JudikaturOLG Innsbruck

10R91/24v – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
Zivilrecht
30. Juli 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Innsbruck als Rekursgericht hat durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Gosch als Vorsitzenden sowie die Richterin des Oberlandesgerichts Mag. a Pfisterer und die Richterin des Oberlandesgerichts Dr. in Nemati als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der klagenden Partei A* , vertreten durch Dr. Meinrad Einsle, Dr. Rupert Manhart, Dr. in Susanne Manhart, Rechtsanwälte in 6800 Bregenz, wider die beklagte Partei B* , vertreten durch Dr. Anton Weber, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, wegen (eingeschränkt) EUR 6.132,00 s.A. und Feststellung (Feststellungsinteresse: EUR 5.000,00), Gesamtstreitwert sohin EUR 11.132,00 s.A., über den Rekurs (Rekursinteresse: EUR 9.820,49) der beklagten Partei gegen die im Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 18.11.2024, **-63, enthaltene Kostenentscheidung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

1. Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben und die angefochtene Kostenentscheidung dahingehend abgeändert , dass sie zu lauten hat wie folgt:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen zu Handen der Klagsvertreter die mit EUR 8.030,01 (darin enthalten EUR 207,31 an Umsatzsteuer und EUR 6.787,13 an Barauslagen) bestimmten Prozesskosten zu ersetzen.“

2. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen zu Handen der Klagsvertreter die mit EUR 120,35 (darin enthalten EUR 20,06 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.

3. Der Revisionsrekurs ist jedenfalls u n z u l ä s s i g .

Text

Begründung:

Am 27.02.2022 ereignete sich um ca 11:39 Uhr im Skigebiet von ** ein Skiunfall zwischen den Parteien, an dem den Beklagten das Alleinverschulden trifft. Bei diesem Unfall verletzte sich der Kläger. Die Haftpflichtversicherung des Beklagten brachte mit Valutadatum 22.07.2024 EUR 21.023,76 an den Kläger zur Anweisung. Dieser Betrag entsprach dem Leistungsbegehren in der Hauptsache exklusive Verdienstentgang.

Der Kläger begehrte zunächst die Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung von EUR 27.043,84 s.A. (bei korrekter Addition der Klagsteilspositionen: EUR 27.053,84), darin EUR 14.000,-- Verdienstentgang, sowie die mit EUR 5.000,00 bewertete Feststellung, dass der Beklagte ihm für sämtliche künftigen unfallkausalen Schäden aus dem Skiunfall vom 27.02.2022 auf der Piste Nr. **, im Ortsgebiet von ** hafte.

Mit Schriftsatz vom 27.11.2023 (ON 17) dehnte der Kläger das Leistungsbegehren um EUR 101,92 auf gesamt EUR 21.023,76 aus, womit der Streitwert EUR 32.155,76 betrug. Die Klagsteilsposition Verdienstentgang hielt er mit EUR 14.000,-- unverändert aufrecht.

Mit Schriftsatz vom 08.07.2024 (ON 53) modifizierte der Kläger teilweise die Höhe einzelner Klagsteilspositionen, änderte aber das Klagebegehren insgesamt nicht, sodass der Streitwert unverändert blieb.

Aufgrund der Zahlung der Haftpflichtversicherung des Beklagten schränkte der Kläger mit Schriftsatz vom 24.07.2024 (ON 54) das Leistungsbegehren im Umfang der Zahlung, somit um EUR 21.023,76, ein und begehrte unter Hinweis, dass der Beklagte mit Ausnahme des Verdienstentgangs die geltend gemachten Forderungen beglichen habe, restlich EUR 6.132,00 an Verdienstentgang. Das Feststellungsbegehren blieb unverändert aufrecht, sodass der Gesamtstreitwert EUR 11.132,00 betrug.

Der Beklagte bestritt und beantragte zunächst die kostenpflichtige Abweisung der Klage. Mit Schriftsatz vom 06.02.2024 (ON 32) stellte er sein Alleinverschulden am Zustandekommen des Unfalls außer Streit. Nach Zahlung bestritt er weiterhin, dass dem Kläger ein Verdienstentgang entstanden sei, sowie die Berechtigung des Feststellungsbegehrens.

