3R138/25a – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat als Berufungsgericht durch den Richter Mag. Tanczos (Vorsitz) und die Richterinnen Dr in . Steindl-Neumayr und Mag a . Binder in der Rechtssache des Klägers A* , geboren am **, Unternehmer, **, vertreten durch Dr. Philipp Mödritscher, Rechtsanwalt in Hermagor, gegen die Beklagte B* GmbH , FN **, **, vertreten durch Dr. Gottfried Tazol und Mag. Martin Schiestl, Rechtsanwälte in Völkermarkt, wegen EUR 34.723,09 sA, über die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 13. August 2025, **-18, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger binnen 14 Tagen mit EUR 3.531,42 (darin EUR 588,57 USt) bestimmte Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig .
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte unterhält seit mehreren Jahren zum Kläger, der ein Malereiunternehmen betreibt, eine Geschäftsbeziehung, in deren Rahmen sie ihn - stets auf Regiebasis - mit Maler- und Spachtelarbeiten beauftragt; eine Abrechnung nach Quadratmetern haben die Streitteile nie vereinbart.
Beim Bauvorhaben „**“ (einer Wohnhausanlage mit mehreren Eigentumswohnungen) beauftragte die Beklagte den Kläger im Zeitraum zwischen 12. Juli 2022 bis 18. Juli 2023 mit Spachtel- und Malerarbeiten; „die konkrete Abrechnungsweise“ besprachen sie nicht. Als der Kläger am 16. Mai 2023 in einer ersten Zwischenrechnung für erbrachte Werkleistungen EUR 10.000,00 als Akonto von der Beklagten forderte, weigerte sich deren Geschäftsführer, diesen Betrag zu zahlen, weil er ihm zu hoch erschien. Er bezahlte diesen Betrag, nachdem der Kläger der Beklagten die Einstellung der Arbeit angedroht hatte.
Am 4. Juli 2023 forderte der Kläger von der Beklagten in einer zweiten Zwischenabrechnung für weitere erbrachte Werkleistungen ein weiteres Akonto von EUR 10.000,00. Diesen Betrag bezahlte die Beklagte bis dato mit der Begründung nicht, die Leistungen seien „zu hoch“ verrechnet und es müsse eine Abrechnung nach Quadratmetern erfolgen.
Aufgrund der schwerwiegenden Erschütterung des Vertrauens in die Beklagte „im Hinblick auf ihre mangelnde Zahlungswilligkeit“ stellte der Kläger die Arbeit nur noch in den „aktuellen“ Wohneinheiten fertig. Danach stellte er die Arbeit ein. In einem Gespräch informierte er den Geschäftsführer der Beklagten vom Vertragsrücktritt.
Am 22. Juli 2023 verrechnete der Kläger der Beklagten EUR 30.617,50 für die erbrachten Arbeitsleistungen (Rechnung 817) und EUR 6.585,59 für das benötigte Material (Rechnung 818). Diese verrechneten Beträge liegen innerhalb der üblichen Marktvarianz und entsprechen dem wahren Leistungswert.
Die Beklagte bezahlte die verrechneten Beträge trotz Mahnungen vom 30. Juli 2023 und vom 9. August 2023 nicht.
Mitarbeiter des Klägers führten die beauftragten Arbeiten sorgfältig und mangelfrei aus. Im Zuge der Fertigstellung der Spachtel- und Malerarbeiten durchgeführte Ausbesserungsarbeiten „sind nicht vom Kläger verschuldet oder auf die Arbeitsweise des Klägers bzw seiner Mitarbeiter zurückzuführen“.
Der Kläger begehrt von der Beklagten zuletzt als restlichen Werklohn EUR 34.723,09 sA mit der für das Berufungsverfahren bedeutsamen Behauptung, er habe gemäß dem üblichen Vorgehen in der Geschäftsbeziehung zur Beklagten als „Regiekosten“ erbrachte Arbeitsleistungen und eingesetztes Material mit „entsprechenden Teilrechnungen“ verrechnet. Da die Beklagte die am 16. Mai 2023 verrechneten EUR 10.000,00 erst nach Androhung der Arbeitseinstellung und die am 4. Juli 2023 verrechneten EUR 10.000,00 (mit der falschen Behauptung, es sei nach Quadratmetern abzurechnen) überhaupt nicht bezahlt habe, habe der Kläger aufgrund des Verlusts des Vertrauens in die Beklagte zu Recht den Rücktritt vom Werkvertrag erklärt.
Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage mit der für das Berufungsverfahren bedeutsamen Behauptung, sie habe zu Recht die begehrten Akontierungen verweigert, weil der Kläger seine Leistungen nicht „vereinbarungsgemäß“ nach Quadratmetern verrechnet habe.
Mit dem angefochtenen Urteil stellte das Erstgericht die Klagsforderung mit EUR 34.723,09 als zu Recht und die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend fest; es erkannte daher die Beklagte schuldig, dem Kläger EUR 34.723,09 sA zu bezahlen.
Über den eingangs zusammengefassten Sachverhalt hinaus legte das Erstgericht dieser Entscheidung die auf den Seiten 2 bis 5 des Urteils ersichtlichen Tatsachenfeststellungen zugrunde, auf die das Berufungsgericht verweist.
Aus diesem Sachverhalt zog das Erstgericht folgende für das Berufungsverfahren bedeutsame rechtliche Schlüsse:
Der Kläger, dem die Aufrechterhaltung des Werkvertrages aufgrund des Verlusts des Vertrauens in die Beklagte nicht mehr zumutbar gewesen sei, sei zu Recht ohne Nachfristsetzung vom Vertrag zurückgetreten. Den berechtigten Vertrauensverlust des Klägers aufgrund fehlender Zahlungswilligkeit der Beklagten begründete das Erstgericht wörtlich wie folgt:
„Die fehlende Zahlungswilligkeit eines Werkbestellers schon bei der ersten Teilrechnung kann zu einer ersten Vertrauensbeeinträchtigung führen. Insbesondere wenn man bedenkt, dass die Zahlung erst unter Androhung der Leistungseinstellung geleistet wurde, ist das Verhalten der beklagten Partei als unverlässlich anzusehen. Zumal sich dieses Verhalten auch bei der zweiten Teilrechnung wiederholt, ist dem Kläger nicht zuzumuten, am Werkvertrag festzuhalten, wenn bereits erbrachte Leistungen von der beklagten Partei nicht bezahlt werden. Auch wenn keine konkrete Vereinbarung zur Bezahlung von Teilrechnungen ausverhandelt wurde, liegt in der Bezahlung der ersten Teilrechnung eine Duldung dieser Vorgehensweise, sodass der Kläger seine Leistungen zu Recht in seiner zweiten Teilrechnung abrechnet. Auch vor dem Hintergrund der fehlenden Zahlungsmoral der beklagten Partei ist eine derartige Vorgehensweise des Klägers verständlich und nicht unüblich. Die Nichtbezahlung der zweiten Teilrechnung bzw anfängliche Nichtbezahlung der ersten Teilrechnung lässt für den Kläger nur den Schluss zu, dass weitere, von ihm zu erbringende Leistungen ebenfalls nicht bezahlt werden könnten, wodurch ihm die Aufrechterhaltung des Vertrages nicht mehr zugemutet werden kann.“
2. Mangels konkreter Vereinbarungen über die Abrechnungsmodalitäten gelte gemäß § 1152 ABGB ein angemessenes Entgelt als bedungen. Der vom Kläger verrechnete Werklohn sei marktüblich und daher ein angemessenes Entgelt.
3. Die berechtigte Gegenforderung der Beklagten habe der Kläger durch Einschränkung der Klage um EUR 2.480,00 und damit durch Aufrechnung getilgt. Die weitere Gegenforderung von EUR 936,00 für „Nacharbeiten“ sei nicht berechtigt, weil diese Nacharbeiten nicht auf eine mangelhafte Werkvertragserfüllung des Klägers zurückzuführen seien.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es in Abweisung der Klage abzuändern.
Der Kläger beantragt in seiner Berufungsbeantwortung, der Berufung nicht Folge zu geben.
Gemäß § 480 Abs 1 ZPO kann über die Berufung in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist nicht berechtigt.
1. In einer mehrjährigen Geschäftsbeziehung haben der Kläger als Werkunternehmer und die Beklagte als Werkbestellerin für Maler- und Spachtelarbeiten konkludent die Verrechnung des Werklohns „auf Regiebasis“ mit Werklohnakontierungen nach Zwischenrechnungen für erbrachte Werkleistungen vereinbart. Die Beklagte hat die konkludent vereinbarte Verrechnung von Abschlagszahlungen nach Baufortschritt in diesem Zivilprozess nicht bestritten (ON 7, Seiten 3, 4) und die Akontierungsforderung vom 16. Mai 2023 auch erfüllt (8 Ob 124/23b, 4 Ob 105/12p, 6 Ob 97/09x).
2. Nachdem die Beklagte die am 16. Mai 2023 als „Akonto“ verrechneten EUR 10.000,00 für erbrachte Werkleistungen erst nach Androhung der Arbeitseinstellung und die am 4. Juli 2023 verrechnete Akontierung von weiteren EUR 10.000,00 für erbrachte Werkleistungen mit der vereinbarungswidrigen Behauptung, es müsse eine Abrechnung nach Quadratmetern erfolgen, überhaupt nicht bezahlte, erklärte der Kläger dem Geschäftsführer der Beklagten „aufgrund der schwerwiegenden Erschütterung des Vertrauens in die beklagte Partei im Hinblick auf ihre mangelnde Zahlungswilligkeit“ ohne Nachfrist den Vertragsrücktritt. Danach verrechnete der Kläger der Beklagten für erbrachte Arbeitsleistungen EUR 30.617,50 und für benötigtes Material EUR 6.585,59. Nach Abzug einer berechtigten Gegenforderung der Beklagten von EUR 2.480,00 ergibt sich daraus die Klagsforderung von EUR 34.723,09.
3. Die verrechneten Leistungen des Klägers entsprechen dem wahren Leistungswert. Dennoch hat die Beklagte dem Kläger die sich diese berechtigte Forderung trotz Mahnungen vom 30. Juli 2023 und vom 9. August 2023 nicht getilgt.
4. Diese Zusammenfassung des rechtserzeugenden Sachverhalts zeigt, dass der Kläger aufgrund eines treuwidrigen Verhaltens der Beklagten das Vertrauen in die Beklagte verloren hat und ihm eine weitere Zusammenarbeit mit der Beklagten und die Aufrechterhaltung des Werkvertrags nicht mehr zugemutet werden konnte (8 Ob 124/23b, 5 Ob 120/21i, RIS-Justiz RS0111147). Aufgrund der durch die ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung der Beklagten ausgelösten Erschütterung des Vertrauens in die Beklagte durfte der Kläger auch ohne Nachfristsetzung vom Werkvertrag zurücktreten (4 Ob 9/22k, 1 Ob 101/00k).
Mit diesen Ergänzungen erachtet das Berufungsgericht die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts, der die Berufungswerberin keine stichhältigen Argumente entgegenhalten kann, für zutreffend (§ 500a ZPO).
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.
Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO sind nicht zu beantworten, sodass kein Anlass besteht, die ordentliche Revision zuzulassen.