JudikaturOGH

7Ob45/25f – OGH Entscheidung

Entscheidung
Unternehmensrecht
25. Juni 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätin und die Hofräte Dr. Weber, Mag. Fitz, Mag. Jelinek und MMag. Dr. Dobler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V* GmbH Co KG, *, vertreten durch die Aigner Rechtsanwalts-GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei I* AG, *, vertreten durch die Blumauer Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 1.395.293,60 EUR sA und Feststellung, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 12. Dezember 2024, GZ 3 R 137/24y 25, mit dem das Urteil des Landesgerichts Linz vom 12. September 2024, GZ 11 Cg 54/23i-20, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 4.291,98 EUR (darin enthalten 715,33 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1] Ing. G* W* (in weiterer Folge: Überträger) beteiligte sich im Jahr 2013 als Kommanditist an einem Bauherrenmodell der B eklagten im 8. Wiener Gemeindebezirk.

[2] Zwischen ihm und der Klägerin wurde am 22. 5. 2020 ein Übertragungsvertrag geschlossen, mit dem insgesamt vier Kommanditanteile, darunter die Beteiligung am Bauherrenmodell im 8. Wiener Gemeindebezirk, sowie drei Wertpapierdepots unentgeltlich an die Klägerin übertragen wurden. Der Geschäftsführer der Klägerin (in weiterer Folge: Geschäftsführer) ist der Enkel des 2022 verstorbenen Überträgers. Ziel der Vereinbarung war es, die Bauherrenmodelle des Überträgers in Form von Kommanditbeteiligungen an die Klägerin zu übertragen, um diese gebündelt – auch nach seinem Ableben – zu verwalten.

[3] Der Vertrag lautet (auszugsweise):

Übertragungsvertrag

[…]

I. Herr Ing. G* W* ist Gesellschafter nachstehender Kommanditgesellschaften:

[…]

c) 'D*' * GmbH Co KG, *, Kommanditanteil 3 % (Hafteinlage EUR 553.200,00 von EUR 18,440.000,00), Anschaffungskosten EUR 926.972,00 (Datum: 13. 12. 2013),

[...]

II.

Gegenstand dieses Übertragungsvertrages bilden die unter Punkt I. angeführten Vermögenswerte.

III.

Herr Ing. G* W* überträgt nunmehr die unter Punkt I. angeführten Vermögenswerte mit allen Rechten und Pflichten, wie er diese ausgeübt hat oder auszuüben berechtigt war, an die V* GmbH Co KG, * und erklärt die Gesellschaft die Vertragsannahme.

[4] Allfällige Schadenersatzansprüche aus dem ursprünglichen Titelgeschäft gegen die Beklagte oder dergleichen wurden im Zusammenhang mit der Erstellung und Unterfertigung dieses Übertragungsvertrags nicht besprochen.

[5] Gegen Ende des Jahres 2020 kam es zu ersten Gesprächen zwischen dem Überträger und dem Geschäftsführer bezüglich einer sozialen Nutzungseinschränkung beim gegenständlichen Projekt und einer damit verbundenen Ertragseinschränkung des Investments. Mit Februar 2022, als die Nutzungseinschränkung aufgrund des Flächenwidmungsplans deutlich wurde, teilte der Überträger dem Geschäftsführer mit, dass juristische Optionen zu prüfen seien.

[6] Die Klägerin begehrt 1.395.293,60 EUR sA Zug um Zug gegen die Übertragung der Kommanditanteile sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für zukünftige Schäden. Die Beklagte habe vorvertragliche Informationspflichten verletzt und einen irreführenden Prospekt über die Beteiligung am Bauherrenmodell erstellt. Ing. W* habe der Klägerin sämtliche Rechte und Ansprüche übertragen, die ihm vor der Übertragung im Zusammenhang mit der Beteiligung zugestanden seien, einschließlich der Schadenersatzansprüche.

[7] Die Beklagte wendet – soweit im Rekursverfahren wesentlich – ein, die Klägerin habe nur die Kommanditanteile an der Projektgesellschaft selbst übertragen erhalten. Eine Übertragung weiterer Rechte, wie des behaupteten Schadenersatzanspruchs, sei nicht vereinbart worden.

[8] Das Erstgericht wies die Klage ab. Mit der in Punkt III. des Übertragungsvertrags gebrauchten Formulierung sei keine Abtretung für im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht bekannte, sondern lediglich mögliche juristische Ansprüche zu erblicken.

[9] Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung der Klägerin Folge und hob das Urteil des Erstgerichts zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung auf. Die behaupteten Ansprüche seien bei Abschluss des Übertragungsvertrags bereits entstanden gewesen, wei l die Klägerin die Ansprüche auf eine Fehlberatung stütze und in diesem Fall der Schaden mit dem Erwerb der nicht gewünschten Vermögenswerte eingetreten sei. Die Aktivlegitimation der Klägerin sei aufgrund einer einfachen Vertragsauslegung zu bejahen, weil schon der klare Wortlaut der Vereinbarung dafür spreche, dass alle mit den Kommanditanteilen verbundenen Rechte auf die Klägerin übergegangen seien.

