JudikaturOGH

12Os113/24w – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. November 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. November 2024 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger als Vorsitzende sowie die Hofräte und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.Prof. Dr. Oshidari, Dr. Haslwanter LL.M., Dr. Sadoghi und Dr. Farkas in Gegenwart des Schriftführers Richteramtsanwärter Karnaus LL.M. (WU) in der Strafsache gegen * G* wegen des Vergehens des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 8 U 116/23y des Bezirksgerichts Innsbruck, über die von der Generalprokuratur gegen einen Vorgang in diesem Verfahren erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Geymayer und des Verteidigers MMag. Kapferer zu Recht erkannt:

Spruch

Im Verfahren AZ 8 U 116/23y des Bezirksgerichts Innsbruck verletzt das Unterbleiben einer unverzüglichen Verständigung des Landesgerichts Innsbruck zu AZ 34 Hv 118/20w über den mit Urteil vom 15. Dezember 2023, GZ 8 U 116/23y28, erfolgten nachträglichen Strafausspruch § 494a Abs 7 StPO.

Text

Gründe:

[1] Mit Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 17. Dezember 2020, GZ 34 Hv 118/20w11, wurde der am 16. September 2005 geborene * G* der Vergehen nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffG sowie der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hierfür zu einer Geldstrafe verurteilt.

[2]Einer dagegen gerichteten Berufung des Genannten wegen Nichtigkeit sowie wegen des Ausspruchs über die Schuld und die Strafe gab das Oberlandesgericht Innsbruck mit Urteil vom 7. April 2021, AZ 6 Bs 52/21d, in Ansehung des Ausspruchs über die Strafe Folge und behielt gemäß § 13 Abs 1 JGG den darauf bezogenen Ausspruch unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit vor (ON 22 und ON 23 im Akt AZ 34 Hv 118/20w des Landesgerichts Innsbruck).

[3] Mit Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 15. Dezember 2023, GZ 8 U 116/23y28, wurde G* des Vergehens des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs 1 StGB sowie [richtig:] mehrerer Vergehen der Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 zweiter Fall StGB schuldig erkannt und hiefür unter gleichzeitigem nachträglichen Strafausspruch zum vorgenannten Urteil des Landesgerichts Innsbruck zu einer (teilweise bedingt nachgesehenen) Geldstrafe verurteilt.

[4] Das Bezirksgericht Innsbruck verfügte (vorerst) keine Übermittlung einer diesen nachträglichen Strafausspruch enthaltenden Urteilsausfertigung (auch) an das Landesgericht Innsbruck zu AZ 34 Hv 118/20w, sondern kalendierte das Verfahren zunächst auf den Ablauf der Rechtsmittelfrist (ON 1.15), folgend auf den Ablauf der Frist zur Erstattung von Gegenäußerungen (ON 1.16), und legte den Akt am 26. März 2024 dem Landesgericht Innsbruck zur Entscheidung über die seitens G* erhobene Berufung vor (ON 1.17 und ON 2).

[5] Am 22. April 2024 – während des anhängigen Rechtsmittelverfahrens zu AZ 21 Bl 83/24z des Landesgerichts Innsbruck – erging im Verfahren AZ 34 Hv 118/20w des Landesgerichts Innsbruck eine (dem Strafregisteramt und der Staatsanwaltschaft zugestellte) „Mitteilung“ über eine „endgültige Strafnachsicht“ der mit dem genannten Verfahren gegen G* verbundenen und bedingt nachgesehenen Rechtsfolgen (ON 34 im Akt AZ 34 Hv 118/20w des Landesgerichts Innsbruck).

[6] Das zu AZ 21 Bl 83/24z als Berufungsgericht befasste Landesgericht Innsbruck gab der gegen das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 15. Dezember 2023, GZ 8 U 116/23y 28, gerichteten Berufung des G* mit Urteil vom 16. Juli 2024 keine Folge. In der schriftlichen Berufungsentscheidung wurde angemerkt, das Berufungsgericht habe „übersehen“, dass „die Probezeit bereits mit Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck“ vom 22. April 2024, GZ 34 Hv 118/20w 34, „endgültig nachgesehen“ worden sei (US 9 f).

