17Ob11/24b – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Präsidenten Univ. Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Stefula und MMag. Sloboda, die Hofrätin Mag. Waldstätten und den Hofrat Dr. Stiefsohn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Philipp Casper, Rechtsanwalt, Kalchberggasse 1, 8010 Graz, als Masseverwalter im Konkursverfahren über das Vermögen der S* GmbH *, vertreten durch die Kaan Cronenberg Partner Rechtsanwälte GmbH Co KG in Graz, gegen die beklagte Partei Ing. *, vertreten durch die KWR Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Anfechtung (Streitwert 2.055.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 14. August 2024, GZ 2 R 91/24f 98, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Der Beklagte ist einziger Gesellschafter und Alleingeschäftsführer der Schuldnerin. Bei dieser handelte es sich um eine „klassische“ Holdinggesellschaft, die ua 99 % der Stammeinlage der operativ tätigen S* GmbH hielt (idF: Tochtergesellschaft).
[2] Bereits im November und Dezember 2015 hatte der Beklagte als Alleingesellschafter der Schuldnerin die Ausschüttung von 6.150.000 EUR vom Bilanzgewinn beschlossen und diesen Betrag in der Folge der Schuldnerin wieder als unverzinstes, aber wertgesichertes, endfälliges Gesellschafterdarlehen gewährt. Die Rückführung sollte nach fünf Jahren erfolgen, eine Kündigung war nur aus wichtigem Grund möglich. Als Sicherheit räumte die Schuldnerin dem Beklagten im [richtig:] Dezember 2015 unter anderem ein Pfandrecht im Höchstbetrag des Darlehens auf vier ihr gehörigen Liegenschaften ein. Im Juli und September 2016 wiederholte der Beklagte diesen Vorgang hinsichtlich eines Bilanzgewinns von 3.770.000 EUR mit einer Darlehenslaufzeit von sieben Jahren. Die Pfandrechte wurden wegen der Eintragungsgebühr jedoch nicht verbüchert.
[3] Am 30. 10. 2017 beantragte die Schuldnerin schließlich die Anmerkung der Rangordnung für die beabsichtigte Verpfändung nach § 53 GBG bis zu einem Höchstbetrag von 700.000 EUR auf ihren Liegenschaften, die jeweils am 3. 11. 2017 grundbücherlich vollzogen wurde.
[4] Mit Beschluss vom 2. 11. 2017 wurde über das Vermögen der Tochtergesellschaft aufgrund eines Eigenantrags das Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet. Dieses Verfahren wurde am 22. 5. 2018 nach Annahme eines Sanierungsplans mit einer 30%igen Quote rechtskräftig beendet. Die Sanierungsplanquote wäre in vier Teilquoten zu bezahlen gewesen, von denen lediglich die Teilbarquote (5 %) und die am 31. 7. 2018 fällige zweite Teilquote (5 %) bezahlt wurden.
[5] Mit Verträgen vom 31. 7. 2018 verkaufte die Schuldnerin dem Beklagten die ihr gehörigen vier Liegenschaften, wobei jeweils festgehalten wurde, dass hinsichtlich der Berichtigung des (der Höhe nach unstrittig angemessenen) Kaufpreises von gesamt 2.055.000 EUR eine separate Vereinbarung geschlossen werde und die Verbücherung sofort erfolgen könne. Mit schriftlichen Vereinbarungen vom selben Tag stellten die Schuldnerin und der Beklagte fest, dass der Beklagte als Darlehensgeber „das gewährte Darlehen“ aufgekündigt hätte, dieses fällig sei, und die jeweiligen Kaufpreise „gegen das aushaftende Darlehen“ aufrechnungsweise verrechnet würden.
[6] Das Erstgericht konnte nicht feststellen, „ob oder wann der Beklagte die Darlehen aus den Gewinnausschüttungen tatsächlich aufgekündigt hatte. Ein Grund für eine Kündigung lag zu keinem Zeitpunkt vor“.
[7] Nachdem die am 31. 12. 2018 fällige dritte Teilquote (von 10 %) aus dem Sanierungsplan nicht bezahlt werden konnte, wurde am 3. 4. 2019 ein Konkursverfahren über die Tochtergesellschaft eröffnet. Mit Beschluss vom 10. 4. 2019 wurde schließlich auch über das Vermögen der Schuldnerin ein Insolvenzverfahren eröffnet.
[8] Mit seiner Klage ficht der Masseverwalter als Kläger den Verkauf der Liegenschaften und die Aufrechnung der Kaufpreise mit den Gesellschafterdarlehen an.
