8Bs247/25x – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat durch den Senatspräsidenten Mag. Ohrnhofer als Vorsitzenden und die Richter Mag. Scherr, LL.M., BA und Mag. Koller in der Strafsache gegen A* wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und 4 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Berufung und die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil und den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 29. Juli 2025, GZ **-79, nach der am 7. Oktober 2025 in Gegenwart des Oberstaatsanwalts Dr. Kirschenhofer, des Angeklagten und seines Verteidigers Rechtsanwalt Wolfgang Stenzel, LL.B., LL.M. durchgeführten Berufungsverhandlung
1. zu Recht erkannt:
Spruch
In teilweiser Stattgebung der Berufung wird über A* die Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verhängt, von welcher der Teil von neun Monaten für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wird.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
2. beschlossen:
Vom Widerruf der bedingten Strafnachsichten zu AZ ** und AZ ** je des Landesgerichts Eisenstadt wird abgesehen und die Probezeit im letztgenannten Verfahren auf fünf Jahre verlängert.
Text
gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde A* der Vergehen (zu A.1.) der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 298 Abs 1 StGB, (zu A.2.) der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und 4 StGB, (zu A.3.) der Sachbeschädigung nach § 125 StGB und der Körperverletzung (zu B.1., B.2. und B.3.) nach § 83 Abs 1 StGB und (zu B.4.) nach § 83 Abs 2 StGB schuldig erkannt und unter Bedachtnahme auf § 28 Abs 1 StGB nach § 288 Abs 1 StGB zu einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen zu je EUR 4,--, im Uneinbringlichkeitsfall 180 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, sowie zu einer für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten verurteilt und gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verpflichtet. Das Urteil enthält eine Vorhaftanrechnung und ein Adhäsionserkenntnis.
Gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO sah das Erstgericht vom Widerruf der mit Urteilen des Landesgerichts Eisenstadt zu AZ ** und AZ ** gewährten bedingten Strafnachsichten ab und verlängerte die Probezeit im letztgenannten Verfahren auf fünf Jahre.
Nach dem unangefochten in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch hat A*
A. in **
1. am 3. August 2024 einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Beamten die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung, nämlich des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 StGB, wissentlich vorgetäuscht, indem er den Polizeinotruf wählte und behauptete, seine damalige Freundin B* sei von einem unbekannten Mann vergewaltigt worden;
2. am 6. September 2024 als Zeuge in einem Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung vor der Kriminalpolizei bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache falsch ausgesagt, indem er bei seiner zeugenschaftlichen Vernehmung vor der Polizeiinspektion C* seine zu Punkt A.1. gemachten Angaben dahingehend konkretisierte bzw. wiederholte, dass seine Freundin B* am 3. August 2024 von einem unbekannten Mann bedrängt und auf der Toilette der Diskothek D* in ** vergewaltigt worden sei;
3. zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt zwischen 1. Juli 2024 und 12. Oktober 2024 fremde Sachen beschädigt, indem er als Mieter der im Eigentum von E* stehenden Wohnung an der Adresse **, mit der Faust gegen die Wand im Wohnzimmer schlug und gegen die Schlafzimmertüre trat, wodurch er jeweils ein Loch in der Wand und in der Türe herbeiführte (Vermögensschaden zum Nachteil der E* in Höhe von zumindest EUR 1.500,00);
B. B* am Körper teils vorsätzlich verletzt, teils vorsätzlich misshandelt und dadurch fahrlässig verletzt, und zwar
1. im Juli/August 2024 in **, indem er sie zu Boden stieß und würgte (nicht näher bekannte Verletzungen);
2. am 15. September 2024 in **, indem er sie mehrmals mit der Faust schlug, sie trat und auf den Küchentisch warf (Hämatome um beide Augen und am Hals);
3. am 16. November 2024 in **, indem er sie würgte und ihr dabei den Mund zuhielt (Hämatome auf der Nase, an der Hüfte und auf der Brust, blutende Nase);
4. am 18. Jänner 2025 in **, indem er ihr Stöße versetzte, wodurch sie zu Boden fiel (Schwellungen und Schürfwunden an den Knien).
Gegen das Urteil richtet sich die zum Nachteil des Angeklagten ausgeführte Berufung der Staatsanwaltschaft mit dem Ziel der Anhebung des Strafmaßes und der Verhängung einer unbedingten, in eventu gemäß § 43a Abs 3 StGB teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe. Mit ihrer Beschwerde strebt die Anklagebehörde den Widerruf der in den Verfahren AZ ** und AZ ** des Landesgerichts Eisenstadt gewährten bedingten Strafnachsichten an (ON 80).
