Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Mag. Knapp, LL.M., als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Dr. Offer und Mag. Preßlaber als weitere Mitglieder des Senats in der Strafsache gegen A*wegen des Vergehens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB über die Beschwerde des Verfahrenshilfeverteidigers RA Mag. B* gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom 26.9.2025, GZ **-1.3, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Der Beschwerde wird n i c h t Folge gegeben.
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).
Begründung :
Die Staatsanwaltschaft Feldkirch legt dem ** geborenen A* mit Strafantrag vom 12.9.2025 zu AZ ** ein Verhalten zur Last, das sie in rechtlicher Hinsicht dem Vergehen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB subsumiert hat.
Demnach habe der Angeklagte in ** und ** in der Zeit September 2024 bis 9.9.2025 gegen seine damalige Lebensgefährtin C* eine längere Zeit hindurch fortgesetzt Gewalt ausgeübt, nämlich durch fortlaufende körperliche Misshandlungen und Körperverletzungen, indem er sie
1. zu nicht mehr feststellbaren Zeitpunkten im genannten Zeitraum beinahe täglich grob angepackt, zu Boden gestoßen, auf das Bett geworfen sowie mit den Fäusten geschlagen habe, wodurch sie großflächige Hämatome an den Armen, Beinen, dem Gesäß, der Brust und der Schulter erlitten habe;
2. am 9.9.2025 mit beiden Händen an ihren Unterarmen erfasst und fest zugedrückt habe, wodurch sie großflächige Hämatome an den Unterarmen erlitten habe.
Am 26.9.2025 beantragte der Angeklagte unter Darlegung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse die Verfahrenshilfe durch Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers (ON 8).
Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss vom 26.9.2025 hat das Erstgericht dem Angeklagten einen Verfahrenshilfeverteidigers beigegeben und dies im Wesentlichen mit der wirtschaftlichen Bedürftigkeit des Angeklagten und einer schwierigen Sach- oder Rechtslage begründet (ON 1.3).
Mit Bescheid vom 29.9.2025 bestellte der Ausschuss der ** Rechtsanwaltskammer nach § 45 RAO RA Mag. B* mit Sitz in ** zum Verfahrenshilfeverteidiger nach § 61 Abs 2 StPO im Rahmen der Beigebung (ON 9).
Gegen den erstgerichtlichen Beschluss nach § 61 Abs 2 StPO richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des Verfahrenshilfeverteidigers (zur Zulässigkeit siehe: Tipold in Fuchs/Ratz, WK StPO § 87 Rz 15 mwN), die argumentativ vorbringt, dass keine schwierige Sach- oder Rechtslage vorliege. Damit würden die gesetzlichen Voraussetzungen für die Beigebung eines Verfahrenshelfers im konkreten Fall nicht vorliegen. Mit diesem Vorbringen zielt die Beschwerde darauf ab, den angefochtenen Beschluss „ersatzlos aufzuheben“ (ON 13).
Der Angeklagte hat sich zu dieser Beschwerde des Verfahrenshilfeverteidigers innerhalb eingeräumter Frist nicht geäußert. Die Oberstaatsanwaltschaft hat sich einer Stellungnahme enthalten.
Die Beschwerde ist nicht im Recht.
Nach § 61 Abs 2 StPO ist einem Angeklagten, der außerstande ist, ohne Beeinträchtigung des für ihn und seine Familie, für deren Unterhalt er zu sorgen hat, zu einer einfachen Lebensführung notwendigen Unterhalts die gesamten Kosten der Verteidigung zu tragen, auf Antrag ein Verteidiger beizugeben, dessen Kosten er nicht oder nur zum Teil zu tragen hat, wenn und soweit dies im Interesse der Rechtspflege, vor allem im Interesse einer zweckentsprechenden Verteidigung erforderlich ist.
Jedenfalls erforderlich ist die Beigebung eines Verteidigers in den Fällen des § 61 Abs 1 StPO (notwendige Verteidigung; Z 1), darüber hinaus dann, wenn der Angeklagte schutzbedürftig und deshalb nicht in der Lage ist, sich selbst zu verteidigen (Z 2), für das Rechtsmittelverfahren aufgrund einer Anmeldung einer Berufung (Z 3) und bei schwieriger Sach- oder Rechtslage (Z 4).
Die wirtschaftliche Bedürftigkeit des Angeklagten ist mit Blick auf seine unbedenklichen Depositionen zu seinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnissen vor der Polizei und in dem Verfahrenshilfeantrag zu bejahen (BV ON 2.5, Angaben in ON 8). Diese wirtschaftliche Bedürftigkeit ist notwendige aber nicht hinreichende Bedingung für die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers.
Fallbezogen ist von den in Betracht kommenden Fällen nur zu prüfen, ob eine schwierige Sach- oder Rechtslage vorliegt (Z 4). Was als schwierige Sach- oder Rechtslage im Sinn des § 61 Abs 2 Z 4 StPO anzusehen ist, hat der Gesetzgeber nicht definiert, weil er dem Gericht einen Spielraum zur sachgerechten Einzelfallbeurteilung eröffnen wollte. Das Gericht hat sich daher bei der Ermessensentscheidung am Interesse einer zweckentsprechenden Verteidigung zu orientieren ( Soyer/Schumann in Fuchs/Ratz, WK StPO § 61 Rz 66). So kann unter anderem die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers wegen schwieriger Sach- oder Rechtslage bei komplexer Beweiserhebung oder Klärung von Tatfragen durch Sachverständige, bei aufwendig bzw schwierig zu klärenden Tat- oder Rechtsfragen, zusammengefasst also bei Verfahrensabläufen, die den Beschuldigten in formeller oder materieller Hinsicht überfordern würden, erforderlich sein (
Zu konzedieren ist der Beschwerde, dass im tatsächlichen Bereich und auf der Ebene der Beweiswürdigung derzeit von einem nicht schwierigen Beweisverfahren auszugehen ist. Die Ermittlungsergebnisse erschöpfen sich im Wesentlichen in der Aussage des Opfers C*, Ambulanzberichten und Lichtbildern der erlittenen Verletzungen des Opfers. Diesen belastenden Momenten steht die leugnende Deposition des Angeklagten gegenüber.
Allerdings kann fallbezogen nicht gesagt werden, dass die Rechtslage nicht schwierig ist. Mit Blick auf die aktenkundige Vorstrafenbelastung werden hinsichtlich der Eintragungen 8 und 9 in der Strafregisterauskunft (ON 2.4, 3) und den Gegenstand der dortigen Verurteilungen (strafbare Handlungen gegen die Freiheit) die Rückfallsvoraussetzungen nach § 39 Abs 1a StGB zu prüfen sein. Zudem droht dem Angeklagten in spezialpräventiver Hinsicht der Widerruf einer bedingten Strafnachsicht zu ** des Landesgerichts Salzburg. Es kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass es sich bei dem dem Angeklagten angelasteten Vergehen um ein Dauerdelikt in Form einer tatbestandlichen Handlungseinheit handelt (RIS-Justiz RS0129716), womit sich hinsichtlich der Anknüpfungsdelikte auch Konkurrenzprobleme stellen können (vgl RIS-Justiz RS0128942).
Diese rechtlichen Implikationen führen dazu, dass wegen schwieriger Rechtslage ein Interesse an einer zweckentsprechenden Verteidigung auch vom Beschwerdegericht bejaht wird.
Damit konnte die Beschwerde nicht durchdringen.
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