des Erstgerichtes bei der Formulierung der Kostenersatzpflicht im Urteilsspruch offenkundig gewesen sei, ansonsten eine Berichtigung des Urteils nicht mehr möglich gewesen wäre. Allerdings unterscheide sich der gegenständliche Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt von den vom Erstgericht zitierten Entscheidungen. Den Beklagten habe es nämlich schlichtweg an einer Beschwer gefehlt, gegen diesen Urteilsausspruch ein Rechtsmittel zu erheben, auch wenn sich aus der Begründung der Kostenentscheidung wohl ergeben habe, dass beabsichtigt gewesen wäre, die Beklagten zum Ersatz der Kosten des Klägers zu verpflichten.
Den Rekurswerbern ist zunächst grundsätzlich zuzugestehen, dass die den vom Erstgericht zitierten Entscheidungen jeweils zugrunde liegenden Sachverhalte nicht unmittelbar gleichgelagert mit dem vorliegenden Fall der Vertauschung der Parteien sind, wenngleich daraus sehr wohl die Grundsätze der einschlägigen Judikatur ersichtlich sind, aus nachstehenden Erwägungen lässt sich daraus jedoch nichts für sie gewinnen:
Das Gesetz regelt nicht, wie sich die Urteilsberichtigung auf die Rechtsmittelfrist auswirkt. Wenn man bedenkt, dass an sich nur Schreib- und Rechenfehler, andere offenbare Unrichtigkeiten oder Abweichungen der Ausfertigung von der gefällten Entscheidung einer Berichtigung zugänglich sind (§ 419 Abs 1 ZPO) und insoweit die Urteilsberichtigung den Urteilsinhalt und auch den Umfang der Rechtskraftwirkung des Urteils schon gar nicht ändern kann, erscheint eine derartige Regelung auch nicht notwendig. Streng genommen kann die Berichtigung offenkundiger Unrichtigkeiten also schon gar nicht geeignet sein, Unsicherheit über die richtige und damit tatsächlich anfechtbare Entscheidung zu erzeugen. Die Rechtsprechung legt die Kriterien des § 419 Abs 1 ZPO allerdings extensiv aus und macht von der Möglichkeit der Urteilsberichtigung großzügig Gebrauch. Die ständige Rechtsprechung (RS0041797) geht daher davon aus, dass die Berichtigung grundsätzlich eine neue Rechtsmittelfrist gegen die gesamte Entscheidung auslöst ( Werderitsch in Kodek/Oberhammer , ZPO-ON § 419 Rz 34 mN; vgl auch M. Bydlinski in F asching/Konecny 3§ 419 ZPO Rz 12; Rechberger Klicka in Rechberger/Klicka, ZPO 5 § 419 Rz 8).
Abweichend von diesem allgemeinen Grundsatz ist dies nach der mittlerweile ständigen (neueren) Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs allerdings dann nicht der Fall, wenn der Rechtsmittelwerber auch ohne Berichtigung keinen Zweifel über den eigentlichen richterlichen Entscheidungswillen bzw den wirklichen (beabsichtigten) Inhalt des richterlichen Ausspruchs haben konnte. Bestand also schon vor der Berichtigung für die Parteien Klarheit darüber, dass der Entscheidungswille des Erstgerichts auf den - später - berichtigten Inhalt gerichtet war, beginnt mit der Zustellung des Berichtigungsbeschlusses bzw der berichtigten Entscheidungsausfertigung keine neue Rechtsmittelfrist zu laufen, wobei dabei ein objektiver Maßstab anzuwenden ist, sodass nicht zu unterstellen ist, es seien die subjektive Erkenntnisfähigkeit und die Einsichtmöglichkeit der jeweiligen Parteien maßgebend ( M. Bydlinski aaO Rz 13). Nur dann, wenn die Parteien erst durch die Berichtigung einer Entscheidung volle Klarheit über den Inhalt erlangen, beginnt die Rechtsmittelfrist damit neu zu laufen (RS041797 [T34, T36, T45, T49]; OLG Innsbruck 4 R 65/15p, 3 R 72/23x mwN ua; Werderitsch aaO Rz 36; vgl auch M. Bydlinsk i aaO Rz 12; Rechberger/Klicka aaO).
Im vorliegenden Fall schließt sich das Rekursgericht ausgehend von diesen Grundsätzen der Ansicht des Erstgerichtes an, dass aus der Begründung der Kostenentscheidung völlig unzweifelhaft der wahre Entscheidungswille des Erstgerichtes hervorgeht. Nicht nur dass der Kläger im Verfahren überwiegend obsiegt hat, führte das Erstgericht ausdrücklich Obsiegensquoten von neun Zehntel bzw sieben Achtel des Klägers in den einzelnen Verfahrensabschnitten an, beschäftigte sich (ausschließlich) mit den Kosteneinwendungen der Beklagten und listete insbesondere auf Basis der Kostennote des Klägers detailliert die zuzusprechenden Kosten in einer Tabelle auf. Aus objektiver Sicht konnte daher nicht der geringste Zweifel daran bestehen, dass das Erstgericht tatsächlich die Beklagten zum Kostenersatz an den Kläger verurteilen wollte bzw verurteilt hat. Dies sehen in Wahrheit auch die Rekurswerber so, wenn für sie absehbar gewesen sei, dass der Kläger wohl eine Berichtigung des Urteils beantragen werde. Sie unterliegen in diesem Sinn lediglich der unrichtigen Rechtsansicht, dass ihnen infolge der Vertauschung der Parteirollen die Beschwer für die Bekämpfung der Kostenentscheidung (hier mit Berufung im Kostenpunkt) gefehlt hat.
Insgesamt musste dem Rekurs daher ein Erfolg versagt bleiben.
Gemäß den §§ 50, 40 ZPO haben die Beklagten ihre Rekurskosten selbst zu tragen.
Die Entscheidung übe die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses beruht auf § 528 Abs 2 Z 2 und 3 ZPO (RS0044963 [T26]).