10Bs58/25t – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Richter Dr. Sutter (Vorsitz), Mag. a Haas und Mag. Wieland in der Strafsache gegen A*wegen des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5 StGB über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Graz gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 25. Februar 2025, GZ **-13, in nichtöffentlicher Sitzung den
BESCHLUSS
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu.
Text
BEGRÜNDUNG:
Die Staatsanwaltschaft Graz legte mit Strafantrag vom 8. Jänner 2025, AZ ** (ON 3 [der Akten AZ ** des Landesgerichts für Strafsachen Graz]), der am ** in ** (Kroatien) geborenen, österreichischen Staatsbürgerin, A* das Vergehen des schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5 StGB zur Last.
Demnach habe A* am 22. November 2024 in ** fremde bewegliche Sachen in einem EUR 5.000,00 übersteigenden Wert mit dem Vorsatz weggenommen, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem sie EUR 18.000,00 des Unternehmens B* GmbH aus einer unversperrten Schublade an sich nahm.
In der Hauptverhandlung am 5. Februar 2025 verantwortete sich die bislang unbescholtene (ON 7) und in der Verfahrensautomation Justiz (VJ [ON 4]) bis auf das gegenständliche Verfahren keine Eintragungen aufweisende Angeklagte – wie bereits im Ermittlungsverfahren (ON 2.5) – vollinhaltlich geständig. Die Angeklagte übernahm explizit die Verantwortung für ihre Tat und führte diese auf finanzielle Probleme – sie treffen bei einem monatlichen Einkommen von rund EUR 1.300,00 (ON 8,2 [zuvor EUR 2.200,00, ON 2.5,2]), bei einem Schuldenstand von rund EUR 40.000,00 monatliche Rückzahlungsraten iHv EUR 800,00 – und den für sie finanziell unerfüllbaren Geburtstagswunsch ihres sechsjährigen Kindes zurück.
Zum weiteren Verfahrensgang wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom 19. Februar 2025 in der selben Rechtssache verwiesen (RIS-Justiz RS0124017 [T4 und T6]].
Mit dem angefochtenem Beschluss vom 25. Februar 2025 (ON 13) stellte das Erstgericht nach nunmehr erfolgter Bezahlung eines Pauschalkostenbeitrags von EUR 200,00 das Verfahren gegen die Angeklagte gemäß §§ 198, 199 und 203 StPO unter Bestimmung einer Probezeit von zwei Jahren vorläufig ein.
Dagegen richtet sich die noch am selben Tag erhobene Beschwerde der Staatsanwaltschaft (ON 14) mit der (wesentlichen) Begründung, dass die diversionelle Erledigung in der konkreten Form spezial- und vor allem generalpräventiven Erfordernissen nicht ausreichend gerecht werde, weshalb beantragt wird, den Beschluss ersatzlos zu beheben und dem Erstgericht die Anberaumung der Hauptverhandlung aufzutragen.
Rechtliche Beurteilung
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Wie bereits im Vorbeschluss ausgeführt, ist das Beschwerdeverfahren einseitig. Eine Beschwerde nach § 209 Abs 2 StPO ist nach dem Wortlaut des Gesetzes als einseitiges Rechtsmittel konzipiert, denn die Diversionsentscheidung (als Grundlage einer Gegenausführung zur Beschwerde) ist dem Angeklagten erst dann zuzustellen, wenn sie gegenüber der öffentlichen Anklägerin rechtskräftig wurde. Würde der Beschwerde der Staatsanwaltschaft Folge gegeben, wäre eine Hauptverhandlung durchzuführen, in der bei unveränderter Sachlage wegen der Bindewirkung der Beschwerdeentscheidung eine neuerliche Diversionsentscheidung unzulässig ist (vgl Schroll/Kert, WK StPO § 209 Rz 12).