Mit dem im Kostenpunkt angefochtenen Urteil verpflichtete das Erstgericht den Beklagten zur Zahlung von 4% Zinsen aus EUR 14.850,84 von 09.06.2023 bis 08.07.2024 und aus EUR 21.023,76 von 09.07.2024 bis 21.07.2024 sowie zum Ersatz der mit EUR 12.091,37 bestimmten Verfahrenskosten des Klägers. Weiters gab es dem Feststellungsbegehren statt. Das Mehrbegehren von EUR 6.132,00 s.A. an Verdienstentgang wies es ab.

Begründend führte das Erstgericht zur Kostenentscheidung aus, dass aufgrund der Klagsausdehnungen, -einschränkungen und -modifizierungen mehrere Prozessphasen zu bilden seien.

In der ersten Phase betrage die Bemessungsgrundlage EUR 32.053,84; in dieser sei der Kläger mit 56% durchgedrungen.

In der zweiten Phase, beginnend mit dem Schriftsatz vom 27.11.2023 (ON 17), betrage die Bemessungsgrundlage EUR 32.155,76; auch hier liege die Obsiegensquote des Klägers bei 56%.

Obwohl der Kläger im Schriftsatz vom 08.07.2024 keine betragliche Klagsausdehnung vorgenommen habe, habe er das Klagebegehren inhaltlich modifiziert, weshalb dieser Schriftsatz kostenrechtlich als eigenständige Phase 2a zu beurteilen sei. In dieser Phase obsiege der Kläger zu 81%.

In der dritten Phase betrage der Streitwert nach einer Teilzahlung des Beklagten in Höhe von EUR 21.023,76 insgesamt EUR 11.132,00. In dieser Phase sei der Kläger ausschließlich mit dem Feststellungsbegehren durchgedrungen, womit er insgesamt zu 45% mit seiner Klagsforderung obsiegt habe. Die Verfahrenskosten seien daher in dieser Phase wechselseitig aufzuheben.

Die Pauschalgebühr sei der ersten Phase zuzuordnen, die Sachverständigengebühren betreffend C* und D* seien der zweiten Phase, jene des E* der dritten Phase zuzurechnen. Dem Kläger stehe daher ein Barauslagenersatz in Höhe von insgesamt EUR 6.124,25 zu (EUR 443,52 an Pauschalgebühr, EUR 754,32 an Sachverständigengebühren des C*, EUR 269,36 an Sachverständigengebühren des D* sowie EUR 4.657,05 an Sachverständigengebühren des E*). Zusätzlich habe der Kläger Anspruch auf Ersatz seiner Reise- und Übernachtungskosten in Höhe von EUR 662,88.

Insgesamt habe der Kläger daher einen Prozesskostenanspruch von EUR 12.091,37 (darin enthalten EUR 6.787,13 an Barauslagen sowie EUR 884,16 an USt).

Gegen diese Kostenentscheidung richtet sich der rechtzeitig erhobene Kostenrekurs des Beklagten, mit dem er die Abänderung dahingehend beantragt, dass der Kostenersatzanspruch des Klägers auf EUR 2.270,88 (darin enthalten EUR 1.467,20 an Barauslagen sowie EUR 133,94 an Umsatzsteuer) herabgesetzt werde.

Während der Beklagte sich grundsätzlich nicht gegen die Höhe des jeweils vom Erstgericht gewährten Barauslagenersatzes wendet, führt er aus, dass dem Kläger kein Ersatz für die Sachverständigengebühren des buchhalterischen Sachverständigen gebühre. Diese seien nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen, da dem Kläger die fehlende Grundlage für einen Verdienstentgang auch ohne sachverständige Unterstützung – insbesondere durch Einsichtnahme in seine eigenen Umsatzsteuererklärungen – erkennbar gewesen sei.

Im Zuge seiner Rekursausführungen nimmt der Rekurswerber eine Neuberechnung des seiner Ansicht nach gebührenden Kostenersatzes vor. Dabei berücksichtigt er die vom Erstgericht zu 100% als Barauslagen zuerkannten Reise- und Übernachtungskosten des Klägers in Höhe von EUR 662,88 nicht, ohne jedoch inhaltlich auszuführen, aus welchem Grund diese nicht ersatzfähig seien.

Darüber hinaus richtet sich der Rekurswerber im Wesentlichen gegen die Anwendung des Kostenprivilegs gemäß § 43 Abs 2 ZPO. Hinsichtlich des geltend gemachten Verdienstentgangs liege keine bloß geringfügige Überklagung vor, weshalb der Kläger in diesem Punkt als zur Gänze unterlegen zu qualifizieren sei. Daraus folge, dass dem Kläger sowohl in der ersten als auch in der zweiten Prozessphase ein Kostenersatz lediglich auf Basis einer Bemessungsgrundlage in Höhe des Klagsbetrags abzüglich des behaupteten Verdienstentgangs zustehe. Zudem habe der Kläger mit Schriftsatz vom 08.07.2024 (ON 53) das Klagebegehren nicht abgeändert, weshalb – entgegen der Auffassung des Erstgerichts – keine eigenständige Prozessphase zu bilden sei.

