Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Mag. Friedrich als Vorsitzenden sowie die Richterin Dr. Klammer und den Richter Mag. Melichar als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A*wegen bedingter Entlassung nach § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 2 StVG über die Beschwerde des Strafgefangenen gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck als Vollzugsgericht vom 17.9.2025, GZ **-7, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Der Beschwerde wird F o l g e gegeben, der angefochtene Beschluss a u f - g e h o b e nund der Strafgefangene A* gemäß § 46 Abs 1 StGB nach Verbüßung von zwei Drittel der Freiheitsstrafe am 22.12.2025 b e d i n g t e n t l a s s e n .
Die Probezeit wird nach § 48 Abs 1 erster Satz StGB mit drei Jahren bestimmt.
Gemäß § 50 Abs 1 StGB wird Bewährungshilfe angeordnet.
Nach §§ 50, 51 StGB wird A* die Weisung erteilt, sich alkoholischer Getränke zu enthalten.
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 17 Abs 1 Z 3 StVG iVm § 89 Abs 6 StPO).
BEGRÜNDUNG:
Der am ** geborene A* verbüßt seit 12.8.2025 im elektronisch überwachten Hausarrest die über ihn mit Urteil des Landesgerichtes München II vom 17.11.2014, rechtskräftig seit 25.11.2014, **, wegen gefährlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln, Beleidigung in Tateinheit mit Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung gemäß §§ 185, 194 Abs 1, 223 Abs 1, 224 Abs 1 Nr 2, 230 Abs 1, 241 Abs 1, 21, 52, 53, 64 StGB, 1 Abs 1, 3 Abs 1, 29 Abs 1 Satz 1 Nr 3 BtMG, verhängte Freiheitsstrafe von (mit Beschluss des Amtsgerichtes Garmisch-Partenkirchen vom 1.7.2024, rechtskräftig seit 27.7.2024, **, neu festgesetzt) zwei Jahren und acht Monaten. Aufgrund des Übernahmeersuchens der Oberstaatsanwaltschaft München II vom 17.11.2023 wurde die Vollstreckung dieser Freiheitsstrafe mit Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 30.4.2024, abgeändert mit Beschluss vom 11.3.2025, jeweils zu ** übernommen und mit zwei Jahren und acht Monaten festgesetzt, wobei erlittene Vorhaftzeiten von 518 Tagen und weiters vom 20.9.2023, 08.40 Uhr, bis 20.9.2023, 10.50 Uhr, angerechnet wurden. Das urteilsmäßige Strafende fällt auf den 12.11.2026. Die bedingte Entlassung des Strafgefangenen nach Verbüßung von mehr als der Hälfte der Freiheitsstrafe wurde mit Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck als Vollzugsgericht vom 20.8.2025 zu ** abgelehnt. Einer dagegen vom Strafgefangenen erhobenen Beschwerde gab das Oberlandesgericht Innsbruck mit Beschluss vom 30.9.2025 zu 11 Bs 242/25p nicht Folge.
Am 22.12.2025 wird der Strafgefangene zwei Drittel der Freiheitsstrafe verbüßt haben.
A* strebt seine bedingte Entlassung zu diesem Stichtag an und brachte dazu im Erhebungsbogen vor, er sei seit 2021 straffrei und habe in Österreich keine Straftat begangen. Er erfülle seine Auflagen und habe einen guten Job. Seine Mutter lebe in Frankreich, sei 88 Jahre alt und sehr krank. Er wolle sie öfter besuchen.
Der Anstaltsleiter äußerte mit dem Hinweis auf den bisherigen Vollzug im elektronisch überwachten Hausarrest ohne Ordnungswidrigkeiten keine Bedenken gegen eine bedingte Entlassung. Laut der Stellungnahme des den Strafgefangenen im elektronisch überwachten Hausarrest betreuenden Vereins B* spreche grundsätzlich aus sozialarbeiterischer Sicht nichts gegen eine bedingte Entlassung. Es sei allerdings anzuraten, dass Maßnahmen wie die weitere Verfolgung der Schuldenregulierung und die Auseinandersetzung mit Gewaltbereitschaft und konstruktiver Konfliktlösung bis auf weiteres fortgesetzt würden (ON 2.4).
Die Beschwerde, zu der sich die Oberstaatsanwaltschaft einer Stellungnahme enthielt, erweist sich als berechtigt.
Hat ein Verurteilter die Hälfte der im Urteil verhängten oder im Gnadenweg festgesetzten zeitlichen Freiheitsstrafe oder des nicht bedingt nachgesehenen Teils einer solchen Strafe, mindestens aber drei Monate verbüßt, so ist ihm der Rest der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachzusehen, sobald unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB (Weisungen, Bewährungshilfe) anzunehmen ist, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird (§ 46 Abs 1 StGB). Die Prognose künftigen Verhaltens erfordert eine Gesamtwürdigung aller dafür maßgeblichen Umstände, so insbesondere die Art der Tat, das private Umfeld des Verurteilten, sein Vorleben und seine Aussichten auf ein redliches Fortkommen in Freiheit. Besonderes Augenmerk ist nach § 46 Abs 4 StGB darauf zu legen, inwieweit sich die Verhältnisse seit der Tat durch Einwirkung des Vollzugs positiv geändert haben bzw ob negative Faktoren durch Maßnahmen nach §§ 50 bis 52 StGB ausgeglichen werden können ( Jerabek/Ropper in Höpfel/Ratz, WK² StGB § 46 Rz 15/1).
