JudikaturOLG Innsbruck

11Bs116/25h – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
17. Juni 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Mag. Dampf als Vorsitzenden sowie der Richterin Mag. a Hagen und die Richterin Mag. a Obwieser als weitere Mitglieder des Senats in der Strafvollzugssache des A*wegen bedingter Entlassung nach § 46 Abs 1 und 5 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 1 StVG über die Beschwerde des Strafgefangenen gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Vollzugsgericht vom 24.04.2025, GZ **-6, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Der Beschwerde wird F o l g e gegeben, der angefochtene Beschluss a u f - g e h o b e nund A* aus dem Vollzug der über ihn im Verfahren ** des Landesgerichts Innsbruck verhängten Freiheitsstrafe von sechs Monaten (Widerruf erfolgte zu B* des Landesgerichts Innsbruck) - unter rechnerischer Berücksichtigung der mit 30.7.2025, 8.00 Uhr, vollzogenen Zusatzfreiheitsstrafe von sechs Monaten zu B* des Landesgerichts Innsbruck - gemäß § 46 Abs 1 StGB nach Verbüßung der Hälfte der Strafzeit am

3 0.07.2025

bedingt entlassen.

Die Probezeit wird mit drei Jahren bestimmt (§ 48 Abs 1 erster Satz StGB).

Gemäß § 50 Abs 2 Z 1 und Z 2 StGB wird Bewährungshilfe angeordnet.

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6StPO iVm § 17 Abs 1 Z 3 StVG).

Begründung :

Text

Der ** geborene A* verbüßt derzeit im elektronisch überwachten Hausarrest die im Spruch genannten Strafen. Der Hälftestichtag fällt genau auf den Zeitpunkt der (gänzlichen) Verbüßung zu B* des Landesgerichts Innsbruck verhängten Zusatzfreiheitsstrafe von sechs Monaten (RIS-Justiz RS0126179; Jerabek/Ropperin WK2 StGB § 46 Rz 10/4).

Mit dem angefochtenen Beschluss lehnte das Vollzugsgericht die bedingte Entlassung zum Hälftestichtag 30.07.2025 mit der Begründung ab, dass es aufgrund der Schwere und Art der Taten, insbesondere aufgrund des Umstands, dass sich der Strafgefangene wiederholt und über einen längeren Zeitraum im nationalsozialistischen Sinn betätigt habe, bereits aus generalpräventiven Erwägungen des Vollzugs der Freiheitsstrafe über den Hälftestichtag hinaus bedürfe. Zudem sei aus spezialpräventiver Sicht die Vorstrafenbelastung des Strafgefangenen ebenso negativ zu werten.

Während der Strafgefangene diesen Beschluss unangefochten ließ, richtet sich dagegen die rechtzeitige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Innsbruck (ON 7), die unter Hinweis auf die §§ 17 und 19 Abs 2 JGG auf eine bedingte Entlassung zum Hälftestichtag abzielt.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde, zu der sich die Oberstaatsanwaltschaft einer Stellungnahme enthalten hat, ist im Recht.

§ 46 Abs 1 StGB schreibt die bedingte Entlassung frühestens nach der Hälfte vor, sobald unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB (Anm: Weisungen, Bewährungshilfe) anzunehmen ist, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird. Diese Prognose künftigen Verhaltens erfordert eine Gesamtwürdigung aller dafür maßgeblichen Umstände, so insbesondere der Art der Tat(en), des privaten Umfeldes des Verurteilten, seines Vorlebens und seiner Aussichten auf ein redliches Fortkommen in Freiheit ( Jerabek/RopperaaO Rz 15/1). Dabei ist gemäß § 46 Abs 4 StGB auf den Umstand Bedacht zu nehmen, inwieweit durch den bisherigen Vollzug der Strafe, insbesondere auch durch eine während des Vollzuges begonnene freiwillige Behandlung im Sinne von § 51 Abs 3 StGB, die der Verurteilte in Freiheit fortzusetzen bereit ist, eine Änderung der Verhältnisse, unter denen die Tat(en) begangen wurde(n), eingetreten ist, oder durch Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB erreicht werden kann. Ist die Annahme berechtigt, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung - allenfalls unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB - nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird, so ist im Regelfall (vgl aber § 46 Abs 2 StGB) der Rest der Strafe bedingt nachzusehen ( Jerabek/Ropper aaO Rz 15).