In der ersten Prozessphase, welche die Klage umfasse, habe der Kläger Anspruch auf 12% seiner Kosten, daher auf EUR 161,19. Auch in der zweiten Prozessphase stehe lediglich ein Kostenersatz von 12% zu, daher EUR 642,49. In der dritten Prozessphase habe der Kläger mit 55% obsiegt, sodass die Kosten – wie bereits vom Erstgericht vorgenommen – wechselseitig aufzuheben seien.

Der Kläger beantragt in seiner fristgerecht erstatteten Rekursbeantwortung, dem Rechtsmittel des Klägers keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Dem Rekurs kommt teilweise Berechtigung zu.

Zum Verstoß gegen das Neuerungsverbot:

1. Auch im Rekursverfahren im Zivilprozess gilt das Neuerungsverbot ( Obermaier , Kostenhandbuch 3Rz 1.94). Der Rekurs gegen eine im Ersturteil enthaltene Kostenentscheidung ist dann unzulässig, wenn der Rekurswerber keine (begründeten) Einwendungen im Sinne des § 54 Abs 1a ZPO erhoben hat; in diesem Fall fehlt dem Rekurswerber einerseits die Beschwer, andererseits verstößt er gegen das Neuerungsverbot (RI0000185).

2.Obwohl der Kläger in seinem Kostenverzeichnis sowohl die Barauslagen für das Sachverständigengutachten des buchhalterischen Sachverständigen als auch seine Reise- und Übernachtungskosten verzeichnete, erhob der Beklagte gegen diese geltend gemachten Barauslagen keine Einwendungen im Sinne des § 54 Abs 1a ZPO. Soweit sich die nunmehrigen Rekursausführungen gegen den Zuspruch dieser Barauslagen richten, ist auf diese nicht weiter einzugehen.

Zu den einzelnen Prozessphasen und der Anwendbarkeit des Kostenprivilegs nach § 43 Abs 2 ZPO:

1.Gemäß § 43 Abs 2 ZPO kann das Gericht auch bei solchem Ausgang eines Rechtsstreits der einen Partei den Ersatz der gesamten dem Gegner entstandenen Kosten auferlegen, wenn der Gegner nur mit einem verhältnismäßig geringfügigen Teil seines Anspruches, dessen Geltendmachung überdies besondere Kosten nicht veranlasst hat, unterlegen ist, oder wenn der Betrag der von ihm erhobenen Forderung von der Feststellung durch richterliches Ermessen, von der Ausmittlung durch Sachverständige oder einer gegenseitigen Abrechnung abhängig war. Sinn dieser Bestimmung ist es, dem Kläger die mit der Bezifferung des Klagebegehrens verbundenen Schwierigkeiten abzunehmen (6 Ob 48/07p).

2. Das kostenunschädliche teilweise Unterliegen darf gemäß der Rechtsprechung und Lehre – insbesondere Obermaier, Kostenhandbuch⁴, Rz 1.156; RW0001024 – ausschließlich die Höhe eines Anspruchs, nicht jedoch dessen Grund betreffen. Da der Kläger den Verdienstentgang zur Gänze nicht durchzusetzen vermochte, steht ihm – entgegen der Ansicht des Erstgerichts – das Kostenprivileg des § 43 Abs 2 ZPO nicht zu.

3. Trotz inhaltlicher Ausführungen im Schriftsatz vom 08.07.2023 (ON 53) zu einzelnen Klagsteilspositionen und der Ankündigung einer Änderung deren Höhe dehnte der Kläger das Klagebegehren letztlich weder aus noch schränkte er es ein. Entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichts ist diesem Schriftsatz daher keine eigene Prozessphase zuzuordnen.

4. Die Haftpflichtversicherung des Beklagten leistete mit Valutadatum vom 22.07.2024 einen Betrag von EUR 21.023,76. Dieser Betrag entsprach der Hauptsacheforderung mit Ausnahme des geltend gemachten Verdienstentgangs, woraufhin der Kläger das Klagebegehren mit Schriftsatz vom 24.07.2024 auf Zinsen und Verdienstentgang einschränkte.

5. Insgesamt sind daher drei Prozessphasen zu bilden. Die erste Phase umfasst die Klage, die zweite Prozessphase erstreckt sich vom Schriftsatz ON 17 einschließlich des Schriftsatzes ON 53. Auf die dritte Prozessphase, die den Schriftsatz des Klägers ON 54 sowie die Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 25.09.2025 umfasst, ist nicht weiter einzugehen, da sich der Rekurswerber gegen die vom Erstgericht in dieser Phase vorgenommene Kostenaufhebung nicht wendet.

5.1. In der ersten Phase betrug der Gesamtstreitwert (Leistung und Feststellung) EUR 32.053,84. Mit Ausnahme des Verdienstentgangs in Höhe von EUR 14.000,-- obsiegte der Kläger aufgrund der vom Beklagten geleisteten Zahlung von EUR 21.023,76 hinsichtlich sämtlicher übriger Klagsteilspositionen. Darüber hinaus drang er mit dem Feststellungsbegehren (Streitwert: EUR 5.000,--) durch, sodass er insgesamt mit 56% obsiegte und ihm ein Kostenersatz in Höhe von 12% gebührt. Das sind EUR 262,28, darin EUR 43,71 an USt.

5.2. In der zweiten Phase, die den Schriftsatz ON 17 bis einschließlich den Schriftsatz ON 53 umfasst, betrug der Streitwert (Leistung und Feststellung) EUR 32.155,76. Aufgrund der Zahlung von EUR 21.023,76 drang der Kläger auch in dieser Phase mit Ausnahme des geltend gemachten Verdienstentgangs von EUR 14.000,-- durch. Er obsiegte daher mit 56% und hat Anspruch auf 12% seiner Kosten, das sind EUR 981,60 (darin EUR 163,60 an USt).

5.3. Der Beklagte wandte sich nicht gegen die vom Erstgericht angenommene Höhe der Barauslagen, sondern dagegen, dass dem Kläger für das Gutachten des buchhalterischen Sachverständigen EUR 4.657,05 sowie für seine Reise- und Übernachtungskosten EUR 662,88 ein Barauslagenersatz zugesprochen wurden. Diese Ausführungen sind jedoch aufgrund des im Rekursverfahren geltenden Neuerungsverbots unbeachtlich. Dem Kläger gebühren daher die bereits in erster Instanz zuerkannten Barauslagen von EUR 6.124,25 an Sachverständigengebühren und EUR 662,88 an Reise- und Übernachtungskosten.

6. Dem Kläger steht insgesamt nachstehender Prozesskostenersatz zu:

1. Phase (12 % der Kosten) EUR 262,28

2. Phase (12 % der Kosten) EUR 981,60

Barauslagen – Sachverständigengebühren EUR 6.124,25

Barauslagen – Reise- und Übernachtungskosten EUR 662,88

Gesamtsumme EUR 8.030,01

Zusammenfassung und Verfahrensrechtliches:

1.Der Kläger ist mit seinem Anspruch auf Verdienstentgang dem Grunde nach unterlegen, weshalb ihm das Kostenprivileg des § 43 Abs 2 ZPO nicht zukommt. Der Kostenersatz ist daher auf Basis des tatsächlichen Streitwerts gemäß § 43 Abs 1 ZPO zu bestimmen und die Kostenersatzpflicht des Beklagten um EUR 4.061,36 zu reduzieren. Aufgrund des im Rekursverfahren geltenden Neuerungsverbots sind die vom Erstgericht zuerkannten Barauslagen nicht zu überprüfen.

Dem Rekurs ist daher teilweise Folge zu geben und die erstinstanzliche Kostenentscheidung dahingehend zu korrigieren, dass dem Kläger ein Kostenersatz in Höhe von EUR 8.030,01 (darin enthalten EUR 207,31 an Umsatzsteuer und EUR 6.787,13 an Barauslagen) gebührt.

2.Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf §§ 50, 40, 43 Abs 1 ZPO. Der Beklagte ist mit dem Rekurs im Umfang von EUR 4.061,36 und bei einem Rekursinteresse von EUR 9.820,49 mit 41 % durchgedrungen. Er hat daher dem Kläger EUR 120,35 (darin enthalten EUR 20,06 an Umsatzsteuer) als Kostenersatz für die Rekursbeantwortung zu leisten.

3.Gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO war auszusprechen, dass der Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof jedenfalls unzulässig ist.