8Bs211/25b – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat durch den Senatspräsidenten Mag. Ohrnhofer (Vorsitz) und die Richter Mag. Koller und Mag. Petzner, Bakk. in der Maßnahmenvollzugssache des A* wegen Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Vollzugsgericht vom 8. Juli 2025, GZ **-24, in nichtöffentlicher Sitzung den
BESCHLUSS
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Text
BEGRÜNDUNG:
Der am ** geborene A* wurde im Verfahren AZ ** des Landesgerichts für Strafsachen Graz wegen zweier Verbrechen der Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1 StGB und eines Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB zur Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und gemäß § 21 Abs 2 StGB (idF vor BGBl I 2022/223) in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher (nunmehr: forensisch-therapeutisches Zentrum) eingewiesen. A* befindet sich seit 28. November 2019 in Haft, die Maßnahme wird seit 2. Dezember 2020 (und zwar seit 2. März 2021 in der Justizanstalt Graz-Karlau) vollzogen (ON 3 und ON 10.6).
Mit dem angefochtenen Beschluss (ON 24) wies das Landesgericht für Strafsachen Graz als Vollzugsgericht die am 22. Mai 2025 (ON 22.1) und am 5. Juni 2025 (ON 23) eingelangten Anträge des Betroffenen auf Bewilligung der Verfahrenshilfe im Verfahren zur Überprüfung der Notwendigkeit der weiteren Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 25 Abs 3 StGB mangels Vorliegens der Voraussetzungen ab.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen (rechtzeitig) erhobene Beschwerde des Betroffenen (ON 26 und ON 28; zum zulässigen weiteren Vorbringen bis zur Beschwerdeentscheidung Tipold , WK-StPO § 88 Rz 8; RIS-Justiz RS0118014) verfehlt ihr Ziel.
Für das Verfahren des Vollzugsgerichts gelten – wie bereits vom Erstgericht dargelegt – soweit im Einzelnen nichts anderes angeordnet wird, die Bestimmungen der StPO sinngemäß (§ 17 Abs 1 Z 3 erster Satz iVm § 163 StVG). Der Betroffene hat in Maßnahmenvollzugssachen bei Vorliegen der in § 61 Abs 2 StPO normierten Voraussetzungen das Recht auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers.
Das erstgerichtliche Kalkül, wonach diese Voraussetzungen nicht vorliegen, ist nicht zu beanstanden.
Fallbezogen liegt keiner der in § 61 Abs 2 Z 1 bis 4 StPO (in der Fassung BGBl I 2024/157) genannten Fälle vor. Der § 61 Abs 1 Z 2 StPO betrifft lediglich das Verfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss der Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 StGB ( Soyer/Schumann , WK-StPO § 61 Rz 19), sodass nach § 61 Abs 2 Z 1 StPO keine notwendige Verteidigung im Sinn des § 61 Abs 1 StPO besteht. Bei dem Verfahren über die bedingte Entlassung aus dem Maßnahmenvollzug handelt es sich auch nicht um ein „Rechtsmittelverfahren aufgrund einer Berufung“ im Sinn der Z 3 des § 61 Abs 2 StPO ( Soyer/Schumann, aaO § 61 Rz 65). Der Betroffene weist in seiner Beschwerde zwar zutreffend darauf hin, im Hinblick auf seine psychische Erkrankung schutzwürdig zu sein. Dass er deshalb oder wegen seines – ausschließlich psychogen-bedingten (vgl die (Vor-)Gutachten im Ordner sonstige Beilagen) – Sprachverlusts – als kumulativ vorliegende Voraussetzung – nicht in der Lage wäre, sich selbst zu verteidigen, ist nicht anzunehmen (§ 61 Abs 2 Z 2 StPO). Vielmehr dokumentieren das bisherige Auftreten sowie die zahlreichen Eingaben des Beschwerdeführers, bei dem nach dem Akteninhalt eine paranoid-querulatorische Persönlichkeitsstörung mit Verdacht auf Simulationsverhalten betreffend den Sprachverlust besteht, dass er in der Lage ist, einen Willen sachgerecht zu fassen und verständlich zum Ausdruck zu bringen. Die Entscheidung über die Notwendigkeit der weiteren Unterbringung in einem (nunmehr:) forensisch-therapeutischen Zentrum begründet an und für sich noch keine schwierige Sach- oder Rechtslage (§ 61 Abs 2 Z 4 StPO), weil das Verfahren amtswegig zu führen ist und dem Betroffenen gegen den erstinstanzlichen Beschluss das Rechtsmittel der Beschwerde zusteht, in welcher lediglich anzugeben ist, auf welchen Beschluss sich seine Beschwerde bezieht und worin die Rechtsverletzung bestehen soll (§ 88 Abs 1 StPO). Im Fall einer (rechtzeitigen und zulässigen) Beschwerde hat das Rechtsmittelgericht sodann ohnedies ohne Bindung an geltend gemachte Beschwerdepunkte in der Sache selbst zu entscheiden ( Tipold , WK-StPO § 88 Rz 4; Nimmervoll , Beschluss und Beschwerde in der StPO, 151 f mwN). Aus diesen Gründen ist fallbezogen die Beigabe eines Verfahrenshilfeverteidigers im Verfahren über die bedingte Entlassung aus dem Maßnahmenvollzug im Interesse der Rechtspflege nicht erforderlich (§ 61 Abs 2 erster Satz StPO).
RECHTSMITTELBELEHRUNG:
Gegen diese Entscheidung steht kein Rechtsmittel zu (§§ 163, 17 Abs 1 Z 3 erster Satz StVG iVm § 89 Abs 6 StPO).