JudikaturOGH

11Os90/25g – OGH Entscheidung

Entscheidung
Strafrecht
09. September 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. September 2025 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz, Dr. Oberressl, Dr. Brenner und Mag. Riffel in Gegenwart der Rechtspraktikantin Schurich LL.M., LL.M. als Schriftführerin in der Strafsache gegen * S* wegen des Vergehens der beharrlichen Verfolgung nach § 107a Abs 1, Abs 2 Z 1 und 2, Abs 3 erster Fall StGB, AZ 64 Hv 92/23i des Landesgerichts Salzburg, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil und den zugleich gefassten Beschluss dieses Gerichts vom 25. September 2023 (ON 15) erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur Generalanwältin Dr. Schreiber LL.M., zu Recht erkannt:

Spruch

Im Verfahren AZ 64 Hv 92/23i des Landesgerichts Salzburg verletzen

1./ das Urteil vom 25. September 2023 (ON 15) im Unter bleiben der Bedachtnahme auf das Urteil des Bezirksgerichts Zell am See vom 13. Februar 2023, GZ 30 U 10 9 /22d43, § 31 Abs 1 erster Satz StGB und

2./ der zugleich mit dem Urteil gefasste Beschluss (ON 15 S 3), soweit mit diesem vom Widerruf der mit Urteil des Bezirksgerichts Zell am See vom 13. Februar 2023, GZ 30 U 10 9 /22d43, gewährten bedingten Strafnachsicht abgesehen und die Probezeit auf fünf Jahre verlängert wurde, § 53 Abs 1 erster Satz und Abs 3 erster Satz StGB.

Das erwähnte Urteil, das sonst unberührt bleibt, wird im Strafausspruch, demzufolge derzugleich gefasste, auf § 494a StPO gestützte Beschluss aufgehoben und es wird die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Salzburg verwiesen.

Text

Gründe:

[1] Mit (am 17. Februar 2023 in Rechtskraft erwachsenem, gekürzt ausgefertigtem) Urteil des Bezirksgerichts Zell am See vom 13. Februar 2023, GZ 30 U 109/22d43, wurde * S* der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall, Abs 2 SMG und weiterer strafbarer Handlungen schuldig erkannt und zu einer für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zehn Wochen verurteilt (ON 9 im Akt AZ 64 Hv 92/23i des Landesgerichts Salzburg).

[2] Mit ebenso gekürzt ausgefertigtem Urteil vom 25. September 2023 (rechtskräftig seit 29. September 2023), GZ 64 Hv 92/23i15, verurteilte das Landesgericht Salzburg * S* wegen des (im Zeitraum von Jänner 2021 bis März 2022 begangenen) Vergehens der beharrlichen Verfolgung nach § 107a Abs 1, Abs 2 Z 1 und 2, Abs 3 erster Fall StGB zu einer (für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafe von zehn Monaten und einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen (für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafe von 60 Tagen).

[3]Zugleich fasste die Einzelrichterin den auf § 494a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO gestützten (ebenfalls unangefochten gebliebenen) Beschluss, neben dem Absehen vom Widerruf einer weiteren, in einem Urteil des Bezirksgerichts Zell am See vom 24. November 2021 (zu AZ 30 U 7/21b) gewährten bedingten Strafnachsicht (auch) vom Widerruf der mit dem eingangs bezeichneten Urteil dieses Bezirksgerichts (zu AZ 30 U 109/22d) gewährten bedingten Strafnachsicht abzusehen, jedoch die zu Letzterer bestimmte Probezeit auf fünf Jahre zu verlängern (ON 15 S 3).

Rechtliche Beurteilung

[4] Wie die Generalprokutur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt, stehen das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 23. September 2023 und der zugleich gefasste Beschluss auf Absehen vom Widerruf und Verlängerung der mit Urteil des Bezirksgerichts Zell am See vom 13. Februar 2023 gewährten Probezeit auf fünf Jahre mit dem Gesetz nicht in Einklang:

[5]1./ Wird jemand, der bereits zu einer Strafe verurteilt worden ist, wegen einer anderen Tat verurteilt, die nach der Zeit ihrer Begehung schon in dem früheren Verfahren hätte abgeurteilt werden können, so ist nach § 31 Abs 1 erster Satz StGB eine Zusatzstrafe zu verhängen oder – wenn bei gemeinsamer Aburteilung keine höhere Strafe als die im früheren Urteil verhängte auszusprechen wäre – gemäß § 40 zweiter Satz StGB von einer solchen abzusehen.

[6] Soweit das Landesgericht Salzburg in Kenntnis (vgl ON 9, 12; O N 15 S 3) des zu AZ 30 U 109/22d des Bezirksgerichts Zell am See ergangenen (und seit 17. Februar 2023 rechtskräftigen) Urteils * S* wegen eines (im Zeitraum von Jänner 2021 bis März 2022 begangenen) Vergehens schuldig erkannte und über ihn eine Freiheitsund Geldstrafe verhängte, ohne auf diese Vorverurteilung Bedacht zu nehmen, verletzte es § 31 Abs 1 erster Satz StGB.

[7]2./ Gemäß § 53 Abs 1 erster Satz StGB kommt der Widerruf einer bedingten Strafnachsicht oder bedingten Entlassung – abgesehen von den hier nicht relevanten Ausnahmen des § 53 Abs 1 letzter Satz StGB – nur bei einer Verurteilung des Rechtsbrechers wegen einer während der Probezeit begangenen strafbaren Handlung in Betracht (RISJustiz RS0112811, RS0092019). Wird die bedingte Strafnachsicht oder die bedingte Entlassung in einem solchen Fall nicht widerrufen, kann das Gericht die Probezeit bis auf höchstens fünf Jahre verlängern (§ 53 Abs 3 erster Satz StGB).

[8]Die dem in Rede stehenden Beschluss vom 25. September 2023 (ON 15 S 3) zugrunde liegende strafbare Handlung wurde im Zeitraum von Jänner 2021 bis März 2022 begangen, somit noch vor Rechtskraft des Urteils des Bezirksgerichts Zell am See vom 13. Februar 2023 und demzufolge auch vor Beginn der zu jenem Verfahren bestimmten Probezeit (§ 49 erster Satz StGB). Es lag daher kein Anwendungsfall des § 53 StGB vor, weshalb dieser Beschluss insoweit§ 53 Abs 1 erster Satz und Abs 3 erster Satz StGB verletzt.

[9] Schon hinsichtlich der zu 1./ aufgezeigten Gesetzesverletzung kann ein Nachteil des Verurteilten nicht ausgeschlossen werden . Die Feststellung der Gesetzesverletzung war daher mit deraus dem Spruch ersichtlichen konkreten Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO).

[10] Vo n den aufgehobenen Aussprüchen rechtslogisch abhängige Entscheidungen und Verfügungen gelten gleichermaßen als beseitigt (RISJustiz RS0100444).