11Os69/25v – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Juli 2025 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz, Dr. Oberressl, Dr. Brenner und Mag. Riffel in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Ebner als Schriftführerin in der Strafsache gegen * V* und andere Angeklagte wegen Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 4 Z 3 SMG sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten * R* gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 21. Februar 2025, GZ 43 Hv 83/24t116.5, sowie über die Beschwerde des Genannten gegen den zugleich ergangenen Beschluss gemäß § 494a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten * R* fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1]Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – * V* (I A und B) und * R* (I B) jeweils eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 4 Z 3 SMG schuldig erkannt.
[2] Danach haben sie in W*
(I) vorschriftswidrig Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, und zwar
(A) V* vom Jahr 2022 bis Anfang Oktober 2024 zusammen 22,6 Kilogramm Cannabiskraut (enthaltend 2.735,6 Gramm THCA und 207,9 Gramm Delta 9 THC) und 1.090 Gramm Kokain (enthaltend 612,8 Gramm Cocain-Base), indem er es in einer Vielzahl von Angriffen verschiedenen Abnehmern übergab, sowie
(B) R* am 7. Oktober 2024, indem er 500 Gramm Kokain (mit einem Wirkstoffgehalt von 95 % an Cocain-Base [US 10]) von einem Lieferanten „übernahm und“ an V* übergab, der ihn seinerseits durch entsprechende Aufforderung „zur Ausführung der Tat bestimmt“ (§ 12 zweiter Fall StGB) hatte.
Rechtliche Beurteilung
[3]Gegen den ihn betreffenden Schuldspruch I B wendet sich die aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten R*.
[4] Seine den angefochtenen Schuldspruch tragenden Feststellungen (US 10 f) erschloss das Schöffengericht in vernetzter Betrachtung einer Mehrzahl von Beweisergebnissen – darunter der (nur das äußere Tatgeschehen einräumenden) Verantwortung des Beschwerdeführers und des Wortlauts mehrerer „Chatprotokolle“ – und daran geknüpfter Plausibilitätserwägungen (US 16 bis 23).
[5] Dem Vorwurf der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider hat es die den Beschwerdeführer (in subjektiver Hinsicht) entlastenden Angaben des V* in der Hauptverhandlung (ON 116.4, 10 ff) dabei nicht „mit Stillschweigen übergangen“, sondern – ausdrücklich – als unglaubhaft verworfen (US 16 f und 19).
[6]Soweit die Rüge einen – im Rechtsmittel isoliert hervorgekehrten – Teil des Referats dieser Einlassung in den Urteilsgründen, wonach V* „[ein]gestand[en]“ habe, „seinen Bruder aufgefordert zu haben, die 500 g reines Kokain […] abzuholen und zu ihm zu bringen“ (US 16), als aktenwidrig (Z 5 fünfter Fall) bezeichnet, versäumt sie es, die Gesamtheit der diesbezüglichen Entscheidungsgründe in den Blick zu nehmen (siehe aber RIS-Justiz RS0119370). Darin kommt nämlich unmissverständlich zum Ausdruck, dass sich die angesprochene Urteilsaussage bloß auf das Eingeständnis des V*, R* zur Abholung des betreffenden „Paket[s]“ (US 17) aufgefordert zu haben, (gerade) nicht jedoch darauf bezieht, jener hätte den Beschwerdeführer auch davon in Kenntnis gesetzt, dass dieses Suchtgift enthalte.
[7]Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO sei hinzugefügt, dass die vom (unbekämpften) Schuldspruch I B des V* (mit-)umfasste, festgestellte Aufforderung zur Suchtgiftübergabe an ihn selbst(US 10) – für sich genommen – eine rechtliche Beurteilung dieses Verhaltens nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 fünfter Fall (und Abs 4 Z 3) SMG nicht zuließe. Denn „Überlassen“ von Suchtgift setzt die (intendierte) Weitergabe an einen „anderen“, also eine vom (hier: Bestimmungs-)Täter verschiedene Person, voraus (14 Os 26/19h SSt 2019/31 [mwN], RIS-Justiz RS0132558 und RS0118879 [T1]). Da schon die zu I A festgestellte – von V* im Rahmen einer tatbestandlichen Handlungseinheit Dritten überlassene (US 8 f und 10 f) – Suchtgiftmenge das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge überschreitet, trägt das Feststellungssubstrat gleichwohl die Subsumtion (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) der vom Schuldspruch I umfassten Verhaltensweisen dieses Angeklagten als ein Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 4 Z 3 SMG (zu überschüssigen Feststellungen siehe Ratz , WK-StPO § 282 Rz 14), weshalb es mit diesem Hinweis sein Bewenden hat.
[8]Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
[9]Über die Berufung und die Beschwerde hat das Oberlandesgericht zu entscheiden (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).
[10]Der Kostenausspruch gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.