10Bs271/25s – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Richter Dr. Sutter (Vorsitz), Mag a . Haas und Mag a . Tröster in der Strafvollzugssache des A*wegen bedingter Entlassung aus der Freiheitsstrafe nach § 46 StGB (§ 152 Abs 1 Z 1 StVG) über die Beschwerde des Strafgefangenen gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Vollzugsgericht vom 11. September 2025, GZ **-5, in nichtöffentlicher Sitzung den
BESCHLUSS
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und A* am 7. Dezember 2025 aus dem Vollzug der über ihn in den Verfahren AZ ** und AZ ** je des Landesgerichts für Strafsachen Graz verhängten (Ersatz)Freiheitsstrafen bedingt entlassen und ihm der Strafrest unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.
Für die Dauer der Probezeit wird Bewährungshilfe angeordnet.
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu.
Text
BEGRÜNDUNG:
Der am ** geborene Österreicher A* verbüßt in der Justizanstalt Graz-Jakomini aus zwei Verurteilungen Freiheitsstrafen im Gesamtausmaß von acht Monaten, drei Tagen und 18 Stunden, nämlich die im Verfahren AZ** des Landesgerichts für Strafsachen Graz wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 2 StGB über ihn verhängte Freiheitsstrafe von fünf Monaten sowie den (nach teilweiser Erbringung gemeinnütziger Leistungen nach § 3a StVG noch verbleibenden) Teil der im Verfahren AZ ** des Landesgerichts für Strafsachen Graz wegen jeweils eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG und nach § 28a Abs 1 zweiter Fall SMG, 15 StGB, 12 zweiter Fall StGB und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall und Abs 2 SMG über ihn für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe verhängten Ersatzfreiheitsstrafe von restlich drei Monaten, drei Tagen und 18 Stunden.
Die erstgenannte Freiheitsstrafe steht seit 5. August 2025 in Vollzug, die zweitgenannte Ersatzfreiheitsstrafe soll im Anschluss daran ab 5. Jänner 2026 vollzogen werden (ON 2.2, 1 der Akten AZ ** des Landesgerichts für Strafsachen Graz).
Hinsichtlich der diesen Verurteilungen zugrunde liegenden Sachverhalten wird auf die im Akt erliegenden Urteilsausfertigungen verwiesen (Beilagen).
Das errechnete Ende der Strafzeit fällt auf den 9. April 2026. Der Hälfte-Stichtag wird am 7. Dezember 2025, der Zwei-Drittel-Stichtag am 17. Jänner 2026 erreicht sein.
Mit dem angefochtenen Beschluss lehnte das Erstgericht die bedingte Entlassung des Strafgefangenen zum Hälfte-Stichtag aus spezial- und generalpräventiven Gründen ab (ON 5).
Gegen diesen Beschluss richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des Verurteilten (ON 6), in der er auf seine Deliktsfreiheit seit dem Jahr 2021 sowie seine erfolgreiche gesellschaftliche Wiedereingliederung verweist.
Rechtliche Beurteilung
Die Beschwerde, zu der sich die Oberstaatsanwaltschaft inhaltlich nicht äußerte, hat Erfolg.
Das Erstgericht hat im bekämpften Beschluss die Anlassverurteilungen, die weiteren Verurteilungen, die Stellungnahmen des Strafgefangenen, des Anstaltsleiters und der Staatsanwaltschaft sowie die anzuwendende Norm, somit die Sach- und Rechtslage, zutreffend dargestellt, weshalb darauf identifizierend verwiesen wird (zur Zulässigkeit vgl RIS-Justiz RS0115236 [T1], RS0119090 [T4]).
Die Person des Rechtsbrechers, sein Vorleben, sein Verhalten nach der Tat, sein privates Umfeld und seine Aussichten auf ein redliches Fortkommen in Freiheit sind maßgebliche Beurteilungsgrundlagen für die das künftige Verhalten betreffenden Prognoseentscheidung ( Jerabek/Ropper in WK 2StGB § 46 Rz 15/1, Jerabek/Ropper in WK 2StGB § 43 Rz 21). Bei Entscheidungen nach § 46 Abs 1 StGB ist nach Abs 4 leg cit darauf Bedacht zu nehmen, inwieweit sich die Verhältnisse seit der Tat durch Einwirkung des Vollzugs positiv geändert haben bzw ob negative Faktoren durch Maßnahmen nach §§ 50 bis 52 StGB ausgeglichen werden können ( Jerabek/Ropper in WK 2StGB § 46 Rz 15/1).
