JudikaturOGH

12Os37/25w – OGH Entscheidung

Entscheidung
Strafrecht
11. Juni 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Juni 2025 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als Vorsitzende sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Oshidari, Dr. Setz Hummel LL.M., Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Sadoghi in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Artner in der Strafsache gegen *P* wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom 19. Dezember 2024, GZ 601 Hv 6/24d 88.6, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht Wien zu.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde * P* – soweit hier relevant – desVerbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er am 14. Juli 2024 in W* * E* vorsätzlich zu töten versucht, indem er auf den Genannten mehrfach mit der Faust, insbesondere auf dessen Kopf, einschlug, wodurch dieser zu Boden fiel, sodann mit einem Messer mit einer Klingenlänge von circa 20 cm mehrere Stichbewegungen in Richtung des Oberkörpers sowie des Kopf- und Halsbereichs des E* ausführte und dabei in dessen Gesicht im Bereich des rechten Unterkiefers einstach, wodurch er eine Blutung in die weiche Schädeldecke (Galeahämatom) in der rechten hinteren oberen Scheitelregion, eine geringgradige frische Einblutung in den Spinngewebsraum des Gehirns im Verlauf der Sylvischen Fissur angrenzend an die mittlere Gehirnschlagader rechts (Subarachnoidalblutung), einen unverschobenen Nasenbeinbruch, eine circa einen Zentimeter messende „Stich-/Schnittverletzung“ im linken Mundwinkel, eine tiefreichende „Stich-/Schnittverletzung“ im Bereich der Unterlippe mit Bruch der Unterkieferprothese, eine kleine Ausrissfraktur am Unterkieferknochen im rechten unteren Quadranten und eine kleine Rissquetschwunde an der linken Kinnseite erlitt.

[3]Die Geschworenen bejahten – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde relevant – die anklagekonform gestellte Hauptfrage nach dem Verbrechen des Mordes (§§ 15, 75 StGB); die für den Fall deren Verneinung gestellten Eventualfragen nach dem Verbrechen derabsichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB (Eventualfrage 1),nach dem Verbrechen der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB (Eventualfrage 2) und nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 5 Z 1 StGB (Eventualfrage 3) blieben demgemäß unbeantwortet.

Rechtliche Beurteilung

[4]Die dagegen aus § 345 Abs 1 Z 6 und 10a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.

[5]Soweit die Fragenrüge (Z 6) die Stellung einer Eventualfrage nach dem Verbrechen der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB fordert , übersieht sie, dass die begehrte Frage gar nicht unterblieben ist (Eventualfrage 2; US 4).

[6]Indem die Rüge weiters vermeint, aufgrund der Verantwortung des Angeklagten, dass er dem Opfer bloß habe Angst machen wollen, um ihn von weiteren Kontaktaufnahmen mit * Er* abzuhalten, sei zusätzlich zur Eventualfrage nach dem Verbrechen der schweren Körperverletzung (§ 84 Abs 4 StGB) eine Eventualfrage nach dem Verbrechen der schweren Nötigung nach „§§ 105, 106“ StGB zu stellen gewesen, strebt sie eine Fragestellung in Richtung einer weiteren strafbaren Handlung an (vgl RISJustiz RS0092599 [zur echten Idealkonkurrenz der strafbaren Handlungen nach § 105 Abs 1 StGB und § 83 Abs 1 StGB]) und ist demgemäß nicht zum Vorteil des Angeklagten ausgeführt (§§ 344, 282 Abs 2 StPO; vgl Ratz , WKStPO § 282 Rz 15).

[7]Der Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 10a StPO zielt darauf ab, in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse (§ 258 Abs 1 iVm § 302 Abs 1 StPO) aufzuzeigen, die nahelegen, dass die Geschworenen die ihnen nach § 258 Abs 2 zweiter Satz iVm § 302 Abs 1 StPO gesetzlich zustehende Beweiswürdigung in unerträglicher Weise vorgenommen haben (RISJustiz RS0118780 [T16 und T17]). Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen – wie sie die Berufung wegen Schuld im Einzelrichterverfahren einräumt – wird dadurch nicht eröffnet (RISJustiz RS0119583 [T5]).

[8] Die Tatsachenrüge (Z 10a) führt zum einen ins Treffen, dass die beim Opfer eingetretene Verletzung nicht von den auf einem Video ersichtlichen Stichbewegungen stammen würden und dieser Stich im Halsbereich hätte ausgeführt werden müssen, um lebensbedrohlich zu sein, zum anderen verweist sie auf die Verantwortung des Angeklagten, der das Opfer nicht habe verletzen wollen und deshalb die Stichbewegung nicht bis zum Ende ausgeführt habe. Damit gelingt es ihr aber nicht, erhebliche Bedenken im oben dargestellten Sinn gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen zur Hauptfrage 1 festgestellten entscheidenden Tatsache des auf Tötung gerichteten Vorsatzes des Angeklagten zu wecken.

[9] Soweit die Beschwerde behauptet, dass der Sachverständige nicht habe einordnen können, ob die Verletzung der Unterlippe von einem Stich stamme, gibt sie die Aussage des Sachverständigen sinnentstellt wieder. Denn tatsächlich konnte sich der Sachverständige bloß nicht festlegen, ob die Verletzung auf eine oder zwei unabhängige „Stich/Schnittverletzungen“ (offenkundig gemeint: einen oder zwei Stiche) zurückzuführen sei (ON 88.1, 45).

[10] Schließlich bringt der Einwand, dass Beweisergebnisse für eine bestimmte Wucht des Stichs und ein wiederholtes Zustechen fehlen würden, den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund nicht prozessordnungskonform zur Darstellung (vgl RISJustiz RS0128874).

[11]Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 344 iVm § 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 344 iVm § 285i StPO).

[12]Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.