JudikaturOLG Graz

10Bs13/25z – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
25. Februar 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Richter Mag a . Tröster (Vorsitz), Mag a . Haas und Dr. Sutter in der Strafsache gegen A*wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 14. Jänner 2025, GZ **-9, in nichtöffentlicher Sitzung den

BESCHLUSS

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens aufgetragen.

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu.

Text

BEGRÜNDUNG:

Mit Strafantrag vom 16. Dezember 2024 legt die Staatsanwaltschaft Graz dem am ** geborenen A* die Vergehen (zu 1.) der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und (zu 2.) der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB zur Last. Demnach habe (sinngemäß) A*

1. am 1. November 2023 in ** B* durch Faustschläge ins Gesicht und Fußtritte unter Zufügung nicht näher bekannter Verletzungen im Gesichtsbereich und am Oberschenkel verletzt; und

2. am 26. Mai 2024 in ** die Nachgenannten mit Textnachrichten gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, nämlich

a) C* D* mit den Worten „ I bring dich um“, „I schlitz dich auf du Hurensohn“, „Und zünd die Haus an“, „Du musst gerichtet werden“ „Schaufel dir ein Grab“, „I werd dich stundenlang foltern!“ „Dein Herz wird von mir reingepresst und deine Seele erlöst“ „Du musst sterben C*“ „I bring dich noch um!!!“, „Zerschneide dich“, „Du musst Asche sein!“ „Dein Oide glei mit“ „I zünd dein fucking Haus an du falsches Arschgesicht“ „I will, dass du brennst“ „C* du wirst sterben“, „I komm in den nächsten Tagen und leg dich um“ „Bis, dass der Tod uns scheidet“; und

b) DI E* D* als Vater seiner Sympathieperson C* D* mit den Worten „ I bring den C* die nächsten Tage um, sodass mein PTBS von ihm geheilt ist. Er muss sterben“ „I leg ihn um“ (ON 8 [der Akten AZ ** des Landesgerichts für Strafsachen Graz]).

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Strafantrag gemäß § 485 Abs 1 Z 2 StPO iVm § 212 Z 3 StPO mit der wesentlichen Begründung zurück, die für eine Zurechnungsunfähigkeit des Angeklagten sprechenden Umstände seien nicht ausreichend erhoben und somit der Sachverhalt nicht ausreichend geklärt worden.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Beschwerde der Staatsanwaltschaft (ON 10), zu der sich der Angeklagte nicht äußerte, ist berechtigt.

Das Gericht hat den Strafantrag vor Anordnung der Hauptverhandlung zu prüfen und ihn – soweit hier von Bedeutung – in den Fällen des § 212 Z 3 StPO mit Beschluss zurückzuweisen (§ 485 Abs 1 Z 2 StPO), wenn der Sachverhalt nicht so weit geklärt ist, dass eine Verurteilung des Angeklagten nahe liegt. Eine (vorläufige) Zurückweisung kommt dann in Betracht, wenn die Staatsanwaltschaft von weiteren möglichen Erhebungen Abstand nimmt und auf Basis eines nicht hinreichend geklärten und ausermittelten Sachverhalts anklagt ( Birklbauerin WK StPO § 212 Rz 14). Der Einspruchsgrund des § 212 Z 3 StPO ist umgekehrt nicht gegeben, wenn keine schulderheblichen Beweisaufnahmen mehr ausstehen und bei Gegenüberstellung sämtlicher be- und entlastender Verdachtsmomente sowie unter Berücksichtigung indizierter Schuldausschließungsgründe mit einfacher Wahrscheinlichkeit ein Schuldspruch zu erwarten ist ( Birklbauerin WK StPO § 212 Rz 15).

Fallbezogen sind die äußeren Umstände (unstrittig) ausreichend geklärt; die relevanten Zeugen wurden vernommen und Aufnahmen von den inkriminierten Nachrichten beigeschafft. Anhand dieser Beweismittel ergibt sich auch die (jeweilige) objektive Tatbildverwirklichung durch den Angeklagten (sogar) mit höherer Wahrscheinlichkeit.

Vorbehalte bestehen jedoch an der Anklage wegen einer möglicherweise vorliegenden Schuldunfähigkeit des Angeklagten. Auf deren richtige Darstellung im angefochtenen Beschluss (Seite 2 unten, 3) wird verwiesen, wobei die von der Einzelrichterin aufgezeigten Bedenken auch von der Staatsanwaltschaft geteilt werden (Beschwerde Seite 2 vierter Absatz).

