JudikaturOLG Linz

9Bs315/24y – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
21. Januar 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Engljähringer als Vorsitzende, Mag. Hemetsberger und Mag. Kuranda in der Strafsache gegen A*wegen des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 17. Dezember 2024, HR*-10, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:

Spruch

Der Beschwerde wird Folge gegeben; der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und die Sache wird zur neuen Entscheidung unter sinngemäßer Anwendung des § 293 Abs 2 StPO (§ 89 Abs 2a Z 4 StPO) an das Erstgericht verwiesen.

Text

Begründung:

Die Staatsanwaltschaft Salzburg führt zu St* ein Ermittlungsverfahren wegen der Verbrechen der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB und der kriminellen Organisation nach § 278a StGB gegen den am ** geborenen A*.

Demnach habe sich A* ab einem noch festzustellenden Zeitpunkt nach dem 18. Juli 2024 bis dato in B* und an anderen Orten

I./ wissentlich (§ 5 Abs 3 StGB) als Mitglied (§ 278 Abs 3 StGB) an einer terroristischen Vereinigung (§ 278b Abs 3 StGB) durch Verbreiten von Propagandamaterial der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS), deren Ziel die Errichtung eines nach radikal- islamistischen Grundsätzen ausgerichteten, als „Kalifat“ bezeichneten Gottesstaats durch die Begehung terroristischer Straftaten (§ 278c StGB) ist, mit welchem für die Ideologie des IS und für den von diesem geführten bewaffneten Glaubenskrieg geworben wurde, um seine Mitglieder in ihrer Entschlossenheit und Moral zu bestärken sowie neue Mitglieder für den IS zu mobilisieren, beteiligt und dadurch diese Vereinigung gefördert, indem er Inhalte des öffentlichen Instagram-Profils „**“ (ID: **), welches über 3.400 Follower zählt und überwiegend mit Symbolen und Flaggen des IS versehene Mediendateien öffentlich geteilt hält, mit seinem knapp 400 Follower zählenden Instagram-Profil „**“ (ID: **) mit einem „Like“ versehen und solcherart seine Unterstützung ausgedrückt hat, und zwar

A./ nach dem 18. Juli 2024 ein Video, zeigend ua C*, Bosnischer Salafistenführer und Gründer der salafistischen Bewegung in Bosnien und Herzegowina, wobei das Video mit dem in arabischer Sprache gehaltenen salafistisch-tschihadistischen IS Naschid „**“ hinterlegt ist;

B./ nach dem 28. Juli 2024 eine in schwarz-weiß gehaltene Fotomontage, zeigend das Wappen von Bosnien und Herzegowina der Jahre 1992 bis 1998 sowie die Schahāda im Stile der Flagge des IS, wobei das Bild mit dem in arabischer Sprache gehaltenen salafistisch-tschihadistischen IS-Naschid „**“, zu Deutsch „bald, bald“ hinterlegt ist;

II./ durch die unter I./ angeführten Handlungen an der aus jedenfalls mehr als zehn Mitgliedern bestehenden Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS), sohin an einer auf längere Zeit angelegten unternehmensähnlichen Verbindung einer größeren Zahl von Personen, und zwar einer nach militärischem Vorbild gegliederten Gruppierung mit weiterhin zumindest mehreren hunderten Mitgliedern, welche in mehreren Staaten des Nahen und Mittleren Ostens – darunter Syrien, Irak und Afghanistan – sowie am afrikanischen Kontinent – darunter in Mosambik, Nigeria sowie Somalia – aktiv ist, die, wenn auch nicht ausschließlich, auf die wiederkehrende und geplante Begehung schwerwiegender strafbarer Handlungen, die das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit oder das Vermögen bedrohen oder schwerwiegender strafbarer Handlungen im Bereich des unerlaubten Verkehrs mit Kampfmitteln, Falschgeld oder Suchtmitteln ausgerichtet ist, indem sie unter Anwendung besonderer Grausamkeit durch terroristische Straftaten nach § 278c Abs 1 StGB die in ihrem Operationsgebiet nicht ihren Zielen unterordnende Zivilbevölkerung tötet und vertreibt, sich deren Vermögen aneignet, durch Geiselnahme große Geldsummen erpresst, und dadurch eine Bereicherung in großem Umfang anstrebt, und zudem seit 2014 weltweit – insbesondere auch in Europa – terroristische Anschläge auf Andersgläubige verübt und durch deren Androhung Dritte einschüchtert, und sich auf besondere Weise, nämlich durch Geheimhaltung ihres Aufbaues, ihrer Finanzstruktur, der personellen Zusammensetzung der Organisation und der internen Kommunikation, gegen Strafverfolgungsmaßnahmen abschirmt, in dem Wissen beteiligt, dass er dadurch diese Vereinigung ua in ihrem Ziel der Errichtung eines radikal-islamistischen Gottesstaates (Kalifat) und deren terroristische Straftaten nach § 278c Abs 1 StGB zur Erreichung dieses Ziels förderte.