[9] Das Erstgerichtgab dem ausdrücklich auf verbotene Einlagenrückgewähr gemäß §§ 82 f GmbHG gestützten Hauptbegehren statt, stellte fest, dass die Kaufverträge und die Aufrechnungsvereinbarung vom 31. 7. 2018 sowie die Aufrechnung mit den Gesellschafterdarlehen vom 14. 12. 2015 bzw 30. 7. 2016 nichtig seien, und ordnete die Löschung des Eigentumsrechts des Beklagten und die Eintragung der Schuldnerin als Eigentümerin im Grundbuch an.
[10] Zwar seien die Gewinnausschüttungen der Jahre 2015 und 2016 zulässig gewesen. Die Vereinbarungen vom 31. 7. 2018 seien aber in ihrer Gesamtheit zu beurteilen. Ein objektives Missverhältnis im Sinn derRechtsprechung zu §§ 82 f GmbHG sei nicht nur dann gegeben, wenn der Wert der Liegenschaften nicht dem Kaufpreis entspreche, sondern auch dann, wenn ein derartiges Geschäft mit einem Dritten überhaupt nicht geschlossen worden wäre. Da die Schuldnerin zum 30. 7. 2018 insolvenzrechtlich überschuldet und zahlungsunfähig gewesen sei, habe sie werthaltige Vermögensgegenstände hingegeben, während der Beklagte mit nicht werthaltigen und nicht einmal fälligen Darlehensforderungen aufgerechnet habe. Aus Sicht der Schuldnerin habe auch keine betriebliche Rechtfertigung für den Verkauf der Liegenschaften gegen Aufrechnung bestanden, durch die sie gerade nicht mit der für sie notwendigen Liquidität ausgestattet worden sei.
[11] Das Berufungsgericht gab einer Berufung des Beklagten nicht Folge und schloss sich der Rechtsansicht des Erstgerichts an. Die Darlehensforderung des Beklagten sei – ungeachtet der Anmerkung der Rangordnungen – mangels Eintragung gerade nicht pfandrechtlich besichert gewesen, sodass die illiquide Schuldnerin werthaltige und unbelastete Liegenschaften gegen Tilgung einer nicht werthaltigen und auch nicht fälligen Geldforderung hingegeben habe.
[12] Das Berufungsgericht ließ die Revision mangels erheblicher Rechtsfragen nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
[13] Die außerordentliche Revision des Beklagten, mit der er eine Klagsabweisung, hilfsweise eine Aufhebung der Vorentscheidungen anstrebt, ist mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig und daher zurückzuweisen.
[14] 1.Soweit die Revision unter Berufung auf die Entscheidung 17 Ob 1/20a damit argumentiert, dass die Darlehensrückführung nicht nach §§ 82 f GmbHG, sondern ausschließlich am Maßstab des EKEG zu prüfen sei, ist ihr entgegenzuhalten, dass dieses Gesetz Kredite erfasst, die ein Gesellschafter in der Krise gewährt (§§ 1 ff EKEG), eine solche bei der Darlehensgewährung in den Jahren 2015 und 2016 aber unstrittig noch nicht bestand. Ein Kredit iSd § 1 EKEG liegt gemäß § 3 Abs 1 Z 3 EKEG selbst dann nicht vor, wenn ein vor der Krise gewährter Kredit verlängert oder dessen Rückzahlung gestundet wird.
[15]Die mangelnde Anwendbarkeit des EKEG bedeutet im Umkehrschluss aber nicht, dass die vom Beklagten mit der Schuldnerin geschlossenen Geschäfte auch nach §§ 82 f GmbHG „immunisiert“ wären, wie die Revision unterstellt.
[16] 2.1.Bei Fragen der Einlagenrückgewähr gemäß §§ 82 f GmbHG ist nach ständiger Rechtsprechung entscheidend, ob eine Besserstellung des Gesellschafters gegenüber anderen Vertragspartnern der Gesellschaft aufgrund seiner Gesellschafterstellung erfolgt und ob diese zu Lasten der Gesellschaft geht (vgl 6 Ob 206/17p mwN). Maßgebend ist, ob das Geschäft dem Fremdvergleich standhält und auch dann so geschlossen worden wäre, wenn kein Gesellschafter daraus einen Vorteil zöge (RS0105540). In den Fremdvergleich einzubeziehen sind nicht nur die konkreten Konditionen, sondern vor allem auch die Frage, ob mit einem gesellschaftsfremden Dritten überhaupt ein derartiges Geschäft abgeschlossen worden wäre (RS0105540 [T8]). Für die Beurteilung ist auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abzustellen (vgl 6 Ob 132/10w).