Gemäß §§ 198, 199 iVm 200 StPO hat das Gericht das Verfahren einzustellen, wenn aufgrund eines hinreichend geklärten Sachverhalts feststeht, dass die Tat nicht mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist, eine Einstellung des Verfahrens nach den §§ 190 bis 192 StPO nicht in Betracht kommt, eine Bestrafung jedoch im Hinblick auf (hier relevant) die Bestimmung einer Probezeit, in Verbindung mit Bewährungshilfe und der Erfüllung von Pflichten (§ 203), nicht geboten erscheint, um den Angeklagten von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten oder der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken, die Schuld des Angeklagten nicht als schwer (§ 32 StGB) anzusehen wäre und – von Ausnahmen abgesehen – die Tat nicht den Tod eines Menschen zur Folge hatte.
Voranzustellen ist, dass sich die Befugnis der Staatsanwaltschaft mit Einbringen der Anklage darauf beschränkt, die Fortsetzung des Verfahrens zu begehren. Der Staatsanwaltschaft kommt gegen diversionelle Erledigungen ein Beschwerderecht zu dem Zweck zu, im Fall des Fehlens der gesetzlichen Voraussetzungen (beispielsweise wegen spezialpräventiver Bedenken) eine Überprüfung der Verfahrenseinstellung durch das Rechtsmittelgericht und die Fortführung des Verfahrens zu erwirken. Strebt die Staatsanwaltschaft dagegen der Sache nach bloß die Anwendung einer anderen, aus ihrer Sicht zweckmäßigeren Diversionsform an (siehe hier ON 14,2 [„ ...in der konkret gewählten Form...“]), verfehlt sie den Anfechtungsrahmen (RIS-Justiz RS0128369; 12 Os 84/12p; Schroll/Kert, WK StPO § 209 Rz 10/1 [mit kritischen Anmerkungen Rz 10/2]; Schmölzer/Mühlbacher, StPO 2 § 209 Rz 12 mwN; OLG Graz, 10 Bs 283/16t; ebenso OLG Wien 31 Bs 249/21a).
Allerdings ist unter dem – hier von der Staatsanwaltschaft auch angesprochenen – Aspekt der mangelnden Spezialprävention in gewissen Rahmen eine Kontrolle der Beurteilung der Präventionsbezogenheit der konkreten Diversionsmaßnahme möglich, weil gerade bei Berücksichtigung einer völlig unzureichenden Verpflichtung eine Bestrafung geboten erscheint, um den Angeklagten von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten ( Schroll/Kert , aaO § 209 Rz 11/3; Leitner,aaO, StPO 2 § 209 Rz 14 mwN).
Wenn die Staatsanwaltschaft daher Bedenken in spezialpräventiver Hinsicht hegt und in diesem Zusammenhang moniert, dass es sich bei einem Vorgehen nach § 203 StPO ohne Pflichtenübernahme um die am wenigsten eingriffinstensive Diversionsmaßnahme handelt, ist ihr zwar zuzustimmen, dass diese vordringlich bei Bagatelltaten zur Anwendung gelangt ( Leitnerin Schmölzer/Mühlbacher, StPO 2 § 203 Rz 4 mwN), jedoch sieht das Gesetz keine starren Regeln vor. Liegen nämlich im Nachtatverhalten gelegene Umstände vor, die einerseits schuldmildernd wirken und andererseits zu einer entsprechend positiven Präventionsbeurteilung führen (zB [wie hier] uneingeschränkte Schuldeinsicht kombiniert mit bereits erfolgter Schadensgutmachung; bereits von sich aus ergriffene Maßnahmen, die sonst als Pflicht abverlangt werden müssten), kann die schlichte Probezeit auch bei über dem Bagatellbereich angesiedelten Taten indiziert sein. Fallbezogen weist die Angeklagte einen ordentlichen Lebenswandel auf (ON 4 und ON 7), sie verantwortete sich von Anfang an (ON 2.5 und ON 2.2,4) vollinhaltlich geständig und übernahm explizit Verantwortung für ihre Taten (ON 8,2), wobei selbst die Staatsanwaltschaft in ihrer Beschwerde zugestand, dass die Angeklagte in der Hauptverhandlung einen reumütigen Eindruck hinterließ (ON 14,2). Das gestohlene Bargeld wurde im gesamten Betrag von EUR 18.000,00 sichergestellt (ON 2.2,5). Die Privatbeteiligte erhob keinerlei Ansprüche und es gab mittlerweile eine Aussprache (ON 8,3), die dazu führte, dass die Angeklagte weiterhin im Betrieb der B* GmbH beschäftigt ist.
