Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hargassner als Vorsitzenden, den Vizepräsidenten Hon. Prof. PD Dr. Rassi und den Hofrat Dr. Annerl sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Michael Mutz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Susanne Haslinger (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei F*, vertreten durch Mag. K*, vertreten durch Mag. Franjo Schruiff, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Pflegegeld, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 27. August 2025, GZ 7 Rs 61/25d 16, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.
Begründung:
[1] Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Höhe des der Klägerin zuzuerkennenden Pflegegeldes.
[2] Die 2008 geborene Klägerin hatte im Zeitpunkt der Antragstellung das 15. Lebensjahr bereits vollendet. Sie leidet an einer therapieresistenten Epilepsie und Demenz bei einem kognitiven Entwicklungsniveau mit einem IQ von etwa 50. Es ist eine ständige Bereitschaft von Pflegepersonen erforderlich und es sind unkoordinierte Pflegeleistungen jedenfalls tagsüber zu erbringen, manchmal auch in der Nacht. Bei der Klägerin besteht ein Pflegebedarf von 161 Stunden (inklusive 45 Stunden Erschwerniszuschlag).
[3] Die Vorinstanzen sprachen der Klägerin ab 1. 12. 2023 ein Pflegegeld der Stufe 4 zu. Das Mehrbegehren auf Leistung eines diese Stufe übersteigenden Pflegegelds wurde abgewiesen.
[4] In ihrer außerordentlichen Revision macht die Klägerin keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung geltend.
[5] 1. Die Zulässigkeit ihres Rechtsmittels stützt die Klägerin auf den Umstand, dass keine Rechtsprechung zur Frage vorliege, in welchem Ausmaß mehrere erhebliche Funktionseinschränkungen (in casu: Epilepsie und Demenz) in ihrem Zusammenwirken die Pflegesituation erschweren. Erkennbar ist aus diesen Ausführungen der Vorwurf abzuleiten, die Vorinstanzen hätten bei der Ermittlung des Pflegebedarfs die beiden massiven Einschränkungen der Klägerin nicht ausreichend berücksichtigt.
[6] 2. Der Oberste Gerichtshof ist nur Rechts- und nicht Tatsacheninstanz. Die (rechtliche) Beurteilung des konkreten Pflegebedarfs hat aufgrund der von den Tatsacheninstanzen insbesondere auch aufgrund eines eingeholten medizinischen Sachverständigengutachtens dazu getroffenen Feststellungen zu erfolgen (10 ObS 25/12t uva).
[7] 2.1 Die Vorinstanzen sind – entgegen dem Rechtsmittel – bei den Feststellungen der Grundlagen für den erforderlichen Pflegebedarf vom konkreten Gesundheitszustand der Klägerin ausgegangen und haben dabei die erwähnten Erkrankungen bzw Einschränkungen umfassend berücksichtigt. Den Feststellungen liegen ua die zeitlich nicht vorhersehbaren epileptischen Anfälle bzw die Defizite im Bereich der Orientierung und des Denkens zugrunde, woran in weiterer Folge bei der Bestimmung des konkreten Pflegebedarfs angeknüpft wurde. Das in der Zulassungsbeschwerde angesprochene „Zusammenwirken“ der Einschränkungen fand damit auf der Ebene der Tatsachenfeststellungen Niederschlag: Zum einen beim zeitlichen Ausmaß der nötigen Hilfeleistungen, zum anderen aber auch bei der Frage der ständigen Bereitschaft von Pflegepersonen und der unkoordiniert zu erbringenden Pflegeleistungen.
[8] 2.2 Im Gegensatz zu den Revisionsausführungen sind die Feststellungen zur Verrichtung der Notdurft nicht bloß „vage“. Vielmehr hat das Erstgericht umfassend festgestellt, inwieweit die Klägerin hier konkret der Betreuung bedarf. Das Berufungsgericht hat sich mit den erstgerichtlichen Feststellungen im Rahmen der Mängel und Rechtsrüge ausführlich auseinandergesetzt.
[9] 2.3 Soweit die Revisionswerberin hier die von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen angreift (insb zum Zeitaufwand für die Notdurftverrichtung) bzw sich die Revisionsausführungen von diesen Festellungen entfernen, ist darauf nicht einzugehen ( 10 ObS 114/18i ).
[10] 3. Auch die in diesem Zusammenhang geltend gemachte Aktenwidrigkeit, wonach die Vorinstanzen die Aussagen des Sachverständigen aus dem Zusammenhang gerissen und das Gutachten umgedeutet hätten, vermag die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht zu stützen. Eine Aktenwidrigkeit ist nämlich nur gegeben, wenn Feststellungen auf aktenwidriger Grundlage getroffen werden, das heißt, wenn der Inhalt einer Urkunde, eines Protokolls oder eines sonstigen Aktenstücks unrichtig wiedergegeben und infolgedessen ein fehlerhaftes Sachverhaltsbild der rechtlichen Beurteilung unterzogen wurde, nicht aber schon dann, wenn das auf Grund der Beweisaufnahme gewonnene Sachverhaltsbild bloß vom Parteienvorbringen abweicht. Die gegenständlichen Erwägungen der Tatsacheninstanzen, weshalb ein Sachverhalt als erwiesen angenommen oder bestimmte Feststellungen nicht getroffen werden können, fallen in das Gebiet der Beweiswürdigung, können daher keine Aktenwidrigkeit bilden (
[11] 4. Das Berufungsgericht hat den in der Berufung geltend gemachten erstinstanzlichen Verfahrensmangel, der darin liegen soll, dass das Gutachten hinsichtlich der Notdurftverrichtung mit dem Sachverständigen nicht erörtert worden sei, verneint. Ein bereits verneinter erstinstanzlicher Verfahrensmangel kann in der Revision nicht mehr erfolgreich geltend gemacht werden ( RS0042963 ).
[12] 5. Mangels erheblicher Rechtsfrage ist die außerordentliche Revision daher zurückzuweisen.
[13]6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit wurden nicht geltend gemacht und ergeben sich auch nicht aus der Aktenlage.
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