[17] 2.2.Bei der hier gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise (vgl RS0105532 [T15]) ist die Ansicht der Vorinstanzen, die Kaufverträge und die Aufrechnungsvereinbarung vom 31. 7. 2018 könnten nur gemeinsam beurteilt werden, jedenfalls vertretbar. Ebenso bewegt sich deren Wertung innerhalb des ihnen im Einzelfall notwendigerweise zukommenden Beurteilungsspielraums, dass schon der Liegenschaftserwerb ungeachtet der Angemessenheit der Kaufpreishöhe objektiv inäquivalent sei, das Geschäft zu diesen Konditionen nicht auch mit einem Nichtgesellschafter geschlossen worden wäre und keine betriebliche Rechtfertigung angenommen werden könne.
[18] Im Zeitpunkt der Vertragsabschlüsse am 31. 7. 2018 bestanden lediglich Anmerkungen der Rangordnung für Höchstbetragshypotheken über je 700.000 EUR für die Darlehen, die eine Laufzeit bis zum 31. 12. 2020 bzw 31. 7. 2023 hatten. Selbst vor dem Hintergrund der bereits bestehenden (höheren) Pfandrechtsbestellungsverträge ist es im Einzelfall vertretbar, im Angebot des Beklagten, die ansonsten unbelasteten Liegenschaften von der liquiditätsschwachen Schuldnerin zu einem (marktüblichen) Preis von 2.055.000 EUR nicht gegen (marktübliche) Zahlung, sondern gegen (unübliche) Aufrechnung mit nicht fälligen, unverzinsten Darlehensforderungen zu erwerben, ein objektives Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung zu erblicken, für das auch keine betriebliche Rechtfertigung erkennbar ist.
[19] Für die Gleichwertigkeit seiner Gegenleistungen ist aber der Gesellschafter behauptungsund beweispflichtig, handelt es sich doch dabei um die Widerlegung der prima facie als unzulässig anzunehmenden Rückgewähr von Einlagen (RS0105532 [T26]).
[20] 2.3. Abgesehen von der Angemessenheit der Kaufpreishöhe und der Besicherung durch die Rangordnungen führt die Revision für die objektive Äquivalenz (sowie die Fremdüblichkeit und die betriebliche Rechtfertigung) lediglich ins Treffen, dass das Berufungsverfahren mangelhaft geblieben sei, weil das Berufungsgericht die Beweisrüge nicht erledigt habe, wonach „die aus der Gewinnausschüttung stammenden Gesellschafterdarlehen laut der von Dr. * aufgesetzten Verrechnungsvereinbarung, die zwischen der [Schuldnerin] und dem Beklagten abgeschlossen wurde, zum Zeitpunkt der Aufrechnung fällig [waren]“ .
[21] Dazu hielt das Berufungsgericht jedoch – als Rechtsfrage zutreffend – im Rahmen der Rechtsrüge fest, dass die Darlehen nach den unstrittigen Verträgen endfällig und nur aus wichtigem Grund kündbar gewesen seien und die (Negativ )Feststellungen des Erstgerichts zu einer Kündigung durch den Beklagten und dem Nichtvorliegen eines wichtigen Grundes unbekämpft geblieben seien; wenn in der Aufrechnungsvereinbarung dessen ungeachtet von einer Fälligkeit ausgegangen worden sei, spreche dies umso mehr für eine verbotene Einlagenrückgewähr.
[22] Dem hält die Revision nichts Stichhaltiges entgegen; wann und warum die Darlehen (vorzeitig) fällig gestellt worden wären, und warum insofern keine Schlechterstellung der Schuldnerin zu Gunsten des Beklagten vorgelegen sein soll, erschließt sich aus den Rechtsmittelausführungen nicht.
[23]Die Revision vermag sohin kein Fehlen oder (unvertretbares) Abgehen von höchstgerichtlicher Rechtsprechung zum Verbot der Einlagenrückgewähr nach §§ 82 f GmbHG aufzuzeigen.
[24] 3.Ob die Pfandrechte des Beklagten „anfechtungsfest“ und eine Aufrechnung in der (späteren) Insolvenz nach § 19 Abs 1 IO zulässig gewesen wären, ist in diesem Zusammenhang ebenso unerheblich wie die Frage der Befriedigungstauglichkeit einer insolvenzrechtlichen Anfechtung.
[25] Eine Auseinandersetzung mit der vom Beklagten verlangten „Wiedereintragung der Höchstbetragshypotheken“ kann schon deswegen unterbleiben, weil seine Pfandrechte nie verbüchert waren.
[26] 4.Im Ergebnis gelingt es der Revision sohin nicht, eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen, sodass sie als unzulässig zurückzuweisen war.