9Bs150/25i – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Richterin Mag a . Berzkovics (Vorsitz) sowie die Richter Mag. Petzner, Bakk. und Mag. Obmann, LL.M. in der Strafvollzugssache des A*wegen bedingter Entlassung aus der Freiheitsstrafe nach § 46 Abs 6 StGB über dessen Beschwerde gegen die Beschlüsse des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Vollzugsgericht vom 1. Juli 2025, GZ **-9, in nichtöffentlicher Sitzung den
BESCHLUSS
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 17 Abs 1 Z 3 StVG iVm § 89 Abs 6 StPO).
Text
BEGRÜNDUNG:
Der am ** geborene russische Staatsangehörige A* verbüßt in der Justizanstalt Graz-Karlau aufgrund des Urteils des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom 1. Juni 2011, GZ **-1361, wegen des Vergehens der kriminellen Vereinigung nach § 278 Abs 1 StGB, des Verbrechens der versuchten Überlieferung an eine ausländische Macht als Beteiligter nach §§ 12 zweiter Fall, 15, 103 Abs 1 StGB und des Verbrechens des Mordes als Beteiligter nach §§ 12 zweiter Fall, 75 StGB eine lebenslange Freiheitsstrafe (Beilage ./Urteil.1 im Ordner „Beilagen“ der elektronisch geführten Akten des Erstgerichts).
Die zeitlichen Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung gemäß § 46 Abs 6 StGB liegen seit 13. Jänner 2024 vor (ON 7.3).
Zuletzt mit dem unangefochten in Rechtskraft erwachsenen Beschluss vom 24. Mai 2024, AZ **, lehnte das Landesgericht für Strafsachen Graz als Vollzugsgericht die bedingte Entlassung des Strafgefangenen aus spezialpräventiven Gründen ab (Beilage ./BE im Ordner „Beilagen“).
Mit dem unangefochten in Rechtskraft erwachsenen Beschluss vom 6. April 2024, AZ **, wies das Landesgericht für Strafsachen Graz als Vollzugsgericht den Antrag des Strafgefangenen auf vorläufiges Absehen vom Strafvollzug wegen Einreise- oder Aufenthaltsverbots nach § 133a StVG ab (Beilage ./BE.3 im Ordner „Beilagen“).
Mit Eingabe vom 28. April 2025 beantragte der Strafgefangene seine bedingte Entlassung im Wesentlichen mit der Begründung, dass er über einen sozialen und wirtschaftlichen Empfangsraum verfüge. Unter einem beantragte er das vorläufige Absehen vom Strafvollzug wegen eines Einreise- oder Aufenthaltsverbots nach § 133a StVG (ON 2, „Bittsteller“).
Mit mündlich verkündetem Beschluss vom 1. Juli 2025 lehnte das Erstgericht nach Anhörung des Strafgefangenen konform der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft die bedingte Entlassung aus spezialpräventiven Gründen ab (ON 8). Unter einem wies es in der Ausfertigung des mündlich verkündeten Beschlusses vom 1. Juli 2025 den Antrag auf vorläufiges Absehen vom Strafvollzug wegen eines Einreise- oder Aufenthaltsverbots nach § 133a StVG ab (ON 9).
Der Strafgefangene meldete nach mündlicher Verkündung des Beschlusses auf Ablehnung der bedingten Entlassung Beschwerde an (ON 8, 2). Seine nach Zustellung der schriftlichen Beschlussausfertigung verfasste Beschwerdeausführung vom 21. Juli 2025 richtet sich im Zweifel gegen beide Entscheidungen des Vollzugsgerichts.
Rechtliche Beurteilung
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Das Erstgericht stellte in der Beschlussausfertigung die Anlassverurteilung, die Anträge des Strafgefangenen (ON 2), die Stellungnahme des Anstaltsleiters (ON 7.2) und der Staatsanwaltschaft (ON 1.2) sowie die anzuwendenden Normen, somit die Sach- und Rechtslage zutreffend dar, weshalb darauf verwiesen wird (RIS-Justiz RS0115236 [T1]).
Das Beschwerdegericht teilt (und übernimmt inhaltlich) ebenso die zutreffende Argumentation des Erstgerichts zum negativen Prognosekalkül iSd § 46 Abs 6 StGB.