Fallkonkret liegen entgegen der erstgerichtlichen Einschätzung die Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung nach Verbüßung der Hälfte der Strafzeit vor, weil dann eine spezialpräventive Kontraindikation nicht mehr gegeben ist. Zwar weist die Strafregisterauskunft des 45-jährigen Beschwerdeführers insgesamt acht Eintragungen, darunter drei Bedachtnahmeverurteilungen, auf und es dokumentieren die vor dem Hintergrund einer ihm gewährten bedingten Strafnachsicht trotz Unterstützung durch die Bewährungshilfe neuerliche vollzugsgegenständliche Delinquenz teils während anhängigen Verfahrens, teils im raschen Rückfall zu den Urteilen des Bezirksgerichts Graz-West, AZ ** und des Bezirksgerichts Deutschlandsberg zu AZ ** sowie die Begehung sämtlicher Straftaten während der zu AZ ** des Landesgerichts für Strafsachen Graz bestimmten Probezeit ein erhebliches Bewährungsversagen. Den dargestellten, die Rückfallgefahr erhöhenden Faktoren ist allerdings gegenüberzustellen, dass sie nunmehr rund fünf Jahre zurückliegen, sich der Beschwerdeführer seither wohlverhalten hat und durch die Anmietung und Finanzierung einer eigenen Wohnung und die Aufnahme von Beschäftigungsverhältnissen, die durch wiederholte Erkrankungen unterbrochen wurden, nachweislich Anstrengungen unternommen hat, sich zu resozialisieren. Dies wird auch durch den positiven Abschlussbericht des Bewährungshelfers vom 29. Mai 2024 im Verfahren zum AZ ** des Landesgerichts für Strafsachen Graz bestätigt. Von grundlegender Bedeutung ist, dass sich der Beschwerdeführer im Erstvollzug befindet, von dem eine besonders läuternde und erzieherische Wirkung zu erwarten ist. Auch das bisherige Vollzugsverhalten des Strafgefangenen in der Justizanstalt gab keinen Grund zur Beanstandung (ON 2.1, 1). Dessen Beschwerdeausführungen lassen zudem eine Reflexion seines delinquenten Verhaltens erkennen (ON 6). Der Beschwerdeführer verfügt über eine eigene Wohnung und hat mit seinen Eltern, um die er sich bereits bisher kümmerte, einen positiven sozialen und wirtschaftlichen Empfangsraum. Bei dieser Sachlage ist bei einer Gesamtwürdigung aller für das Prognosekalkül maßgebenden Umstände mit Blick auf den erstmalig erlebten (bis zum Hälfte-Stichtag mehr als viermonatigen) Strafvollzug zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung begründet anzunehmen, dass diese Hafterfahrung die Bereitschaft des Strafgefangenen, in Zukunft ein deliktsfreies Leben zu führen, (noch weiter) gesteigert hat und seine bedingte Entlassung unter Anordnung von der auf seine (weitere) Stabilisierung abzielenden, bereits zuvor beim Beschwerdeführer positiv wirkenden flankierende Maßnahme der Bewährungshilfe nicht weniger geeignet ist, den Beschwerdeführer zu künftiger Straffreiheit anzuhalten, als der weitere Vollzug der Freiheitsstrafe.
Entgegen der nicht näher begründeten Ansicht des Erstgerichts haben die den Verurteilungen zugrunde liegenden Taten fallbezogen keine derartige Schwere, dass sie die ausnahmsweise generalpräventive Notwendigkeit des weiteren Vollzugs begründen könnten. Nach den Feststellungen des Erkenntnisgerichts überließ der Beschwerdeführer im Zeitraum von 2014 bis 2019 zwei Grenzmengen Cannabis und 1,8 Grenzmengen Amphetamin gewinnbringend an Abnehmer und veranlasste die Einfuhr von vier Grenzmengen Amphetamin, wobei der Import teilweise entdeckt wurde und daher scheiterte. Auch die Umstände der Tatbegehung bezüglich der gefährlichen Drohung begründen keinen hohen, über dem durchschnittlichen Bereich derartiger Taten liegenden sozialen Störwert.
Der Rechtsmittelausschluss gründet auf § 17 Abs 1 Z 3 StVG iVm § 89 Abs 6 StPO.