JudikaturOLG Graz

8Bs51/25y – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
20. Mai 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat durch den Senatspräsidenten Mag. Ohrnhofer (Vorsitz) und die Richter Mag. Koller und Mag. Petzner, Bakk. in der Strafsache gegen A*wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 13. Dezember 2024, GZ **-24, nach der am 20. Mai 2025 in Gegenwart des Oberstaatsanwalts Mag. Liensberger, LL.M., der Angeklagten und ihrer Verteidigerin Rechtsanwaltsanwärterin Mag a . Matlschwaiger durchgeführten öffentlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Berufung wird über A* die Freiheitsstrafe von sechs Monatenverhängt, die gemäß § 43 Abs 1 StGB für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehen wird.

Der Angeklagten fallen auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

Text

gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am ** geborene A* des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt und nach § 302 Abs 1 StGB in Anwendung des § 41 Abs 1 Z 5 StGB (US 7; zur an sich gebotenen Aufnahme dieser Bestimmung in den Ausspruch gemäß § 260 Abs 1 Z 4 StPO siehe Lendl, WK-StPO § 260 Rz 45) zur Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt, die gemäß § 43 Abs 1 StGB für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehen wurde. Gemäß § 389 Abs 1 StPO wurde die Angeklagte zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verpflichtet.

Nach dem rechtskräftigen – verkürzt wiedergegebenen – Schuldspruch hat sie am 27. Mai 2024 in ** mit dem Vorsatz, dadurch die Republik Österreich als betreibende Gläubigerin an ihrem Vermögen zu schädigen, die Diplomrechtspflegerin B* und den Gerichtsvollzieher C* als in einem gegen die Angeklagte geführten Exekutionsverfahren zuständige Beamte wissentlich zu bestimmen versucht (§ 12 zweiter Fall StGB), ihre Befugnisse, im Namen des Bundes als deren Organe in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, vorsätzlich zu missbrauchen, indem sie diese durch die Übermittlung eines im Urteil näher beschriebenen Schreibens sinngemäß aufforderte, dieses Verfahren einzustellen bzw. vom weiteren Vollzug der bereits bewilligten Forderungs- und Fahrnisexekution Abstand zu nehmen, wobei sie den zumindest bedingt vorsätzlichen Befugnisfehlgebrauch der unmittelbaren Täter für gewiss hielt.

Gegen den Strafausspruch richtet sich die Berufung der Staatsanwaltschaft mit dem Begehren der Verhängung eines höheren Strafmaßes unter Ausschaltung des § 41 Abs 1 StGB.

Rechtliche Beurteilung

Dem Rechtsmittel kommt Berechtigung zu.

Strafbestimmend ist § 302 Abs 1 StGB mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

Besondere Erschwerungsgründe liegen nicht vor. Zutreffend moniert die Berufungswerberin aber, dass die Bestimmung von gleich zwei Beamten zu vorsätzlichem Befugnismissbrauch – im Rahmen allgemeiner Strafbemessungserwägungen (§ 32 Abs 3 StGB) – die Schuld erhöht.

Mildernd wirken der bisher ordentliche Lebenswandel der Angeklagten, zu dem die Tat in auffallendem Widerspruch steht (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB) sowie, dass es beim Versuch (der Bestimmung) blieb (§ 34 Abs 1 Z 13 zweiter Fall StGB). Im letztlichen bloßen Zugestehen, das inkriminierte Schreiben versendet zu haben, was ohnehin bereits objektiviert war, lag kein wesentlicher Beitrag zur Wahrheitsfindung (§ 34 Abs 1 Z 17 zweiter Fall StGB). In der Berufungsverhandlung ließ die Angeklagte aber erstmals Reumut erkennen, was ihr unter dem Aspekt des § 34 Abs 1 Z 17 erster Fall StGB – – wenn auch in seinem Gewicht gemindert – mildernd anzurechnen ist.

Eine außerordentliche Strafmilderung nach § 41 Abs 1 StGB kommt als Korrektiv von im Einzelfall zu hohen Mindeststrafdrohungen nur bei untergeordneten Beteiligungsformen oder in Fällen atypisch leichter Verwirklichung schwerer und deshalb mit strengen Mindeststrafdrohungen versehener Straftatbestände in Frage (RIS-Justiz RS0102152). Dabei sind nicht allein die Milderungsgründe des § 34 StGB zu berücksichtigen, sondern auch der Unrechtsgehalt der Tat und alle nach den Grundsätzen für die Strafbemessung gemäß § 32 Abs 2 und 3 StGB bedeutsamen Momente, welche die Tat für sich allein allenfalls als derart weit unter der Norm liegend ausweisen können, dass selbst die gesetzliche Mindeststrafe als überhöht angesehen werden müsste ( Tipold / Leukauf/Steininger, StGB 4 § 41 Rz 4).

Mit Blick auf das Gewicht der Milderungsgründe einerseits und den durch die Bestimmung von gleich zwei Beamten zu vorsätzlichem Befugnismissbrauch erhöhten Handlungsunwert andererseits kann von einem atypisch leichten Fall des betreffenden Deliktstypus nicht die Rede sein, weshalb die Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung nach § 41 Abs 1 StGB nicht in Betracht kommt. Allerdings ist eine Anhebung über das Mindeststrafmaß hinaus nicht geboten, sodass dieses in Stattgebung der Berufung der Anklagebehörde über die Angeklagte zu verhängen ist.

Folge der Sachentscheidung ist die auf § 390a Abs 1 StPO gegründete Verpflichtung der Angeklagten auch zum Ersatz der Kosten des Berufungsverfahrens.