JudikaturOLG Graz

8Bs18/25w – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
05. März 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat durch den Senatspräsidenten Mag. Ohrnhofer (Vorsitz) und die Richter Mag. Obmann, LL.M. und Mag. Petzner, Bakk. in der Strafsache gegen A*und andere Angeklagte wegen des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 27. Dezember 2024, GZ **-145, in nichtöffentlicher Sitzung den

BESCHLUSS

gefasst:

Spruch

In Stattgebung der Beschwerde wird der angefochtene Beschluss ersatzlos aufgehoben .

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu.

Text

begründung:

Mit dem seit 16. Dezember 2019 rechtskräftigen (ON 107) Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz, GZ **-104, wurde A* des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB und der Verbrechen des Abgabenbetrugs nach §§ 33 Abs 2 lit b, 39 Abs 1 lit b und Abs 3 lit c FinStrG idF vor BGBl I 2019/62 schuldig erkannt und nach Maßgabe des § 22 Abs 1 FinStrG für den Schuldspruch wegen des Verbrechens des Abgabenbetrugs nach § 39 Abs 3 lit c FinStrG idF vor BGBl I 2019/62 zur Freiheitsstrafe von drei Jahren, von der gemäß § 43a Abs 3 StGB der Teil von zwei Jahren unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde, sowie für den Schuldspruch wegen des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB nach § 147 Abs 2 StGB zur Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, von der gemäß § 43a Abs 3 StGB der Teil von neun Monaten für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehen wurde, verurteilt. Aus dem Vollzug der unbedingten Strafteile wurde er am 12. November 2021 unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt entlassen (AZ ** des Landesgerichts für Strafsachen Graz).

Mit (gekürzt ausgefertigtem) Urteil des Landesgerichts Leoben vom 19. November 2024, AZ **, wurde A* unter Anrechnung der Vorhaft von 16. Mai 2024, 22.49 Uhr bis 8. August 2024, 08.00 Uhr und von 26. August 2024, 22.00 Uhr bis 19. November 2024, 12.30 Uhr zur Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Aus Anlass dieser Verurteilung sah das Landesgericht Leoben – soweit hier von Bedeutung – vom Widerruf der hier gegenständlichen bedingten Strafnachsichten und der bedingten Entlassung im Verfahren AZ ** des Landesgerichts für Strafsachen Graz ab, verlängerte jedoch die Probezeit zu letzterem auf fünf Jahre.

Nach Einholung einer Strafregisterauskunft, aus der die zuvor genannte Probezeitverlängerung hervorging (vgl im Übrigen die noch unjournalisierte Verständigung des Landesgerichts Leoben vom 26. November 2024), und Vornahme einer VJ-Abfrage sowie Einholung einer Stellungnahme der Anklagebehörde, die auf § 49 StGB hinwies, sah das Erstgericht mit dem angefochtenen Beschluss die Strafen endgültig nach und setzte den Beginn der Tilgungsfrist mit 16. Dezember 2019 fest (ON 145).

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Staatsanwaltschaft, die auf die ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Beschlusses abzielt (ON 147).

Der Verurteilte äußerte sich dazu nicht (§ 89 Abs 5 zweiter Satz StPO).

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde ist berechtigt.

Gemäß § 49 StGB beginnt die Probezeit mit der Rechtskraft der Entscheidung, mit der die bedingte Nachsicht (§§ 43 bis 45 StGB) oder die bedingte Entlassung (§§ 46 und 47 StGB) ausgesprochen worden ist. Zeiten, in denen der Verurteilte auf behördliche Anordnung angehalten worden ist, werden in die Probezeit nicht eingerechnet. Eine behördliche Anhaltung ist vor allem der Vollzug gerichtlicher oder verwaltungsbehördlicher Strafen und vorbeugender Maßnahmen mit Freiheitsentzug ( Fabrizy/Michel-Kwapinski/Oshidari, StGB 14 § 49 Rz 1 und 2). Wird ein Verurteilter (wie hier) aus einem nicht bedingt nachgesehenen Teil einer Freiheitsstrafe vor Ablauf der für den bedingt nachgesehenen Strafteil bestimmten Probezeit bedingt entlassen, so laufen beide Probezeiten nur gemeinsam ab.

In concreto errechnet sich die aus Anlass der bedingten Entlassung des Verurteilten aus dem Vollzug der unbedingten Strafteile bestimmte und anlässlich der Nachfolgeverurteilung durch das Landesgericht Leoben zu AZ ** auf fünf Jahre verlängerte Probezeit ab 12. November 2021, wobei zu berücksichtigen ist, dass sich der Verurteilte in diesem Verfahren seit 16. Mai 2024 – zeitweise unterbrochen durch die (in die Probezeit genauso wenig einzurechnende) Verbüßung von verwaltungsbehördlichen Ersatzfreiheitsstrafen – in gerichtlicher Haft befindet (vgl dort „U-Haftunterbrechungsbericht“ ON 45 und Strafantrittsbericht ON 89). Folglich waren auch die Probezeiten für die bedingt nachgesehenen Strafteile zum Zeitpunkt der Beschlussfassung durch das Erstgericht noch nicht abgelaufen. Während dem Beschwerdeverfahren wurden diese jedoch – ungeachtet der (bereits ab dessen Erlassung bestehenden) Bindungswirkung (Sperrwirkung) des angefochtenen Beschlusses (RIS-Justiz RS0091864, RS0101040 [T9]; Jerabek , WK-StPO § 494a Rz 13; Lewisch , WK-StPO Vor §§ 352–363 Rz 47 ff) – aus Anlass neuerlicher Verurteilung im Verfahren AZ ** des Bezirksgerichts Leibnitz mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Berufungsgericht vom 27. Jänner 2025, AZ 1 Bl 88/24f, auf fünf Jahre verlängert (zur Wirkungslosigkeit dieses Beschlusses und zur weiteren Vorgehensweise vgl abermals Jerabek , WK-StPO § 494a Rz 13).

Da somit die zeitlichen Voraussetzungen für die endgültige Nachsicht der Strafen nicht vorliegen, ist der angefochtene Beschluss in Stattgebung der Beschwerde ersatzlos aufzuheben.

Der Ausschluss eines weiteren Rechtszugs gründet auf § 89 Abs 6 StPO.