Zutreffend sieht jedoch das Rechtsmittel die Anklagereife gegeben: Im Ermittlungsverfahren kam es zur Bestellung eines gerichtlichen Sachverständigen – der auch ermächtigt wurde, alle erforderlichen Unterlagen aus Eigenem einzuholen – mit dem Auftrag, die Zurechnungsfähigkeit des (damals:) Beschuldigten zu prüfen (ON 4f). Nachdem sich der Beschuldigte einer Untersuchung nicht unterzog, war dem Sachverständigen eine Gutachtenserstattung nicht möglich (ON 6). Der Beschuldigte musste sich der vorgesehenen Exploration nicht unterziehen, zumal § 153 Abs 3 StPO die Möglichkeit der zwangsweisen Durchsetzung auf die Vorführung zur Vernehmung begrenzt; eine Verpflichtung, sich selbst (seinen Körper oder seine Persönlichkeit) als Beweismittel zur Verfügung zu stellen, besteht nicht (vgl Markelin WK StPO § 1 Rz 33 mwN). Andere konkrete Möglichkeiten der Eruierung der Zurechnungsfähigkeit des Beschuldigten zu den beiden Tatzeitpunkten gab es nicht. Der Aktenvermerk der Polizei über den psychischen Ausnahmezustand des A* stammt vom 4. August 2024 (ON 2.24), also von einem deutlich späteren Zeitpunkt. Dass die Freundin des Angeklagten (F*, vgl ON 3.4, 5) – der allenfalls als Lebensgefährtin die Aussagebefreiung nach § 156 Abs 1 Z 1 StPO zukäme – ein konkretes Wissen über den psychischen Zustand des Angeklagten im Tatzeitpunkt hätte, ergibt sich aus den Akten ebenso wenig, wie Hinweise darauf, wo bzw bei wem und weshalb der Angeklagte in psychiatrischer oder psychologischer Behandlung war oder ist, sodass auch eine bloße Krankenunterlagenbeischaffung nicht bewerkstelligt werden konnte. Damit blieb der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren keine weitere konkrete Aufklärungsmöglichkeit für die in Rede stehende Problematik. Welcher Ermittlungsschritt vor der Anklageerhebung noch notwendig gewesen wäre, wird auch im angefochtenen Beschluss nicht aufgezeigt.

Damit läuft dessen Inhalt der Sache nach auf eine Zurückweisung des Strafantrags aus dem Grund des § 212 Z 2 StPO hinaus, nämlich dass Dringlichkeit und Gewicht des Tatverdachts trotz hinreichend geklärten Sachverhalts nicht ausreichen, um eine Verurteilung des Angeklagten auch nur für möglich zu halten […]. Dieser Einspruchsgrund ist gegeben, wenn keine (schuld-)erheblichen Beweisaufnahmen mehr ausstehen und wenn bei Gegenüberstellung sämtlicher belastender und entlastender Verdachtsmomente sowie unter Berücksichtigung indizierter Rechtfertigungs-, Schuldausschließungs-, Strafausschließungs- und Strafaufhebungsgründe sowie Verfolgungshindernisse mit einfacher Wahrscheinlichkeit ein Schuldspruch zu erwarten ist ( Birklbauerin WK StPO § 212 Rz 15).

Die Bewertung der Beweismittel begründet in concreto im Ergebnis einen nach Dringlichkeit und Gewicht hinreichend geklärten Sachverhalt, der die Anordnung der Hauptverhandlung rechtfertigt. Mag auch der Angeklagte psychische Auffälligkeiten aufweisen und in der Folge einmal zurechnungsunfähig erschienen sein, so verhielt er sich zumindest bei der Tathandlung Anfang November 2023 nach den Bekundungen der Zeugen nicht außerordentlich ungewöhnlich; die inkriminierte Reaktion des Angeklagten stand zudem im Zusammenhang mit einem Streit und erfolgte nicht „ohne Anlass“. Auch die Bedrohungen (Punkt 2.) können mit einem Vorgeschehen (am 5.3.2024 am „Billa-Parkplatz“) in Zusammenhang gebracht werden und sich insoweit (aus Tätersicht) als folgerichtig darstellen. Der Angeklagte berief sich selbst nie auf eine mangelnde Schuldfähigkeit und zeigte bei seinen Vernehmungen ein adäquates Verhalten. Aus der Summe dieser Gegebenheiten konnte die Staatsanwaltschaft – beweiswürdigend – hinreichend wahrscheinlich auf eine Schuldfähigkeit des Angeklagten bei den Tathandlungen schließen. Inwieweit diese tatsächlich gegeben war, wird im Hauptverfahren, das von den Grundsätzen der Unmittelbarkeit, Unmündlichkeit und der freien richterlichen Beweiswürdigung getragen wird, zu beurteilen sein.

Der Rechtsmittelausschluss gründet auf § 89 Abs 6 StPO.