7Bs177/25z – OLG Innsbruck Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Mag. Knapp, LL.M., als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Dr. Offer und Mag. Preßlaber als weitere Mitglieder des Senats in der Strafsache gegen A*wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs 4 StGB über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Feldkirch gegen den Beschluss des Landesgerichtes Feldkirch vom 17.6.2025, GZ ** 5, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
Der Beschwerde wird n i c h t Folge gegeben.
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nichtzu (§ 89 Abs 6 StPO).
Text
Begründung:
Mit Strafantrag vom 27.5.2025, AZ **, legt die Staatsanwaltschaft Feldkirch dem ** geborenen A* ein Verhalten zur Last, das sie in rechtlicher Hinsicht dem Verbrechen der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs 4 StGB subsumierte.
Demnach habe der Angeklagte am 8.3.2025 in ** den B* vorsätzlich am Körper verletzt und eine schwere Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung herbeizuführen versucht, indem er mit einem Küchenmesser in der Hand eine Schwingbewegung in Richtung von B* gemacht und ihm anschließend mit dem Messer in dessen Gesäßbereich gestochen, wodurch B* eine ca 2,5 cm lange und ca 4 cm tiefe Stichverletzung im Gesäßbereich erlitten habe.
Im Zuge amtswegiger Prüfung dieses Strafantrages sprach das Erstgericht mit dem nunmehr bekämpften Beschluss aus, dass nach § 485 Abs 1 Z 1 iVm § 450 StPO der Einzelrichter des Landesgerichts Feldkirch zur Führung dieser Strafsache sachlich unzuständig sei, weil der angeklagte Sachverhalt nach dem Akteninhalt bei Anlegung eines realitätsbezogenen Maßstabs die Annahme des „Straftatbestandes der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StPO (gemeint: StGB)“ nahelege, zu dessen Aburteilung im Fall eines Schuldspruchs aber das Landesgericht Feldkirch als Schöffengericht sachlich zuständig sei (ON 5).
Gegen diesen Beschluss richtet sich eine rechtzeitig und schriftlich ausgeführte Beschwerde der Staatsanwaltschaft Feldkirch, die sich gegen die Verdachtsannahmen des Erstgerichtes wendet und vorbringt, dass die Tatbegehung durch ein Messer allein nicht auf ein absichtliches Handeln schließen lasse. Der Angeklagte habe angegeben, dass er das Opfer nur ein bisschen verletzen habe wollen. Der Angeklagte habe das Opfer ins Gesäß gestochen, die Eindringtiefe des Messers habe nur 4 cm betragen. Wäre es dem Angeklagten darauf angekommen, das Opfer schwer am Körper zu verletzen, hätte er nicht in das Gesäß, sondern in eine andere Körperregion gestochen. Mit diesem Vorbringen zielt die Beschwerde darauf ab, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Landesgericht Feldkirch die Fortsetzung des Verfahrens als Einzelrichter aufzutragen (ON 6).
Der Angeklagte äußerte sich innerhalb offenstehender Frist zu dieser Beschwerde nicht. Die Oberstaatsanwaltschaft enthielt sich einer schriftlichen Stellungnahme.
Rechtliche Beurteilung
Die Beschwerde ist nicht im Recht.
Nach § 485 Abs 1 Z 1 iVm § 450 StPO hat das Gericht den Strafantrag vor Anordnung der Hauptverhandlung zu prüfen und im Falle seiner örtlichen oder sachlichen Unzuständigkeit diese mit Beschluss auszusprechen.
Bezugspunkte für die Prüfung der (auch sachlichen) Zuständigkeit durch ein über die Rechtswirksamkeit einer Anklage (§ 4 Abs 2 StPO) entscheidendes Gericht ist der von der Anklage vorgegebene Prozessgegenstand. Bei dieser Prüfung hat das Gericht die rechtliche Beurteilung des angeklagten Sachverhalts selbstständig anhand der Verdachtslage (im Sinne eines Anschuldigungsbeweises) vorzunehmen, wie sie sich aus dem Strafakt ergibt. Eine Bindung an die Subsumtion in der Anklage besteht nicht (RISJustiz RS0131309 [T2]).
Für den Ausspruch der (sachlichen) Unzuständigkeit genügt jedenfalls die Verdachtsdichte, die den Ankläger zur Erhebung einer Anklage berechtigt (Anschuldigungsbeweis). Ein dringender Verdacht, wie er für die Untersuchungshaft verlangt wird, ist nicht erforderlich. Es reicht, wenn sich aus dem Anklagevorbringen in Verbindung mit dem Akteninhalt ein Verdacht ergibt, der inkriminierte Sachverhalt wäre im Fall eines Schuldspruchs als ein in die Zuständigkeit eines höheren Gerichts fallende strafbare Handlung zu beurteilen (RISJustiz RS0124012).
