JudikaturOGH

3Ob232/24z – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Januar 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch Aigner Rechtsanwalts-GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei B* GmbH, *, vertreten durch Strasser Haindl Meyer Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 13.717,61 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom 11. Oktober 2024, GZ 50 R 84/24w 24, womit das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 3. April 2024, GZ 6 C 532/23p 20, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.221,90 EUR (hierin enthalten 203,65 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1] Die Beklagte prüfte im Auftrag der G* GmbH (im Folgenden: Emittentin) deren Kapitalmarktprospekt vom Dezember 2015 und unterfertigte ihn als Prospektkontrollorin.

[2] Der Kläger zeichnete zunächst im Jahr 2016 über Vermittlung eines Vermögensberaters ein qualifiziertes Nachrangdarlehen (im Sinn einer Mezzaninfinanzierung) mit einer Gesamtsumme von 10.000 EUR bei der Emittentin. Nach Fälligkeit dieses Darlehens im Februar 2018 und dessen Rückzahlung samt Zinsen zeichnete der Kläger zu einem nicht exakt feststellbaren Zeitpunkt vor dem 7. Februar 2018 (und damit vor Veröffentlichung des Nachtrags zum Kapitalmarktprospekt samt neuerlichem Kontrollvermerk der Beklagten vom 8. Februar 2018) bei der Emittentin neuerlich ein Nachrangdarlehen mit einer Gesamtsumme von 11.500 EUR. Diese zweite Investition tätigte er aufgrund der positiven Erfahrung mit der Investition von 2016 sowie im Vertrauen auf die Empfehlungen des Beraters. Den Kapitalmarktprospekt hatte der Kläger im Zuge seiner ersten Investition nur auszugsweise durchgelesen. Der Prospekt war für ihn und seine Anlageentscheidung nicht von Bedeutung. Der Berater hatte den Kapitalmarktprospekt im Vorfeld gelesen. Beim (ersten) Beratungsgespräch besprach er mit dem Kläger nur einzelne Punkte des Kapitalmarktprospekts, welche genau, konnte nicht festgestellt werden.

[3] Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 8. Juli 2022 wurde über das Vermögen der Emittentin das Insolvenzverfahren eröffnet, das noch nicht abgeschlossen ist.

[4] Die Vorinstanzen wiesen das auf Zahlung von 13.717,61 EUR sA Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte aus dem Nachrangdarlehen, hilfsweise auf Feststellung der Haftung für alle künftigen Schäden des Klägers gerichtete Klagebegehren mit der Begründung ab, dass die vom Kläger behaupteten Unvollständigkeiten, Unrichtigkeiten und Versäumnisse der Beklagten für seine Anlageentscheidung völlig unwesentlich und daher nicht kausal gewesen seien.

[5] Das Berufungsgericht ließ die Revision zur Frage zu, ob der Umstand, dass bei rechtlich richtigem Vorgehen der Prospektkontrollore der Kontrollvermerk nicht erteilt werden hätte dürfen, bereits zur Bejahung des erforderlichen Kausalzusammenhangs für die Prospekthaftung ausreiche, und ob die höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Haftung des Abschlussprüfers auf Fälle der Haftung des Prospektkontrollors nach § 11 KMG aF übertragbar sei.

Rechtliche Beurteilung

[6] Die Revision des Klägers ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig . Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

[7] 1. Unstrittig ist, dass sich eine allfällige Haftung der Beklagten wegen des im November 2015 erteilten Kontrollvermerks im Zusammenhang mit dem im Februar 2018 erfolgten (zweiten) Investment des Klägers nach dem KMG 1991 richtet (vgl RS0008715).

[8] 2. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bestehen Prospekthaftungsansprüche, wenn ein Anleger durch falsche, unvollständige oder irreführende Prospektangaben zur Zeichnung einer Kapitalanlage bewogen wird. Es handelt sich dabei um eine typisierte Vertrauenshaftung aus Verschulden bei Vertragsabschluss. Der Prospekt bildet im Regelfall die Grundlage für den wirtschaftlich bedeutsamen und mit Risiken verbundenen Beteiligungsentschluss. Aus diesem Grund muss sich der potentielle Kapitalanleger grundsätzlich auf die sachliche Richtigkeit und Vollständigkeit der im Prospekt enthaltenen Angaben verlassen dürfen (RS0107352). An diesem Zweck orientieren sich auch Inhalt und Umfang der in § 8 Abs 2 KMG (in der hier maßgeblichen Fassung BGBl I 2013/184) geregelten Prüfpflicht. Der Prospektkontrollor haftet gemäß § 11 KMG (in der hier maßgeblichen Fassung BGBl I 2012/83) nicht für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Prospekts, sondern nur für dessen unrichtige oder unvollständige Kontrolle (RS0107352 [T5, T15]; 10 Ob 35/24f [Rz 10] mwN).