Den Beschwerdeargumenten entgegnend wird das reumütige und zur Wahrheitsfindung dienliche Geständnis auch nicht dadurch relativiert, dass die Angeklagte erst nach Ansprache der Kriminalpolizei die Tat unter weinerlichem Ausdruck (ON 2.2,4) eingestand und das Bargeld in voller Höhe zurückgab, kann doch bei dem damaligen Ermittlungsstand (siehe ON 2.2,4) nicht von einer drückenden Beweislage (RIS-Justiz RS0091512 [T2]) gesprochen werden. Warum das als schambehaftet zu wertende Verhalten der Angeklagten bei der Konfrontation der Kriminalpolizei (siehe ON 2.2,4) gegen ihre a prima vista glaubhafte Beteuerung (ON 2.5,4), sie habe das Geld zuvor schon zurückbringen zu wollen, was aber auf Grund des Einschreitens der Kriminalpolizei nicht mehr möglich war, spricht, erklärt die Beschwerde nicht schlüssig. Zudem übersieht das Rechtsmittel, dass nicht nur der finanziell unerfüllbare Geburtstagswunsch ihres Kindes, sondern auch der Schuldenstand von EUR 40.000,00 (ON 2.5,2) ein Tatmotiv war.
Da die Möglichkeit einer Diversion in spezialpräventiver Hinsicht lediglich die Bereitschaft voraussetzt, Verantwortung für das ihm zur Last gelegte Tatgeschehen zu übernehmen ( Leitnerin Schmölzer/Mühlbacher, StPO 2 § 198 Rz 41 mwN) und keine weiteren negativen Prognoseindikatoren ( Schroll/Kert, WK StPO § 198 Rz 37) vorliegen, bestehen mangels schwerer Schuld (RIS-Justiz RS0116021) – lediglich die Überschreitung der Qualifikationsgrenze des § 128 Abs 1 Z 5 StGB (RIS-Justiz RS0099961) wirkt schuldsteigernd – keine Bedenken an der Vornahme einer diversionellen Erledigung sowie an der konkreten Ausgestaltung der gewählten Diversionsform. Eine Unterstützung durch die Bewährungshilfe ( Leitner, aaO StPO 2 § 203 Rz 10) bedurfte es nicht, befindet sich die Angeklagte doch in geordneten Lebensverhältnissen (ON 8,2) und es werden gegen sie, trotz verhältnismäßig hoher Schuldenlast, keine Exekutionen geführt (siehe Namensabfrage in der Verfahrensautomation Justiz), was gegen einen Unterstützungsbedarf in finanzieller Hinsicht spricht.
Die in der Beschwerde angesprochenen, jedoch nicht näher ausgeführten, generalpräventiven Erwägungen die gegen die gewählte Diversionsform sprechen sollen, spielen in diesem Segment nur eine untergeordnete Rolle (siehe Leitner, aaO StPO 2 § 203 Rz 4 mwN). Im Übrigen ist jedoch darauf zu verweisen, dass die Angeklagte nunmehr für die Dauer einer zweijährigen Probezeit einer erhöhten gerichtlichen Aufmerksamkeit unterstellt ist, sodass der Öffentlichkeit hinreichend vermittelt wird, dass eine derartige Vermögensdelinquenz nicht ohne Konsequenzen bleibt (siehe auch OLG Wien, 20 Bs 125/18f).
Der Beschwerde war daher ein Erfolg zu versagen. Der Rechtsmittelausschluss gründet auf § 89 Abs 6 StPO.