JudikaturOGH

3Ob140/25x – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. September 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Brenn als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und die Hofräte Dr. Stefula und Mag. Schober als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. M*, vertreten durch die ENGINDENIZ Rechtsanwälte für Immobilienrecht GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Stadtgemeinde *, vertreten durch die JuS Juri Schuster Thon Zankl Rechtsanwälte GmbH in Wolfsberg, wegen 106.700 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 3. Juli 2025, GZ 3 R 105/25y-61, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Die Klägerin kam am Vormittag des 23. Dezember 2022 auf einer im Gemeindegebiet der Beklagten gelegenen Siedlungsstraße im ländlichen Gebiet auf ca 1.600 m Seehöhe zu Sturz, als sie in Skischuhen zur nahegelegenen Skipiste ging.

[2] Die Vorinstanzenwiesen das auf die Wegehalterhaftung nach § 1319a ABGB gestützte Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

[3] Der Klägerin gelingt es in ihrer außerordentlichen Revision nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen.

[4]1. Der Umfang der Streupflicht richtet sich nach dem Verkehrsbedürfnis und der Zumutbarkeit entsprechender Maßnahmen (RS0029997). An die Streupflicht auf offenen Freilandstraßen dürfen keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden (RS0023431). Das Merkmal der Zumutbarkeit erfordert die Berücksichtigung dessen, was nach allgemeinen und billigen Grundsätzen erwartet werden kann. Welche Maßnahmen ein Wegehalter im Einzelnen zu ergreifen hat, richtet sich danach, was nach Art des Weges, besonders nach seiner Widmung, seiner geografischen Situierung in der Natur und dem Verkehrsbedürfnis angemessen und nach objektiven Maßstäben zumutbar ist. Es kommt im jeweils zu prüfenden Einzelfall darauf an, ob der Wegehalter die ihm zumutbaren Maßnahmen getroffen hat, um eine gefahrlose Benützung gerade dieses Weges zu erreichen. Eine abschließende Umschreibung der Pflichten des Wegehalters ist infolge der Einzelfallbezogenheit nicht möglich, weshalb auch die Frage nach dem Umfang der Streupflicht im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage aufwirft (2 Ob 21/05k mwN).

[5]2. Unter grober Fahrlässigkeit iSd § 1319a ABGB ist eine auffallende Sorglosigkeit zu verstehen, bei der die gebotene Sorgfalt nach den Umständen des Falls in ungewöhnlicher Weise verletzt wird und der Eintritt des Schadens nicht nur als möglich, sondern geradezu als wahrscheinlich vorauszusehen ist (RS0030171), etwa wenn der sich aus dem Wegzustand ergebenden Gefahr durch lange Zeit nicht begegnet wird (RS0030171 [T3]).

[6] 3. Die Auffassung des Berufungsgerichts, wonach dem festgestellten Sachverhalt kein Anhaltspunkt für ein grobes Verschulden der Leute der Beklagten ersichtlich sei, stellt keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung dar.

[7]4. Die von der Klägerin ins Treffen geführte Entscheidung zu 2 Ob 78/18m betraf eine hier nicht vorliegende Konstellation – aufgrund der konkreten geografischen Lage war dort auf einem viel begangenen Weg durch eine Flutmulde bei Abwechseln von Tau- und Frostwetter die Gefahr von Vereisungen an der späteren Unfallstelle, der Sohle der Mulde, massiv erhöht, was besondere Sorgfalt beim Winterdienst erforderlich machte – und ist daher nicht einschlägig.

[8] 5. Inwiefern der von der Klägerin in ihrem Rechtsmittel hervorgehobene Umstand relevant sein soll, dass die Straße am Unfalltag erst um 10:15 Uhr (rund eine halbe Stunde vor dem Sturz der Klägerin) gestreut wurde, obwohl bereits in der Früh Eisregen herrschte, vermag sie nicht schlüssig darzulegen.

[9] 6. Mangels erheblicher Rechtsfrage ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen.