3Ob161/25k – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Brenn als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und die Hofräte Dr. Stefula und Mag. Schober als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K* MMC, *, vertreten durch Dr. Johannes Mayrhofer, Rechtsanwalt in Steyr, gegen die beklagte Partei I* GmbH, *, vertreten durch Mag. Stefan Tiefenbacher, Rechtsanwalt in Korneuburg, wegen 760.903,10 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 4. August 2025, GZ 2 R 81/25h 124, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Die Parteien standen in langjähriger Geschäftsbeziehung. Im Jahr 2015 kam es infolge eines Cyberangriffs aufgrund vermeintlicher (in Wahrheit von Betrügern manipulierter) Zahlungsanweisungen der Klägerin zu Überweisungen der Beklagten an unbekannte Dritte statt an die von der Klägerin tatsächlich gewünschten Empfänger.
[2] Das Berufungsgericht gab der auf Leistung der aushaftenden (weil in Wahrheit an unbekannte Dritte geflossenen) Kaufpreise gerichteten Klage im Ausmaß von 50 % statt und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
[3] In ihrer außerordentlichen Revision gelingt es der Beklagten nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen.
[4] 1. Der behauptete Verfahrensmangel liegt – wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat – nicht vor. Dass das Berufungsgericht den Standpunkt der Beklagten, sie habe gegen die Klageforderung außergerichtlich mit einem ihr gegen die Klägerin in identer Höhe zustehenden Schadenersatzanspruch aufgerechnet, teilweise als berechtigt ansah, indem es von einem gleichteiligen Verschulden der Parteien am Schadenseintritt ausging und dabei, wie die Beklagte moniert, den Mitverschuldenseinwand der Klägerin erstmals aufgriff, bewirkt keine unzulässige Überraschungsentscheidung. Eine solche läge nur dann vor, wenndie vom Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegte Rechtsauffassung vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz von keiner der beiden Parteien ins Treffen geführt und damit der Gegenseite keine Gelegenheit zur Stellungnahme geboten worden wäre (RS0037300 [T16]).
[5] 2. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte treffe ein gleichteiliges Mitverschulden am entstandenen Schaden, begründet keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung.
[6] Es trifft zwar zu, dass die Klägerin das erste für den Schadenseintritt kausale Fehlverhalten setzte, indem sie die von ihr mit Unterschrift und Firmenstempel versehene Zahlungsanweisung statt an die Beklagte an die bloß vermeintlich von deren Geschäftsführer, in Wahrheit jedoch von den Betrügern bekannt gegebene neue E Mail Adresse übersandte und so die Manipulation durch Änderung des Empfängernamens überhaupt erst ermöglichte. Der Umstand, dass es ohne dieses Fehlverhalten nicht zum Betrug hätte kommen können, kann allerdings entgegen der Ansicht der Beklagten die Annahme eines Mitverschuldens nicht von vornherein ausschließen. Vielmehr ist beiden Parteien der Vorwurf zu machen, dass ihre Organe dem Umstand, dass die Korrespondenz plötzlich von anderen (den bisher verwendeten ähnlichen) E Mail Accounts erfolgte, keine Bedeutung beigemessen haben. Ausgehend von den Feststellungen der Vorinstanzen wäre der Betrug auch dann verhindert worden, wenn der Geschäftsführer der Beklagten wegen der ihm aufgefallenen Umstände (neben der geänderten E Mail Adresse etwa auch die Änderung der Person des Zahlungsempfängers in der ersten manipulierten Rechnung) bei der Klägerin nachgefragt hätte.
[7]3. Der von der Beklagten in diesem Zusammenhang vermissten Feststellung, wonach die von der Beklagten im Rahmen der Geschäftsbeziehung geleisteten Direktzahlungen an Lieferanten der Klägerin für Letztere vorteilhaft gewesen seien, kommt keine Bedeutung zu. Gleiches gilt für die zusätzlich begehrte Feststellung, dass die Beklagte während des Zeitraums der Betrugsangriffe eine Überweisung erfolgreich auf das (richtige) Konto der Klägerin vorgenommen habe. Zu der von der Beklagten weiters begehrten Feststellung zu ihrer angeblich erfolgten Nachfrage bei der Klägerin wegen des in der ersten gefälschten Rechnung geänderten Empfängernamens hat das Erstgericht eine gegenteilige Feststellung getroffen (vgl RS0053317 [T1]).
[8] Soweit die Beklagte das Fehlen von Feststellungen moniert, wonach ihr Geschäftsführer der Geschäftsführerin der Klägerin während der Betrugsvorfälle auch eine E Mail an deren richtigen E Mail Account gesandt habe, die Nachrichten aus dem E Mail Verkehr der Beklagten mit dem gefälschten E Mail Account beinhaltet habe, fehlt es ebenfalls an der rechtlichen Relevanz. Die Weiterleitung von in Wahrheit von den Betrügern stammenden E Mails bloß im Anschluss oder im Anhang einer anderen Träger E Mail hat nämlich einen wesentlich geringeren Auffälligkeitswert als eine einzige (Haupt )E Mail und kann eine unmittelbare Nachfrage wegen der geänderten E Mail Adresse nicht ersetzen.
[9] 4. Inwiefern es sich bei den manipulierten Rechnungen um wirksame Zahlungsanweisungen der Klägerin gehandelt haben soll, vermag die Beklagte in ihrem Rechtsmittel nicht nachvollziehbar darzulegen.
[10] 5. Mangels erheblicher Rechtsfrage ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen.