JudikaturOLG Graz

9Bs48/25i – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
10. März 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Senatspräsidentin Mag a . Kohlroser als Vorsitzende, die Richterin Mag a . Berzkovics und den Richter Mag. Obmann, LL.M. in der Strafvollzugssache des A*wegen vorläufigen Absehens vom Strafvollzug wegen Einreiseverbots oder Aufenthaltsverbots nach § 133a StVG über die Beschwerde des Strafgefangenen gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Vollzugsgericht vom 20. Februar 2025, GZ **-6, in nichtöffentlicher Sitzung den

BESCHLUSS

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird Folgegegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und vom weiteren Vollzug der mit Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 13. Februar 2024, GZ **-86.3, in Verbindung mit dem Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 13. Juni 2024, AZ 22 Bs 95/24t, verhängten Freiheitsstrafe vorläufig abgesehen.

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 17 Abs 1 Z 3 StVG iVm § 89 Abs 6 StPO).

Text

BEGRÜNDUNG:

Der am ** geborene rumänische Staatsangehörige A* verbüßt in der Justizanstalt Klagenfurt die über ihn mit Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 13. Februar 2024, GZ **-86.3, in Verbindung mit dem Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 13. Juni 2024, AZ 22 Bs 95/24t, wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 2 Z 1 iVm Abs 1 Z 1 StGB verhängte Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren. Zum Urteilssachverhalt ist auf die in den Akten erliegende Urteilsausfertigung (ON 3) und die bezughabende Rechtsmittelentscheidung zu verweisen (ON 5).

Das Strafende fällt auf den 3. Juni 2026. Die Hälfte der Strafzeit ist seit 4. März 2025 vollzogen (ON 2.1, 2 f).

Die bedingte Entlassung zum Hälfte-Stichtag lehnte das Landesgericht Klagenfurt als Vollzugsgericht mit rechtskräftigem Beschluss vom 30. Jänner 2025, AZ **, ab (ON 4).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erließ gegen den Strafgefangenen mit (rechtskräftigem) Bescheid vom 20. Juni 2024, GZ **, ein für die Dauer von acht Jahren befristetes Aufenthaltsverbot (ON 2.2 und ON 2.3).

Mit Eingabe vom 20. Jänner 2025 (ON 2.1, 7 f) beantragte er, dass gemäß § 133a StVG wegen dieses Aufenthaltsverbots vorläufig vom Strafvollzug abgesehen werde und erklärte sich bereit, seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen. Der Strafgefangene verfügt über ein gültiges Ausreisedokument, die Kosten der Heimreise wären gedeckt (ON 2.1, 1).

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Vollzugsgericht diesen Antrag nach Einholung einer ablehnenden Stellungnahme der Staatsanwaltschaft Klagenfurt (ON 1.2) aus generalpräventiven Gründen im Hinblick auf die Art und Schwere der vom Strafgefangenen zu verantwortenden Tat ab (ON 6).

Dagegen richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde des Strafgefangenen (ON 7).

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerde kommt Berechtigung zu.

Das Erstgericht hat die Voraussetzungen für ein Vorgehen nach § 133a StVG in der angefochtenen Entscheidung zutreffend wiedergegeben, sodass darauf zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird.

Fallbezogen sind die zeitlichen Voraussetzungen nach § 133a Abs 1 StVG seit4. März 2025 erfüllt. Mit dem gegen den Strafgefangenen erlassenen Aufenthaltsverbot, seiner Erklärung, der Ausreiseverpflichtung unverzüglich nachzukommen und der begründeten Erwartung, dass er dieser Verpflichtung auch tatsächlich nachkommen wird, liegen auch die in § 133a Abs 1 Z 1 und Z 2 StVG genannten Erfordernisse vor. Der Ausreise entgegenstehende rechtliche oder tatsächliche Hindernisse sind aus den Akten nicht ersichtlich, sodass auch die weiteren Voraussetzungen des Abs 1 des § 133a StVG erfüllt sind.

Gegenstand der Anlassverurteilung ist schwerer Diebstahl durch Einbruch in Wohnstätten, indem der Strafgefangene über einen Zeitraum von wenigen Tagen in zwei Wohnhäuser einbrach und dort Bargeld sowie Wertgegenstände wegnahm, wobei er zum Zwecke der Tatbegehung nach Österreich einreiste. Der Schaden beträgt rund EUR 21.550,00.

Ausgehend davon ist das Kalkül des Erstgerichts, wonach es aus generalpräventiven – in der Schwere der Anlasstat gelegenen – Gründen ausnahmsweise des weiteren Vollzugs bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken, korrekturbedürftig. Die „Schwere der Tat“ im Sinne des § 133a Abs 2 StVG stellt auf den sozialen Störwert (die kriminelle Bedeutung) einer Tat ab (RIS-Justiz RS0091863), der durch den Handlungs- und Erfolgsunwert determiniert wird. Für die Annahme einer Tatschwere nach § 133a Abs 2 StVG müssen – als Ausnahmesatz – gewichtige Gründe vorliegen, die sich aus Sicht der Allgemeinheit von den regelmäßig auftretenden Begleiterscheinungen strafbaren Verhaltens auffallend abheben ( Pieberin WK² StVG § 133a Rz 18, Jerabek/Ropperin WK² StGB § 46 Rz 16), wobei nicht nur der Abschreckungseffekt bei potentiellen Tätern, sondern vor allem auch das Interesse an der Festigung genereller Normentreue in der Bevölkerung zu beachten ist (vgl Jerabek/Ropper in WK 2StGB § 43 Rz 18 mwN).

In Ansehung der Tatschwere erweist sich zwar der Erfolgsunwert der Tat angesichts des rund vierfachen der Wertqualifikation des § 128 Abs 1 Z 5 StGB entsprechenden Werts der Diebesbeute als im Vergleich zu dem in §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 2 Z 1 iVm Abs 1 Z 1 StGB normierten Unrechtsgehalt erhöht. Jedoch wird aufgrund des doch weit unter der nächsten Wertqualifikation (§ 128 Abs 2 StGB) liegenden Ausmaßes des kriminellen Ertrags und der Tatumstände noch nicht jener Schweregrad erreicht, der ausnahmsweise den weiteren Vollzug der Freiheitsstrafe zur Abschreckung tatbereiter Personen und zur Festigung der Normentreue erfordert. Die gegenständlichen Tathandlungen allein vermögen ohne das Hinzutreten weiterer Erschwerungsumstände die Tatschwere im Sinn des § 133a Abs 2 StVG noch nicht zu begründen.

Demgemäß ist der angefochtene Beschluss aufzuheben und vom weiteren Vollzug der Freiheitsstrafe gemäß § 133a StVG vorläufig abzusehen.