JudikaturOGH

10Ob35/25g – OGH Entscheidung

Entscheidung
Kindschaftsrecht
10. Juli 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Nowotny als Vorsitzenden sowie den Vizepräsidenten Hon. Prof. PD Dr. Rassi und die Hofräte Dr. Annerl und Dr. Vollmaier sowie die Hofrätin Dr. Wallner Friedl als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen *, vertreten durch die Mutter G*, diese vertreten durch Dr. Anke Reisch, Rechtsanwältin in Baden, wegen Unterhalt, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Minderjährigen gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 16. April 2025, GZ 55 R 158/24z 55, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Die Antragstellerin, vertreten durch ihre Mutter, stellte im Dezember 2023 den Antrag, den Vater zur Zahlung des laufenden Unterhalts zu verpflichten.

[2] Der Vater der Minderjährigen befindet sich seit November 2023 in Untersuchungshaft und begehrte die Befreiung seiner Unterhaltsverpflichtung für die Dauer der Haft ab Dezember 2023.

[3]Die Mutter der Minderjährigen erteilte als gesetzliche Vertreterin des Kindes am 3. Jänner 2024 gemäß § 208 ABGB die Zustimmung zur Festsetzung und Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs ab 3. Jänner 2024 sowie für sonstige Angelegenheiten nach § 208 Abs 3 ABGB tätig zu werden. Die Bezirkshauptmannschaft *, Kinderund Jugendhilfeträger, beantragte mit Eingabe vom 4. Jänner 2024 die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nach § 4 Z 3, § 6 Abs 2 UVG.

[4]Mit Beschluss vom 4. Jänner 2024 wurde der Minderjährigen ab 1. Jänner 2024 Unterhaltsvorschuss nach § 4 Z 3 UVG gewährt. Dieser Beschluss wurde der Bezirkshauptmannschaft * am 5. Jänner 2024 zugestellt.

[5] Das Erstgericht wies den Unterhaltsantrag der Tochter ab und gab dem Antrag des Vaters auf Befreiung von seiner Unterhaltsverpflichtung statt.

[6] Das Rekursgericht wies den dagegen erhobenen Rekurs der Minderjährigen, vertreten durch ihre Mutter, als unzulässig zurück. Der Träger der Kinderund Jugendhilfe sei mit der Zustellung des Beschlusses über die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nach § 9 Abs 2 UVG ausschließlicher Vertreter des Kindes zur Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen geworden. Die Mutter habe damit ihr Rechtsmittelrecht in allen Angelegenheiten des Unterhalts und des Unterhaltsvorschusses verloren. Diese ex lege eintretende Vertretungsbefugnis des Kinder und Jugendhilfeträgers könne auch nicht wirksam durch die sonstige gesetzliche Vertreterin der Minderjährigen widerrufen werden. Ein Beitritt durch den Kinder und Jugendhilfeträger sei nicht erfolgt. Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[7] Der dagegen erhobene außerordentliche Revisionsrekursder Minderjährigen, vertreten durch ihre Mutter, ist mangels Darlegung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.

[8]1. Der Jugendwohlfahrtsträger wird gemäß § 9 Abs 2 UVG mit der an ihn erfolgten (10 Ob 35/12p; 10 Ob 5/24v ua) Zustellung des Beschlusses, mit dem Vorschüsse gewährt werden, alleiniger gesetzlicher Vertreter des minderjährigen Kindes zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche. Die ausschließliche Vertretungsbefugnis tritt ex lege ein, weshalb es weder eines gesonderten Bestellungsbeschlusses noch einer Zustimmung des allgemeinen gesetzlichen Vertreters des Kindes entsprechend § 208 Abs 2 ABGB idF KindNamRÄG 2013 (§ 212 Abs 2 ABGB aF) bedarf. Die Befugnis zur Rechtsdurchsetzung und Rechtsverteidigung in den Unterhaltsangelegenheiten des Kindes steht dann nur mehr dem Jugendwohlfahrtsträger zu, während der sonstige gesetzliche Vertreter insoweit sein Vertretungsrecht verliert ( RS0047441 [T12]). Sie schließt Vertretungshandlungen eines sonstigen gesetzlichen Vertreters aus ( RS0076450 ). Dies gilt auch in Fällen, in denen über einen vor Beginn der Vertretungsbefugnis des Trägers der Kinder und Jugendhilfe gestellten Antrag erst nach Beginn der Vertretung durch den Kinder- und Jugendhilfeträger entschieden wird ( RS0076463 [T1]).

[9]2. Es kommt weder ein schriftlicher Widerruf der Zustimmung noch eine konkurrierende Vertretungsbefugnis in Betracht, weil das Einschreiten des sonstigen gesetzlichen Vertreters die mit der zwingenden gesetzlichen Vertretung nach dem UVG verfolgten Ziele vereiteln könnte ( RS0076463 [T7]). Eine ausdrückliche oder indirekte Einschränkung der Vertretung des Jugendwohlfahrtsträgers oder ein Vertretungswiderruf ist nicht zulässig ( RS0076463 [T8]).