Stichhaltige Argumente, die eine Änderung an diesem Prognosekalkül herbeizuführen mögen, bringt der Strafgefangene weder im „Bittsteller“, noch in der Beschwerde vor, sondern beschränkt sich im Wesentlichen auf die Argumentation, dass er in Haft weder gewalttätig oder gefährlich gewesen sei noch weitere strafbare Handlungen begangen hätte. Für den Fall des vorläufigen Absehens vom Strafvollzug nach § 133a StVG erklärte er sich bereit, freiwillig nach Russland auszureisen und sich an das ihm auferlegte unbefristete Einreiseverbot zu halten.
Maßgebend für das unverändert vorliegende negative Prognosekalkül ist trotz des Umstandes, dass die Strafregisterauskunft des Strafgefangenen außer der Anlassverurteilung keine weiteren Verurteilungen aufweist, dass es dem Strafgefangenen, bei dem es sich um einen Risikotäter handelt, an jeglicher Deliktseinsicht mangelt und er sich als Opfer eines Justizskandals und des „korrupten“ Staates Österreich sieht. Der Strafgefangene leugnet jegliche Beteiligung am Delikt und ist das Mindestmaß für eine Deliktbearbeitung im forensisch-psychotherapeutischen Sinne nicht erfüllt. Zwar werden Motivations- und Explorationsgespräche im Rahmen der klinisch-psychologischen Betreuung geführt, bislang war eine Veränderung nicht wahrnehmbar. Solcherart kann aber die nach § 46 Abs 6 StGB erforderliche positive Annahme künftiger Deliktsfreiheit selbst unter flankierenden Maßnahmen nach §§ 50 bis 52 StGB nach wie vor nicht getroffen werden, zumal auch das Vollzugsverhalten des Strafgefangenen durch fünf Ordnungsstrafen getrübt ist (ON 7.6).
An diesem negativen Prognosekalkül vermögen auch die gute Arbeitsleistung während des Vollzugs und der vom Strafgefangenen argumentierte soziale Empfangsraum keine Änderung herbeizuführen.
Zutreffend ging das Erstgericht auch davon aus, dass bei lebenslangen Freiheitsstrafen ein vorläufiges Absehen vom Strafvollzug nach § 133a StVG ausgeschlossen ist.
Gemäß § 133a Abs 1 StVG ist vom weiteren Vollzug einer Freiheitsstrafe vorläufig abzusehen, wenn ein Verurteilter die Hälfte der Strafzeit, mindestens aber drei Monate, verbüßt hat, und gegen ihn ein Aufenthaltsverbot besteht (Z 1), er sich bereit erklärt, seiner Ausreiseverpflichtung in den Herkunftsstaat (§ 2 Abs 1 Z 17 AsylG) unverzüglich nachzukommen, und zu erwarten ist, dass er dieser Verpflichtung auch nachkommen wird (Z 2), und der Ausreise keine rechtlichen oder tatsächlichen Hindernisse entgegenstehen (Z 3).
Ein vorläufiges Absehen vom Strafvollzug nach § 133a StVG ist jedoch bei lebenslangen Freiheitsstrafen ausgeschlossen. Zwar sprechen Abs 1 und 2 leg cit – anders als § 46 Abs 1 StGB – nicht von „zeitlichen“ Freiheitsstrafen und der Gesetzgeber wollte die Voraussetzungen grundsätzlich an jene der bedingten Entlassung aus einer Freiheitsstrafe angleichen, doch wurde keine dem § 46 Abs 5 zweiter Satz und Abs 6 StGB entsprechende Regelung in § 133a StVG geschaffen. Da es keine Hälfte oder zwei Drittel von lebenslangen Freiheitsstrafen gibt, sich sohin eine solche Quote nicht errechnen lässt, ist § 133a StVG demnach auch nach (fallbezogen rund) sechzehneinhalb Jahren verbüßter Strafzeit nicht anwendbar ( Pieberin WK² StVG § 133a Rz 21, Drexler/Weger, StVG 5§ 133a Rz 1; OLG Wien 22 Bs 203/12g, 18 Bs 210/21w ua). Der vom Strafgefangenen ins Treffen geführten soziale Empfangsraum vermag an der eben aufgezeigten Rechtslage nichts zu ändern.
Bleibt anzumerken, dass die vom Strafgefangenen (auch) in der Beschwerde begehrte persönlichen Anhörung im Beschwerdeverfahren nicht vorgesehen ist ( Tipoldin WK StPO § 89 Rz 1 mwN).