Von einem Anschuldigungsbeweis kann erst gesprochen werden, wenn Verfahrensergebnisse bei Anlegung eines realitätsbezogenen Maßstabs die Annahme der Erfüllung aller Merkmale eines bestimmten Straftatbestandes als naheliegend erkennen lassen. Ob eine angeklagte Tat nach §§ 15, 84 Abs 4 StGB oder nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB zu beurteilen ist, hängt allein von der inneren Tatseite des Täters ab. Wenn die äußeren Begleitumstände einen Tatentschluss in Richtung des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung zulassen, liegen nach dem Gesagten die Voraussetzungen für eine Unzuständigkeitsentscheidung vor (RISJustiz RS0107021 [T1]).
Nach dem Akteninhalt hat der Angeklagte eingeräumt, geplant zu haben, das Opfer mit einem Messer zu verletzen. Er habe dazu ein Küchenmesser geholt und sei mit dem Opfer in ein anderes Zimmer gegangen um mit ihm über die „Vergewaltigungsgeschichte“ zu reden. Weil B* nervös geworden sei, sei er davon ausgegangen, dass dieser ihn tatsächlich vergewaltigt habe. Er habe daraufhin das in der linken inneren Jackentasche verwahrte Küchenmesser aus seiner Jacke gezogen und B* einmal in das Gesäß gestochen (BV A* ON 2.5, 1 ff).
B* schildert den Angriff so, dass ihn der Angeklagte mit dem Messer in der rechten Hand insgesamt zweimal angegriffen habe. Beim ersten Mal habe dieser seinen Arm mit dem Messer von außen nach innen in Richtung Gesicht geschwungen. Er habe sich schnell nach unten gebückt und sei dem Angriff ausgewichen. Beim zweiten Messerangriff habe er ihm die Stichverletzung am linken Gesäßbereich zugefügt. Das Messer sei 4 cm tief in seinen Körper eingedrungen (ZV B* ON 3.5, 1 ff).
Nach dem Ambulanzbericht erlitt B* am linken Gesäß eine Stichverletzung mit einem ca 4 cm tiefen Stichkanal und einer Länge von ca 2,5 cm. Es handelt sich um eine medizinisch an sich leichte Verletzung mit einer Gesundheitsschädigung von unter 24 Tagen (ON 2.6, 1 ff). Bei der verwendeten Tatwaffe handelt es sich um ein Küchenmesser mit einer Länge von 31 cm und einer Klingenlänge von 20 cm (Lichtbild Beilage ON 3.6, 8).
Der Akteninhalt und die bisherigen Verfahrens- und Beweisergebnisse indizieren damit, dass es sich bei der inkriminierten Messerattacke um ein im Vorhinein geplantes Vorgehen des Angeklagten gehandelt hat, der unter Mithilfe eines mitgebrachten und zunächst versteckten Messers das Opfer im Rahmen einer Aussprache in einen Raum lockte, um es dort mit dem Küchenmesser anzugreifen. Ausgehend von den Schilderungen des Opfers erfolgten zwei Messerattacken, wobei die erste in Richtung des Gesichts geführt wurde und erst die zweite die Stichverletzung am Gesäß herbeiführte. Diese Begleitumstände der Tat und ihrer Begehung sowie die Art der verwendeten Tatwaffe legen es in Übereinstimmung mit der Einschätzung des Erstgerichtes durchaus nahe, dass der Angeklagte bei seinen Attacken mit dem Messer in der Absicht gehandelt habe, das Opfer schwer am Körper zu verletzen. Daran ändern die das Tatgeschehen relativierenden Depositionen des Angeklagten, die noch dazu im Widerspruch zu den Aussagen des Opfers stehen, wonach er das Opfer nur ein bisschen habe verletzen wollen, nichts.
Vielmehr ist anhand der Verdachtslage durchaus im Sinn eines Anschuldigungsbeweises davon auszugehen, dass der inkriminierte Sachverhalt für den Fall der Erweislichkeit im Fall eines Schuldspruchs als das Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB zu subsumieren wäre. Zur Aburteilung dieser Tat ist aber das Landesgericht Feldkirch als Schöffengericht sachlich (und auch örtlich) zuständig.
Damit musste die Beschwerde erfolglos bleiben.