In Österreich wurde A* bislang einmal verurteilt, und zwar am 15.3.2011 wegen Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB vom Bezirksgericht Innsbruck zu ** zu einer Zusatzgeldstrafe. Die aus der Bundesrepublik Deutschland eingeholte ECRIS-Auskunft weist beachtliche 24 Eintragungen auf, wobei zwei die Bildung von Gesamtstrafen betreffen und sieben Verurteilungen Taten betreffen, die in Österreich nicht gerichtlich strafbar sind. Die dem derzeitigen Vollzug zugrundeliegenden Taten beging A* am 16.8.2011 und am 7.7.2012, somit vor mehr als 13 Jahren. Der ECRIS-Auskunft ist nicht zu entnehmen, dass er vor Begehung dieser strafbaren Handlungen bereits einmal eine Freiheitsstrafe wegen einer auch in Österreich gerichtlich strafbaren Tat verbüßt hätte. Dies in Verbindung mit der tadellosen Führung des Strafgefangenen während des bisherigen Vollzugs im elektronisch überwachten Hausarrest, insbesondere der guten Zusammenarbeit mit dem Verein B*, rechtfertigt die Annahme, dass die bedingte Entlassung nach Verbüßung von zwei Drittel der Freiheitsstrafe unter Anordnung der Bewährungshilfe und Erteilung der Weisung zur Alkoholabstinenz nicht weniger geeignet ist, ihn von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten, als der ungekürzte Vollzug. Die Bewährungshilfe soll dem Strafgefangenen bei der Fortsetzung der positiven Entwicklung, wie dem der Beschwerde beigeschlossenen Bericht des Vereins B* zu entnehmen ist, zur Seite stehen.
Die Staatsanwaltschaft Innsbruck stimmte einer bedingten Entlassung unter Anordnung der Bewährungshilfe und Erteilung der Weisung zur Alkoholabstinenz zu (ON 6).
Mit dem angefochtenen Beschluss lehnte das Landesgericht Innsbruck als Vollzugsgericht die bedingte Entlassung des Strafgefangenen nach Verbüßung von zwei Drittel der Freiheitsstrafe ab und begründete dies mit näher dargelegten spezialpräventiven Erwägungen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des Strafgefangenen. Darin bringt er im Wesentlichen zusammengefasst vor, er halte sich seit 2021 durchgehend in Österreich auf und habe sich hier nichts zu schulden kommen lassen. Richtig sei, dass er in Deutschland zwei Dutzend Verurteilungen habe. Abgesehen von einer Verurteilung im Jahr 2023 in ** (Tatzeitpunkt 2019) würden diese jedoch über zehn Jahre zurückliegen. Seit er in Österreich sei, habe er durchgehend gearbeitet. Im elektronisch überwachten Hausarrest habe es keine Unstimmigkeiten gegeben. Er habe sich immer korrekt verhalten und alle Auflagen erfüllt. Am 7.10.2025 habe er einen Termin bei der Schuldnerberatung, um seine Altlasten zu sanieren. Seit 2021 habe er keinen Alkohol mehr konsumiert. Er werde den vor Jahren eingeschlagenen deliktsfreien Weg weitergehen und sei selbstverständlich bereit, Auflagen, wie beispielsweise Bewährungshilfe, einzuhalten.
Der Beschwerde beigeschlossen ist eine neue Stellungnahme des Vereins B*. Dieser befürwortet eine bedingte Entlassung nach den bisherigen Erfahrungen mit dem Strafgefangenen und schlägt neben der Anordnung der Bewährungshilfe auch vor, ihm Weisungen zu erteilen, die Schuldenregulierung weiterzuführen und einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nachzugehen. Anhaltspunkte bzw Hinweise für einen Alkohol- oder anderen Suchtmittelkonsum gebe es keine. Der Beschwerdeführer habe sich in der bisherigen Betreuung sehr verlässlich gezeigt. Es habe eine tragfähige und stabile Betreuungsbeziehung hergestellt werden können. Der Strafgefangene sei weiterhin kooperativ und verlässlich, halte sich an alle Auflagen und Vereinbarungen und nehme die Unterstützung aktiv und gut an.
Die Weisung, sich alkoholischer Getränke zu enthalten, erscheint im Sinne des § 55 Abs 1 StGB zweckmäßig und notwendig, weil der Strafgefangene die dem derzeitigen Vollzug zu Grunde liegenden Aggressionsdelikte jeweils unter dem Einfluss von Alkohol begangen hat. Die vom Verein B* darüber hinaus angeregten Weisungen (sozialversicherungspflichtige Tätigkeit, Schuldenregulierung) stehen hingegen nicht im Zusammenhang mit den dem derzeitigen Vollzug zugrundeliegenden Taten. Die angeordnete Bewährungshilfe dient jedoch der Unterstützung des Strafgefangenen auch in diesem Zusammenhang.
In Stattgebung der Beschwerde des Strafgefangenen war daher die bedingte Entlassung nach Verbüßung von zwei Drittel der Freiheitsstrafe unter Anordnung der Bewährungshilfe und Erteilung der Weisung zur Alkoholabstinenz zu bewilligen.
Rückverweise
Keine Verweise gefunden