Rechtliche Beurteilung
Der Berufung kommt teilweise Berechtigung zu.
Mildernd sind das reumütige Geständnis, das auch wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat, die Tatbegehung nach Vollendung des 18., jedoch vor Vollendung des 21. Lebensjahres und (lediglich für die erste Tat) die nicht vorwerfbare Alkoholisierung zu werten.
Dem stehen erschwerend das Zusammentreffen von sieben Vergehen, zwei einschlägige Vorverurteilungen und die Tatbegehung teilweise (Fakten B.1. bis B.3.) zum Nachteil einer Angehörigen gegenüber. Den Schuldgehalt erhöhen der rasche Rückfall, die Tatbegehung während offener Probezeiten und teils (Faktum B.4. [nach zweifacher Einvernahme als Beschuldigter; vgl ON 30.5 und 31.5] während eines anhängigen Verfahrens.
Unter Berücksichtigung dieses Strafzumessungssachverhalts ist ausgehend von der Strafbefugnis der § 288 Abs 1 StGB (Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren) die vom Erstgericht verhängte Strafe zum Nachteil der Angeklagten korrekturbedürftig. Insbesondere aufgrund des bereits beträchtlich getrübten Vorlebens und der Tatbegehung während mehrerer offener Probezeiten kann mit der vom Erstgericht verhängten Strafenkombination iSd § 43a Abs 2 StGB (Geldstrafe von 360 Tagessätzen und bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von sechs Monaten; somit ausgehend von einer hypothetischen Freiheitsstrafe [vgl. J erabek/Ropper, WK² StGB § 43a Rz 9; 14 Os 29/19z] von zwölf Monaten) nicht das Auslangen gefunden werden. Zwar bedarf es keiner Anhebung des mit einem Drittel des Strafrahmens bemessenen, schuld- und tatangemessenen Strafmaßes der Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, jedoch ist fallaktuell der (zumindest teilweise) Vollzug der Freiheitsstrafe nötig, um den Angeklagten, den mehrfache bedingt nachgesehene Freiheitsstrafen, teils in Verbindung mit Weisungen und mit der Anordnung von Bewährungshilfe (ON 34, ON 36) nicht an mehrfacher, innerhalb (teils bereits verlängerter) Probezeit/en hinderten, nunmehr von neuerlicher Delinquenz abzuhalten, ihm den Unrechtsgehalt der von ihm begangenen Taten ausreichend vor Augen zu führen und um generalpräventiven Erwägungen gerecht zu werden. Ungeachtet des derzeitigen Vollzugs einer zehnmonatigen Freiheitsstrafe (nach Widerruf einer zunächst gewährten bedingten Strafnachsicht im Verfahren AZ ** des Landesgerichts für Strafsachen Graz), kann dennoch ein Teil der Strafe von neun Monaten für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehen werden, da bei dem jungen Erwachsenen, der nunmehr erstmals einen längeren Freiheitsentzug verspürt, anzunehmen ist, dass nach dem Vollzug des Teils von drei Monaten Freiheitsstrafe die Androhung der Vollziehung des weiteren Teils genügen wird, um ausreichend tatabhaltend auf ihn zu wirken; auch generalpräventive Erwägungen stehen dem nicht entgegen.
Die Kostenentscheidung ist eine Folge der Sachentscheidung und gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
Zum Beschluss:
Aufgrund der Abänderung des Strafausspruchs hat eine neue Entscheidung des Rechtsmittelgerichts nach § 494a StPO zu erfolgen ( Jerabek/Ropper,WK StPO § 498 Rz 8). Zusätzlich zu der fallaktuell verhängten teilbedingten Freiheitsstrafe ist angesichts der tatabhaltenden Wirkung des erstmaligen Verspürens des Haftübels (auch unter Berücksichtigung des aktuellen Vollzugs zu AZ ** des Landesgerichts für Strafsachen Graz) der Widerruf der bedingten Strafnachsichten nicht notwendig, um A* von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Der Rückfall während des Bewährungszeitraumes begründet als spezialpräventives Mindesterfordernis jedoch den Bedarf nach der Verlängerung der Probezeit im Verfahren AZ ** des Landesgerichts Eisenstadt, weshalb das – bereits vom Erstgericht ausgesprochene – Absehen vom Widerruf samt Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre im letztgenannten Verfahren zu wiederholen ist.