Mit dem angefochtenen Beschluss (ON 10) wurde der Antrag der Staatsanwaltschaft vom 28. November 2024 (ON 1.1) auf gerichtliche Bewilligung der Durchsuchung (§§ 117 Z 2, 119 Abs 1, 120 Abs 1 erster Satz StPO) der von A* genutzten Wohnräume im Mehrparteienhaus an der Anschrift ** in ** B* samt der dazugehörenden Nebenräume und Abstellflächen (1./) und die Beschlagnahme (§ 115 Abs 1 Z 1 und Z 3 StPO) folgender Datenträger, wobei zu suchen sind Mobiltelefone („Smartphones“, Computer, Laptops und Tablets), mangels strafbaren Verhaltens des A* abgewiesen.

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Staatsanwaltschaft (ON 12), mit der sie die Kassation des angefochtenen Beschlusses und die Zurückverweisung der Sache zur neuerlichen Entscheidung über den Antrag der Staatsanwaltschaft unter sinngemäßer Anwendung des § 293 Abs 2 StPO (§ 89 Abs 2a Z 4 StPO) beantragt.

Die Beschwerde ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Als Mitglied an einer terroristischen Vereinigung beteiligt sich, wer im Rahmen ihrer kriminellen Ausrichtung eine strafbare Handlung begeht oder sich an ihren Aktivitäten durch die Bereitstellung von Informationen oder Vermögenswerten oder auf andere Weise in dem Wissen beteiligt, dass er dadurch die Vereinigung oder deren strafbare Handlungen fördert (§ 278b Abs 2 StGB iVm § 278 Abs 3 StGB). Die Beteiligung als Mitglied (die auch versucht werden kann) ist vollendet, sobald der Täter eine Aktivität iSd § 278b Abs 2 iVm § 278 Abs 3 StGB entfaltet ( Plöchl in Höpfel/Ratz , WK 2StGB § 278b Rz 14).

Die hier in Frage kommende zweite Alternative des § 278b Abs 2 StGB erfasst solcherart an sich sozial adäquate Handlungen, die der Schaffung einer Infrastruktur dienen, durch die die Erreichung des terroristischen Ziels gefördert wird. Jegliche Art der Förderung ist dabei gemeint ( Sadoghi in SbgK § 278b Rz 60). Der Täter muss sich an einer bestehenden kriminellen Vereinigung als Mitglied beteiligen, also delikts- oder organsiationsbezogene Aktivitäten entfalten. Rein passives Verhalten (zB bloß „formale Mitgliedschaft“ oder der Besuch von Vereinigungsveranstaltungen ohne Entfaltung jedweder vereinigungsspezifischer Tätigkeiten) reicht nicht ( Plöchl in Höpfel/Ratz , WK 2StGB § 278 Rz 34). Mit der Generalklausel (arg „auf andere Weise“) werden alle sonstigen Beteiligungshandlungen an den Aktivitäten von kriminellen Organisationen und terroristischen Vereinigungen erfasst. Dazu zählen Aktivitäten von der Wahrnehmung logistischer Aufgaben und der Erbringung organisatorischer Leistungen über das Anwerben von Mitgliedern und deren kriminelle Ausbildung bis hin zur psychischen Unterstützung zur Stärkung der „Gruppenmoral“ oder einzelner Mitglieder in ihrer Bereitschaft zur Vereinigung von Ausführungstaten ( Plöchl in Höpfel/Ratz , WK 2StGB § 278 Rz 39). Konkret wurden nach der Rechtsprechung das Verschicken von Propagandamaterial des IS, um weitere Personen als Mitglieder des IS zu gewinnen (RIS-Justiz RS0129800 [T5]), der Versuch des Anwerbens von Mithäftlingen der Justizanstalt für die Mitgliedschaft an der terroristischen Vereinigung, das wohlwollende Kommentieren von Nachrichten über terroristische Anschläge, das Animieren von Mithäftlingen, seinem Beispiel zu folgen, sowie die Bekundung der Bereitschaft zur Ausführung terroristischer Straftaten durch die Äußerung, er werde Österreich bombardieren (12 Os 26/18t), und die Verbreitung der Ideologie und der propagandistischen Botschaften der Al-Qaida und der Mudschaheddin auf Websites (13 Os 83/08t) als tatbildliche Beteiligungshandlungen an einer terroristischen Vereinigung erachtet.

