JudikaturOGH

3Ob72/24w – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Mai 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B* GmbH in Liquidation, *, vertreten durch Zorn Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Donauhochwasserschutz-Konkurrenz, 1220 Wien, Donau-City-Straße 1, vertreten durch Hauswirth Kleiber Rechtsanwälte OG in Wien, 2. Stadt Wien, 1010 Wien, Rathausstraße 4, vertreten durch Fellner Wratzfeld Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 1.380.000 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 14. Februar 2024, GZ 39 R 255/23y 155, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Die Beurteilung von konkludenten Willenserklärungen ist regelmäßig einzelfallbezogen und stellt in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage dar (RS0109021 [T5]). Eine erhebliche Rechtsfrage liegt nur vor, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (vgl RS0042776).

[2] 2. Die Auffassung des Berufungsgerichts, wonach die Parteien die Frist für den (Nicht )Eintritt der im Bestandvertrag vereinbarten auflösenden Bedingung (Vorliegen der von der Klägerin zu erwirkenden behördlichen Bewilligungen für das von ihr auf der in Bestand genommenen Fläche beabsichtigte Projekt bis zu einem bestimmten Stichtag) zuletzt mit 31. Oktober 2010 vereinbart haben, stellt keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung dar:

[3] 2.1. Eine Verkehrssitte, welche dem Schweigen allgemein die Bedeutung der Zustimmung beilegen würde, besteht weder im bürgerlichen noch im Handelsrecht (RS0013991). Schweigen kann (nur) dann ausnahmsweise als Zustimmung gewertet werden, wenn wegen einer Sonderrechtsbeziehung (zB vorvertragliches Schuldverhältnis) eine Pflicht zum Widerspruch besteht, wenn es nach den bisherigen Gepflogenheiten der Geschäftspartner in diesem Sinn zu verstehen ist oder wenn das Geschäft dem Schweigenden ausschließlich Vorteile bringt (RS0013991 [T20]).

[4] 2.2. Nach den Feststellungen war für die Vertragsparteien bereits im Juni 2009 klar, dass es der Klägerin (aus nicht von ihr zu vertretenden Gründen) nicht möglich sein werde, die behördlichen Bewilligungen bis zu dem (durch den dritten Nachtrag zum Bestandvertrag neuerlich hinausgeschobenen) Termin 31. Juli 2009 zu erwirken, weshalb sie am 16. Juni 2009 übereinkamen, dass „der Bestandvertrag mit der Klägerin hinsichtlich der Bestandsdauer entsprechend anzupassen ist“. In der Folge suchte der von der Klägerin beauftragte Architekt für diese „um eine Verlängerung der Frist zur Vorlage der behördlichen Bewilligungen“ an, woraufhin ihm (sowie dem Geschäftsführer der Klägerin) mitgeteilt wurde, dass dem Ansuchen auf Fristerstreckung zugestimmt worden sei und die Vorlage der behördlichen Bewilligungen bis zum 31. Oktober 2010 zu erfolgen habe.

[5] 2.3. Die Auffassung des Berufungsgerichts, wonach das Schweigen der Klägerin auf diese Mitteilung aufgrund der besonderen Umstände des hier zu beurteilenden Einzelfalls als schlüssige Zustimmung zu werten sei, ist jedenfalls vertretbar. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass für die Klägerin – anders als sie nun in dritter Instanz behauptet – damals offenkundig völlig klar war, dass die Bestandgeber auch nach Juli 2009 weiterhin an einer auflösenden Bedingung (Nichterlangung der behördlichen Bewilligungen bis zu einem bestimmten, noch nicht neu definierten Termin) festhalten wollten. Andernfalls hätte für sie nämlich nicht die geringste Veranlassung bestanden, bei den Beklagten um eine „Fristerstreckung“ anzusuchen. Nachdem die Bestandgeber daraufhin der Fristerstreckung zustimmten und gleichzeitig den neuen Termin mit 31. Oktober 2010 bekannt gaben, wäre nach Treu und Glauben zu erwarten gewesen, dass die Klägerin, sofern sie mit diesem Termin nicht einverstanden gewesen wäre, ausdrücklich widersprochen hätte. Ihr Schweigen konnte daher in dieser Konstellation von einem redlichen Erklärungsempfänger nur als Zustimmung gedeutet werden.

Rückverweise