Hat ein Verurteilter die Hälfte aber noch nicht zwei Drittel einer Freiheitsstrafe verbüßt, so ist er gemäß § 46 Abs 2 StGB trotz Vorliegens der Voraussetzungen nach § 46 Abs 1 StGB solange nicht bedingt zu entlassen, als es im Hinblick auf die Schwere der Tat ausnahmsweise des weiteren Vollzuges der Strafe bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken. Gewichtige Umstände, welche sich aus Sicht der Allgemeinheit von den regelmäßig vorkommenden Begleiterscheinungen strafbaren Verhaltens auffallend abheben, müssen ein Absehen von der vorzeitigen Entlassung unumgänglich erscheinen lassen. Dabei ist nicht nur der bloße Abschreckungseffekt bei potentiellen Tätern, sondern (iS positiver Generalprävention) auch das Interesse an der Festigung genereller Normtreue in der Bevölkerung zu beachten. Diese Aspekte generalpräventiver Natur müssen aus der Schwere der Tat ableitbar sein; liegen sie vor, sind sie gleichrangig mit den Erfordernissen der Spezialprävention zu berücksichtigen. Eine aus spezialpräventiver Sicht durchaus zulässige bedingte Entlassung kann demnach auch allein wegen eines in der Schwere der Tat gelegenen (besonderen) generalpräventiven Grunds verweigert werden ( Jerabek/Ropper aaO Rz 16).

Verbüßt ein Verurteilter mehrere Freiheitsstrafen, Strafteile oder Strafreste, so ist nach Abs 5 ihre Gesamtdauer maßgeblich, sofern sie unmittelbar nacheinander verbüßt oder lediglich durch Zeiten unterbrochen werden, in denen er sonst auf behördliche Anordnung angehalten wird ( Jerabek/Ropper aaO Rz 10).

Die bedingte Entlassung aus einer wegen einer Jugendstraftat oder einer Straftat eines jungen Erwachsenen verhängten Freiheitsstrafe richtet sich grundsätzlich nach den im § 46 Abs 1 bis 5 StGB genannten Voraussetzungen. Abweichungen davon sieht § 17 JGG (nur) insofern vor, als die mindestens zu verbüßende Strafzeit einen Monat beträgt und die Berücksichtigung generalpräventiver Bedürfnisse jedenfalls unzulässig ist. Bedingung ist die Verurteilung wegen einer Jugendstraftat (§ 1 Z 3 JGG); das Alter im Zeitpunkt der Entscheidung über die bedingte Entlassung ist unerheblich. § 19 Abs 2 JGG erweitert den Anwendungsbereich des § 17 JGG auch auf Fälle einer bedingten Entlassung aus einer Freiheitsstrafe, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres begangenen Tat verhängt wurde; auch bei jungen Erwachsenen genügt eine verbüßte Mindeststrafzeit von (nur) einem Monat und gilt der in § 17 JGG zusätzlich normierte Ausschluss der Berücksichtigung der Generalprävention ( Jerabek/Ropper aaO Rz 6 und 7; Schroll/Oshidariin WK2 JGG § 17 Rz 5 und § 19 Rz 14).

Die Strafregisterauskunft des Strafgefangenen weist insgesamt 5 Eintragungen auf, wobei die diesen zugrundeliegenden strafbaren Handlungen als Jugendlicher bzw junger Erwachsener begangen wurden und zwei Verurteilungen im Verhältnis des § 31 Abs 1 StGB zueinander stehen. Wiederholt wurde Bewährungshilfe angeordnet. Der Beschwerdeführer befindet sich im Erstvollzug, verfügt nach der Aktenlage über ein Ausbildung als Bauschlosser und arbeitet im elektronisch überwachten Hausarrest bei einer **-Firma. Aufgrund der Führung des Strafgefangenen bestehen seitens der Justizanstalt Innsbruck keine Bedenken gegen die bedingte Entlassung. Die Staatsanwaltschaft Innsbruck äußerte sich ebenfalls im erstinstanzlichen Verfahren bereits zustimmend.

Ausgehend davon erachtet das Beschwerdegericht trotz des getrübten Vorlebens des Strafgefangenen die bedingte Entlassung zum Hälftestichtag aus spezialpräventiver Sicht zumindest gleich günstig wie den weiteren Strafvollzug. Generalpräventive Erwägungen haben aufgrund der obigen Ausführungen und der Begehung der Straftaten als Jugendlicher bzw junger Erwachsener der Ansicht des Erstgerichts zuwider außer Betracht zu bleiben.

Der Beschwerde war daher Folge zu geben, der angefochtene Beschluss aufzuheben und der Strafgefangene zum Hälftestichtag bedingt zu entlassen, wobei mit Blick auf die einschlägige Vorstrafenbelastung die Probezeit gemäß § 48 Abs 1 erster Satz StGB mit dem Höchstmaß von drei Jahren zu bestimmen war. Die Anordnung von Bewährungshilfe stützt sich auf § 50 Abs 2 Z 1 und 2 StGB.