Rechtliche Beurteilung

[7] Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, steht nachstehender Vorgang im Verfahren AZ 8 U 116/23y des Bezirksgerichts Innsbruck mit dem Gesetz nicht im Einklang:

[8]Gemäß § 494a Abs 7 StPO hat das erkennende Gericht unverzüglichalle Gerichte zu verständigen, deren Vorentscheidungen durch eine Entscheidung gemäß § 494a Abs 1 bis 6 StPO betroffen sind. Diese gesetzliche Anordnung soll sicherstellen, dass das von der neuen Entscheidung betroffene Gericht keine weitere Entscheidungskompetenz mehr in Anspruch nimmt, was nur dann erreicht werden kann, wenn die vorgeschriebene Verständigung unmittelbar nach der jeweiligen Entscheidung gemäß § 494a StPO ohne Rücksicht darauf erfolgt, ob diese in Rechtskraft erwachsen ist oder nicht (RISJustiz RS0101932; Jerabek/Ropper , WKStPO § 494a Rz 12).

[9] Vorliegend hat es das Bezirksgericht Innsbruck nach seiner Urteilsfällung vom 15. Dezember 2023, GZ 8 U 116/23y 28, unterlassen, das Landesgericht Innsbruck zu AZ 34 Hv 118/20w unverzüglich über den nachträglichen Strafausspruch in Kenntnis zu setzen; erst am 5. August 2024 wurde dem Landesgericht Innsbruck eine Ausfertigung des Ersturteils sowie der bezughabenden Rechtsmittelentscheidung des Landesgerichts Innsbruck vom 16. Juli 2024 (ON 34.1) übermittelt (Punkt 15./ der Endverfügung ON 35 S 3).

[10]Diese gesetzwidrige Säumigkeit in Bezug auf die Verständigungspflicht gemäß § 494a Abs 7 StPO bewirkte (vgl Schroll/Oshidari in WK 2JGG § 16 Rz 24; Jerabek/Ropper , WKStPO § 494a Rz 13 f), dass im Verfahren AZ 34 Hv 118/20w des Landesgerichts Innsbruck am 22. April 2024 eine „Mitteilung“ über die „endgültige Strafnachsicht“ hinsichtlich der im genannten Verfahren vorbehaltenen Rechtsfolgen an das Strafregisteramt und die Staatsanwaltschaft erging (ON 34 im Akt AZ 34 Hv 118/20w des Landesgerichts Innsbruck).

[11]Diese Mitteilung des Landesgerichts Innsbruck vermochte sowohl angesichts des gesetzlichen Erfordernisses, ein endgültiges Absehen von der Verhängung einer Strafe (iSd § 15 Abs 3 letzter Satz JGG) in – nicht erfolgter –Beschlussform (§ 86 Abs 1 StPO) auszusprechen, als auch zufolge der Bindungswirkung des am 15. Dezember 2023 zu AZ 8 U 116/23y des Bezirksgerichts Innsbruck erfolgten nachträglichen Strafausspruchs keine Rechtswirkung zu entfalten ( Jerabek/Ropper , WKStPO § 494a Rz 13 f und in WK 2StGB § 53 Rz 29; RISJustiz RS0101911 [T4, T6], RS0101270 [T17, T21]), die zu beachten gewesen wäre.

[12] Ein Nachteil für den Verurteilten ist vorliegend nicht eingetreten. Es wird aber das Strafregisteramt von der Wirkungslosigkeit der ihm zugestellten „Mitteilung“ vom 22. April 2024 (ON 34 im Akt AZ 34 Hv 118/20w des Landesgerichts Innsbruck) in Kenntnis zu setzen sein.