Nach der auf der Berichterstattung des LSE B* zu ** (ON 2.3, ON 2.5) und der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (ON 2.4) sowie den Recherchen der Staatsanwaltschaft (ON 4.1, ON 4.2) basierenden Verdachtslage hat der Beschuldigte zumindest zwei inkriminierte Instagram-Beiträge mit einem „Like“ versehen, wodurch er – in der in sozialen Medien üblichen Form – seine Zustimmung zu den Beiträgen bzw deren Inhalten und damit auch Sympathie für den IS, eine terroristische Vereinigung iSd § 278b Abs 3 StGB, bekundet hat.

Das Erstgericht führte dazu zusammengefasst aus, dass das bloße Verteilen eines „Likes“ auf Instagram weder eine Strafbarkeit nach § 278a StGB noch nach § 278b Abs 2 StGB begründe. Zwar symbolisiere man durch dieses Verhalten seine Aufgeschlossenheit gegenüber dem „gelikten“ Beitrag; dass man gegenüber Dritten zeige, dass man mit den Ideen einer terroristischen Vereinigung (kriminellen Organisation) in Einklang stehe und diese vertrete, bedeute aber noch nicht, sich als Mitglied einer solchen zu betätigen.

Vorauszuschicken ist, dass die Argumente des Erstgerichts nicht von vornherein von der Hand zu weisen sind. Allerdings geht das nach der – einfachen – Verdachtslage anzunehmende Verhalten des Beschuldigten auf einer sozialen Plattform nach Ansicht des Beschwerdegerichts schon in objektiver Hinsicht über eine bloße bzw passive und damit möglicherweise straflose Sympathiebekundung hinaus.

Dabei ist zunächst zu beurteilen, dass – wie auch vom Erstgericht unter Verweis auf oben auszugsweise wiedergegebene Judikatur (vgl Sadoghi in SbgK § 278b Rz 95, 103, 105ff) zutreffend ausgeführt – eine Beteiligung auch durch Bewerben der Ideologie der terroristischen Vereinigung und Gutheißung ihrer terroristischen Straftaten erfolgen kann (ON 10, 4).

Der Schluss der Staatsanwaltschaft, die unter weiterer Berücksichtigung der Definition der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 3 StGB daraus systemlogisch ableitet, dass eine Beteiligungshandlung im Sinne des § 278b Abs 2 iVm § 278 Abs 3 StGB auch im Gutheißen der terroristischen Vereinigung als solcher bestehen kann, ist durchaus überzeugend. So kann ein Liken aufgrund des damit verbundenen Gutheißens auch tatbestandsmäßig im Sinne des Vergehens der Verhetzung nach § 283 Abs 1 Z 3 StGB sein ( Plöchl in Höpfel/Ratz , WK 2StGB § 283 Rz 45; Erlass des BMJ vom 8. November 2019 zum Leitfaden zum Tatbestand der Verhetzung [§ 283 StGB], BMVRDJ-S215.001/0004-IV 1/2019).

Zudem ist in Übereinstimmung mit der Staatsanwaltschaft keineswegs ausgeschlossen, dass das inkriminierte Verhalten auf einem öffentlichen Instagram-Profil – deliktsspezifischen Vorsatz vorausgesetzt – geeignet sein kann, dieses (einschlägige) Profil und damit auch die nach der Verdachtslage beworbene terroristische Vereinigung durch den öffentlich bekundeten Zuspruch auch vor dem Hintergrund der Besonderheiten der Kommunikation in sozialen Medien in ihrer Reichweite und Bedeutung zu unterstützen bzw zu fördern und damit eine organisationsbezogene Aktivität im Sinne des § 278b StGB zu entfalten. Dabei ist nur auf die notorische Bedeutung von „Likes“ beispielsweise für Unternehmen oder Prominente zu verweisen. Die diesbezüglichen Bedenken des Erstgerichts, wonach es im konkreten Fall durch das Liken des Beschuldigten zu keiner nennenswerten Vergrößerung der Reichweite der Beiträge habe kommen können (ON 10, 5), ändern an dieser Einschätzung bei der hier anzustellenden Bewertung noch nichts. Ausgehend davon ist dann aber auch die subjektive Tatseite einschließlich der bei der hier relevanten Variante auch geforderten Wissentlichkeit bereits hinreichend indiziert, weshalb sich ein weiteres Eingehen auf die von der Staatsanwaltschaft ins Treffen geführte (strafrechtliche) Vergangenheit des unbescholtenen Beschuldigten erübrigt.

Von einer Zustellung der Beschwerde an den Beschuldigten wurde gemäß § 89 Abs 5 StPO abgesehen, weil der Erfolg der durchzuführenden Hausdurchsuchung voraussetzt, dass sie dem Gegner der Beschwerde nicht vor ihrer Durchführung bekannt wird (§ 89 Abs 2a Z 4 StPO).

Der angefochtene Beschluss war daher aufzuheben und die Sache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung unter sinngemäßer Anwendung des § 293 Abs 2 StPO zu verweisen ( Tipold in Fuchs/Ratz, WK StPO § 89 Rz 14).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).