JudikaturOGH

6Ob6/25p – OGH Entscheidung

Entscheidung
Gesellschaftsrecht
13. August 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer Zeni Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache der im Firmenbuch zu FN * eingetragenen P* GmbH, *, wegen Bestellung eines Notgeschäftsführers, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin H* GmbH, FN *, vertreten durch Urbanek Rudolph Rechtsanwälte OG in St. Pölten, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 9. Dezember 2024, GZ 6 R 237/24b 28, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Text

Begründung:

[1] Die Vorinstanzen wiesen den Antrag der Gläubigerin auf Bestellung eines Notgeschäftsführers für die Gesellschaft ab.

Rechtliche Beurteilung

[2]Der außerordentliche Revisionsrekurs der Gläubigerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf:

[3] 1.1. Die Bestellung eines Notgeschäftsführers (§ 15a GmbHG) soll ein Vertretungsdefizit beseitigen, nicht aber dazu dienen, Rechtshandlungen der Gesellschaft zu erzwingen (6 Ob 71/19p [ErwGr 2.]; vgl 6 Ob 26/19w [ErwGr 2.2.]; RS0059994 [T4]). Aus der Sicht eines Gläubigers ist ein dringender Bestellungsgrund nur gegeben, wenn ein Anspruch gegen die Gesellschaft wegen Wegfalls aller passiv vertretungsberechtigten Personen nicht durchgesetzt werden kann (6 Ob 26/19w [ErwGr 2.2.]; vgl 6 Ob 26/08d). Zweck des § 15a GmbHG ist es, die Rechtsdurchsetzung gegen die Gesellschaft auch dann zu ermöglichen, wenn keine Organe zu deren Vertretung vorhanden sind; ist die Gesellschaft hingegen rechtlich uneingeschränkt handlungsfähig, so besteht für die Bestellung eines Notgeschäftsführers kein Raum (6 Ob 26/19w [ErwGr 2.1.]; 6 Ob 10/06y).

[4]1.2. Dem im Gesetz genannten Fall des Fehlens der Geschäftsführer sind die Fälle gleichzuhalten, in denen das zur Vertretung der Gesellschaft berufene Organ zwar ausreichend besetzt, die Vertretung jedoch infolge Weigerung einzelner oder aller Geschäftsführer, ihr Amt zu erfüllen, lahmgelegt (RS0060010) oder das Organ aus rechtlichen oder faktischen Gründen daran gehindert ist, sein Amt auszuüben (6 Ob 26/19w [ErwGr 2.1.]). Die Bestellung eines Notgeschäftsführers ist hingegen unzulässig, wenn ein Geschäftsführer bloß einzelne Geschäftsführungsakte ablehnt (6 Ob 71/19p [ErwGr 2.]; vgl RS0059994). In diesem Fall muss Klage gegen die Gesellschaft erhoben werden, zumal es nicht Zweck des Verfahrens nach § 15a GmbHG ist, ein zusätzliches Verfahren zur Klärung normalerweise im Streitverfahren durchzusetzender Ansprüche zu eröffnen (6 Ob 26/19w [ErwGr 2.2.]). Die Bestellung eines Notgeschäftsführers dient nicht der Überwindung der Leistungsunwilligkeit der Gesellschaft. Der Umstand, dass die Gesellschaft in Person des alleinvertretungsbefugten Geschäftsführers behaupteten Verpflichtungen gegenüber der Antragstellerin nicht nachkommt, begründet kein Interesse an der Bestellung eines anderen Geschäftsführers (6 Ob 67/18y [ErwGr 2.1. f]).

[5]1.3. Die Frage, ob bzw wann ein Notgeschäftsführer zu bestellen ist, ist einzelfallbezogen zu beurteilen und wirft regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage auf (RS0059994 [T5]; 6 Ob 26/19w [ErwGr 2.3.]).

[6] 2. Im vorliegenden Fall ist der wirtschaftliche Eigentümer der Gesellschaft zu ihrem a lleinigen selbständig vertretungsbefugten Geschäftsführer bestellt. Nach dem Vorbringen der Gläubigerin hat sie mit der Gesellschaft einen Kaufvertrag über eine Eigentumsw ohnung geschlossen. Die Wohnung sei bis dato nicht ordnungsgemäß fertiggestellt und nicht übergeben. Die Gesellschaft sei mit ihren Leistungen in Verzug, die Gläubigerin habe die Verzugsschäden bei Gericht geltend gemacht, aber bisher nicht exekutiv einbringlich machen können.

[7] 3.1. Das Rekursgericht war der Ansicht, wirksame Zustellungen an die Gesellschaft und ihren Geschäftsführer seien möglich, es sei auch die tatsächliche Behebung der hinterlegten Sendungen durch den Geschäftsführer persönlich erfolgt. Für eine generelle Amtsverweigerung des Geschäftsführers lägen keine Anhaltspunkte vor. Dass der Geschäftsführer mit der Antragstellerin nicht kommuniziere, könne im Verfahren zur Bestellung eines Notgeschäftsführers ebenso wenig erzwungen werden wie ein aktives Handeln. Damit sei aber nicht von einem gänzlichen Fehlen passiv vertretungsberechtigter Personen auszugehen. Die Gesellschaft verfüge über einen Geschäftsführer, der seiner passiven Vertretungspflicht auch nachkomme. D ie Antragstellerin werde – wie sie das auch bisher bereits getan habe – zur Durchsetzung ihrer behaupteten Ansprüche den Rechtsweg beschreiten müssen.

[8]3.2. Diese Beurteilung findet Deckung in den erörterten Rechtsprechungsgrundsätzen. Auch im gegenständlichen Verfahren zur Bestellung eines Notgeschäftsführers ist der Geschäftsführer für die Gesellschaft eingeschritten. Warum im konkreten Fall eine Klagsführung gegen die Gesellschaft nicht möglich oder zumutbar sein soll (obwohl die Gläubigerin in dieser Sache bereits mehrere Prozesse gegen die Gesellschaft geführt hat), legt auch der Revisionsrekurs nicht nachvollziehbar dar. Zur Überwindung der Leistungsunwilligkeit der Gesellschaft dient das Exekutionsverfahren, nicht hingegen die Bestellung eines Notgeschäftsführers (6 Ob 67/18y [ErwGr 2.2.]).