7Bs171/25t – OLG Innsbruck Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch die Richterin Dr. Offer als Vorsitzende sowie den Senatspräsidenten Mag. Knapp, LL.M. und die Richterin Mag. Preßlaber als weitere Mitglieder des Senats im selbständigen Verfahren auf Erlassung einer vermögensrechtlichen Anordnung nach § 445 Abs 1 StPO über die Berufung der Haftungsbeteiligten (ruhende) Verlassenschaft nach dem Verstorbenen A* wegen des Ausspruchs „über die Strafe“ gegen das einzelrichterliche Urteil das Landesgerichts Feldkirch vom 22.4.2025, GZ **-22, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Aus Anlass der Berufung wird das angefochtene Urteil a u f g e h o b e n und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Feldkirch verwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Haftungsbeteiligte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Entscheidungsgründe :
Mit dem im objektiven Verfahren ergangenen angefochtenen Urteil erklärte ein Einzelrichter des Landesgerichts Feldkirch über Antrag der Staatsanwaltschaft Feldkirch auf Verfall nach § 445 Abs 1 StPO die im Verlassenschaftsverfahren der Verlassenschaft nach A*, geboren am **, verstorben **, vor dem Bezirksgericht Bregenz zu ** durch den Gerichtskommissär verwahrten Vermögenswerte, nämlich Bargeld in Höhe von EUR 186.600,-- sowie das Guthaben auf dem Sparbuch Nr ** der B* eGen, lautend auf A*, in der Höhe von EUR 13.272,54 nach § 20 Abs 1 StGB für verfallen.
Gegen dieses Urteil richtet sich eine rechtzeitige und schriftlich ausgeführte Berufung der Verlassenschaft nach A* als Haftungsbeteiligter wegen des „Ausspruchs über die Strafe“, die der Sache nach die inhaltliche Richtigkeit der Urteilsannahmen zur Anlasstat des ausgesprochenen Verfalls und zur Erlangung der inkriminierten Vermögenswerte durch diese Anlasstat bestreitet und mit diesem Vorbringen darauf abzielt, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Verfallsantrag der Staatsanwaltschaft abzuweisen, in eventu die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen (ON 21 und ON 23).
Die Oberstaatsanwaltschaft hat sich einer Stellungnahme zum Rechtsmittel enthalten.
Rechtliche Beurteilung
Aus Anlass der Berufung des Haftungsbeteiligten überzeugte sich das Berufungsgericht von amtswegig wahrzunehmender Nichtigkeit des angefochtenen Urteils aus §§ 489 Abs 1, 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO.
Nach § 445 Abs 4 StPO kann das Urteil im selbständigen Verfahren in sinngemäßer Anwendung der §§ 463 bis 468 (§ 489) StPO zugunsten und zum Nachteil des Betroffenen mit Berufung angefochten werden. Im einzelrichterlichen Verfahren steht dem Betroffenen demnach neben der Berufung wegen Nichtigkeit auch die Berufung wegen der Aussprüche über die Schuld und Strafe offen ( Fuchs/Tipold , WK-StPO § 445 Rz 27). Die inhaltliche Richtigkeit der festgestellten die Sanktionsanknüpfungspunkte betreffenden Tatsachen und deren Subsumtion sind Gegenstand der Rechts- und Subsumtionsrüge ( Ratz in Fuchs/Ratz,WK StPO § 281 Rz 556 und 674) bzw der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld ( Fuchs/TipoldaaO § 443 Rz 55 ff mwN; OGH, 17 Os 23/13f).
Als Sanktionsanknüpfungspunkte kommen fallbezogen die Begehung einer Anlasstat und die Erlangung von Vermögenswerten durch diese Anlasstat in Betracht. Diese Feststellungen sind richterlichem Ermessen entzogen und daher nicht Gegenstand der Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe.
Der Verfall von Vermögenswerten nach § 20 Abs 1 StGB setzt als Anlasstat voraus, dass der Täter eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen hat und dass er durch sie Vermögenswerte erlangt hat. Grundlage des Verfalls ist daher eine mit Strafe bedrohte Handlung, mithin eine Handlung, die einen gesetzlichen Deliktstatbestand in seinen inneren und äußeren Merkmalen voll erfüllt und auch rechtswidrig ist, mit anderen Worten eine tatbestandsmäßig und rechtswidrige Handlung, die nicht schuldhaft begangen zu sein braucht ( Fuchs/Tipold in Höpfel/Ratz, WK² StGB § 20 Rz 8f ff mwN). Diese individuelle, mit Strafe bedrohte Handlung, deren Tatbestand in objektiver und subjektiver Hinsicht erfüllt ist, muss als Sanktionsanknüpfungspunkt im Urteil ausdrücklich festgestellt werden (RIS-Justiz RS0090501).
Diesen Kriterien genügen die Urteilsannahmen zur Anlasstat fallbezogen jedoch nicht, weil das Erstgericht lediglich konstatierte, dass der Verstorbene A* die inkriminierten Vermögenswerte in einem nicht feststellbaren Zeitraum vor dem ** (seinem Todestag) aus Suchtgiftverkäufen erwirtschaftete. Diese Suchtgiftgeschäfte beschrieb das Erstgericht wiederum dahin, dass A* vorsätzlich vorschriftswidrig eine unbekannte Menge an Suchtgift an andere von ihm verschiedene Personen überlassen, indem er es diesen verkauft und gegen Entgelt übergeben habe. Das Urteil nennt in diesem Zusammenhang aber keinen in der Suchtgiftverordnung angeführten Wirkstoff, weshalb schon die (rechtliche) Annahme, es liege überhaupt eine Anlasstat für den ausgesprochenen Verfall vor, ohne jegliche Sachverhaltsgrundlage bleibt (RIS-Justiz RS0119090 [T3]; OGH 14 Os 127/23t). Selbst eine diesbezüglich bestehende Gerichtsnotorietät entbände im Übrigen nicht vom Erfordernis, die entscheidenden Tatsachen festzustellen (RIS-Justiz RS0114428 [T1 und T9]). Der in der Beweiswürdigung enthaltene Hinweis auf bei der Hausdurchsuchung sichergestelltes K okain vermag den gänzlich fehlenden Sachverhaltsbezug nicht herzustellen.
Diese das Verfallserkenntnis betreffende, nicht geltend gemachte materiell-rechtliche Nichtigkeit gereicht dem Haftungsbeteiligten zum Nachteil. Sie war daher in analoger Anwendung nach §§ 489 Abs 1, 290 Abs 1 zweiter Satz StPO amtswegig durch das Berufungsgericht aufzugreifen (RIS-Justiz RS0114233 [T4]).
Schon dies erfordert die Kassation der angefochtenen Entscheidung in nichtöffentlicher Sitzung nach §§ 489 Abs 1, 470 Z 3 StPO und Verweisung der Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht.
Bleibt im Übrigen für den zweiten Rechtsgang anzumerken, dass nach § 57 Abs 4 StGB mit dem Eintritt der Verjährung einer allfälligen Anlasstat auch der Verfall unzulässig wäre. In diesem Sinne könnte es mit Blick auf den unklaren Tatzeitraum (siehe US 2: „...vor dem **….“) und einer damit möglicherweise indizierten Verjährung der Anlasstat(en) durchaus angezeigt sein, sich auf Sachverhaltsebene auch mit diesem Strafaufhebungsgrund auseinander zu setzen (siehe Marek in Höpfel/Ratz, WK² StGB § 57 Rz 14 f mwN).
Ausgehend davon war spruchgemäß zu entscheiden und der Haftungsbeteiligte mit seiner Berufung auf diese kassatorische Entscheidung zu verweisen.