Rechtliche Beurteilung

[10] Der Rekurs der Beklagten ist, ungeachtet des – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Zulassungsausspruchs des Berufungsgerichts in Ermangelung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn von § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

[11] 1. Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor.

[12] 1.1 Mit dem Einwand, das Berufungsgericht habe sich ohne entsprechende Feststellungen und somit willkürlich auf die Rechtsprechung zur fehlerhaften Anlageberatung gestützt, macht die Beklagte eine unrichtige rechtliche Beurteilung geltend.

[13] 1.2 Gegenstand de r Berufungsentscheidung war ausschließlich die Beurteilung der Aktivlegitimation der Klägerin für den von ihr behaupteten Anspruch. Hier zu ist auf das erstattete Vorbringen abzustellen.

[14] Die inhaltliche Berechtigung des Anspruchs war bislang kein Thema und wird im fortgesetzten Verfahren anhand der erst zu treffenden Feststellungen zu prüfen sein. Sekundäre Feststellungsmängel liegen daher nicht vor.

[15] 2 . Die Auslegung von Erklärungen und Verhaltensweisen eines Vertragsteils hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab und könnte nur dann eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO darstellen, wenn wegen einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis vorläge (vgl RS0044298; RS0042871).

[16] Bei Auslegung einer Willenserklärung nach den §§ 914 ff ABGB ist zunächst vom Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung auszugehen, dabei aber nicht stehen zu bleiben, sondern der Wille der Parteien, das ist die dem Erklärungsempfänger erkennbare Absicht des Erklärenden zu erforschen. Es ist auf die konkreten Umstände, wie den Geschäftszweck und die Interessenlage hierbei Bedacht zu nehmen sowie das Gesamtverhalten der Parteien zu berücksichtigen (RS0017915 [T2, T32]). Bei der Vertragsauslegung ist auch das dem Abschlu ss vorangehende oder nachfolgende Verhalten der Vertragspartner zur Beurteilung der Parteiabsicht heranzuziehen (RS0017815; RS0017915 [T37]).

[17] 2.1 Die Ansicht des Berufungsgerichts, schon die einfache Vertragsauslegung führe zum Ergebnis, dass auch die von der Klägerin verfolgten Ansprüche auf diese übertragen wurden, ist aus folgenden Erwägungen nicht korrekturbedürftig:

[18] 2.2 Gegenstand der im Rekurs dagegen ins Treffen geführte Entscheidung 8 Ob 144/17k war der Übergang von Gewährleistungs- bzw Schadenersatzansprüchen des Voreigentümers gegen einen von ihm mit der Errichtung einer Solaranlage beauftragten Werkunternehmer auf den Erwerber der Liegenschaft, der diese mit allen Rechten und Pflichten sowie Vorteilen, mit denen der Verkäufer die Liegenschaft bisher besessen und benützt hat bzw zu besitzen und benützen berechtigt war, gekauft hatte. Der Übergang der Gewährleistungs- bzw Schadenersatz ansprüche wurde bei einem zwischen den Kaufvertragsparteien vereinbarten Gewährleistungsausschluss im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung bejaht.

[19] 2.3 Der Konnex zwischen den von der Klägerin behaupteten Ansprüchen aus Prospekthaftung bzw der Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten beim Erwerb einer der Vermögensanlage dienenden Kommanditbeteiligung und den Rechten, die sich aus diesen Kommanditanteilen ergeben, ist mit jenem bei Gewährleistungsansprüchen aus einem Auftrag zur Herstellung eines erst mit dem Kaufgegenstand zu verbindenden Werks nicht vergleichbar.

[20] Dies ergibt sich schon insofern aus dem Wortlaut des Übertragungsvertrags, als dort in den Punkten II. und III. die Kommanditbeteiligungen und die Wertpapierdepots zusammengefasst als Vermögenswerte bezeichnet werden, es den Parteien somit um die Übertragung des Werts der Veranlagungen ging, wobei dieser direkt von den hier strittigen Ansprüchen abhängig ist.

[21] 2.4 Hinzu kommen der für die Beurteilung der Parteienabsicht nach der zitierten Rechtsprechung wesentliche Geschäftszweck des Übertragungsvertrags und das nachträgliche Verhalten der Vertragsparteien. Nach den Feststellungen war hier das Ziel die gebündelte Verwaltung der Bauherrenmodelle und der Überträger forderte den Geschäftsführer im Jahr 2022 auf, juristische Optionen zu prüfen, weil Nutzungseinschränkungen aus dem Flächenwidmungsplan zu Ertragseinbußen des Investments zu führen drohten.

[22] 3. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen (RS0123222 [T8, T14]).