[9] 3.1. Die für eine solche Haftung notwendige Kausalität wird von der Rechtsprechung nur dann bejaht, wenn sich die Anleger im Vertrauen auf den ihnen bekannten Prospekt zum Kauf entschließen, wenn also unrichtige, unvollständige oder irreführende Prospektangaben tatsächlich zur Grundlage einer schadensauslösenden Disposition gemacht wurden; maßgeblicher Zeitpunkt für diesen Ursachenzusammenhang ist jener des Vertragsabschlusses in Ansehung der konkreten Anlageentscheidung (RS0108626). Diesen Kausalitätszusammenhang hat nach allgemeinen schadenersatzrechtlichen Grundsätzen der Geschädigte zu beweisen (RS0108626 [T4, T7]; 10 Ob 35/24f [Rz 18] mwN).

[10] 3.2. Bei Beurteilung der Kausalität kommt es entgegen der Ansicht des Klägers keineswegs nur auf das Gesamtbild des Kapitalmarktprospekts an; vielmehr muss der (konkret behauptete) Prospektmangel für den eingetretenen Schaden kausal sein, die unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospektangaben müssen also Grundlage der Disposition des Anlegers gewesen sein (10 Ob 35/18f = RS0126931 [T1] mwN; 10 Ob 35/24f [Rz 15]).

[11] 4.1. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hat der Kläger bei seiner Anlageentscheidung gerade nicht auf die Angaben im Kapitalmarktprospekt vertraut, sondern auf die positive Erfahrung mit der früheren Investition und die Empfehlung seines Vermögensberaters. In der (in einem Parallelverfahren ergangenen) Entscheidung 10 Ob 35/24f (Rz 15) wurde es als zumindest möglich erachtet, dass auch eine durch den Berater vermittelte (mittelbare bzw indirekte) Kenntnis ausreiche, sofern bestimmte (konkret bezeichnete) Prospektangaben deshalb für die Investitionsentscheidung kausal gewesen wären, weil diese Angaben (und nicht bloß der Kontrollvermerk) dem Anleger im Rahmen der Beratung durch den Vermögensberater zur Kenntnis gebracht worden wären; mangels ausreichenden Prozessvorbringens der dortigen Klägerin musste zu dieser Frage aber nicht abschließend Stellung genommen werden.

[12] 4.2. Auch im vorliegenden Fall erübrigt sich ein näheres Eingehen auf dieses Thema, weil der Prospekt für den Kläger keine Bedeutung hatte und diesem angesichts der (Negativ )Feststellungen der Vorinstanzen nicht einmal der Beweis gelungen ist, dass der Berater ihm die (nach den Behauptungen des Klägers unrichtigen bzw unvollständigen, für seine Investitionsentscheidung angeblich kausalen) Prospektangaben auch nur zur Kenntnis gebracht hat.

[13] 5.1. Zutreffend ist, dass der Oberste Gerichtshof im Zusammenhang mit der – auf einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter gegründeten (vgl RS0129123) – Haftung des Abschlussprüfers gegenüber potenziellen Gläubigern der geprüften Gesellschaft für einen unrichtigen Bestätigungsvermerk bereits judiziert hat, dass das für eine solche Haftung erforderliche Vertrauen des Dritten nicht nur durch die Kenntnis des konkreten Bestätigungsvermerks geschaffen werden könne, sondern bei einer Beratung auch dann denkbar sei, wenn die auf die Anlageentscheidung positiv einwirkende Beratung (bloß) von den erteilten Bestätigungsvermerken beeinflusst gewesen sei; dies setze aber voraus, dass der Berater die Bestätigungsvermerke gekannt oder sonst von deren Erteilung erfahren habe (4 Ob 145/21h mwN).

[14] 5.2. Dass die Vorinstanzen diese Rechtsprechung nicht – wie vom Revisionswerber gewünscht – dergestalt auf die Prospekthaftung anwandten, dass es für die Haftung des Prospektkontrollors bereits ausreiche, wenn der Anleger auf den Rat eines Vermögensberaters vertraue, der seinerseits auf die Angaben im Kapitalmarktprospekt vertraut habe (ohne diese im Beratungsgespräch konkret zu benennen), begründete hier keine erhebliche Rechtsfrage. Es steht nämlich letztgenannte Voraussetzung im vorliegenden Fall nicht fest.

[15] 6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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