7Ob79/24d – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Erwachsenenschutzsache des Betroffenen N* D*, Rechtsbeistand und einstweiliger Erwachsenenvertreter Mag. C* S*, wegen Beendigung einer Vorsorgevollmacht sowie der gesetzlichen Erwachsenenvertretung und Bestellung eines einstweiligen Erwachsenenvertreters, infolge des außerordentlichen Revisionsrekurses von 1. S* D*, und 2. I* S*, beide vertreten durch die Sutterlüty Klagian Brändle Gisinger Lingenhöle Rechtsanwälte GmbH in Dornbirn, gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 23. Jänner 2024, GZ 2 R 11/24v 24, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Bregenz vom 4. Dezember 2023, GZ 7 P 114/23b 26, teilweise bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.
Text
Begründung:
[1] Das Erstgerichtordnete gemäß § 246 Abs 3 Z 1 ABGB die Beendigung der gesetzlichen Erwachsenenvertretung vom 21. 11. 2023 für den Betroffenensowie der Vorsorgevollmachten vom 9. 12. 2014 und vom (richtig:) 30. 1. 2016 an, bestellte einen Rechtsanwalt gemäß § 120 AußStrG zum einstweiligen Erwachsenenvertreter für den Betroffenen zur Besorgung bestimmter Angelegenheiten und bestelltediesen Rechtsanwalt gemäß § 119 AußStrG zum Rechtsbeistand.
[2] Das Rekursgerichtgab dem Rekurs des Betroffenen teilweise Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Beschluss insoweit, als die Beendigung der gesetzlichen Erwachsenenvertretung (des Sohnes) für den Betroffenen angeordnet wurde (Spruchpunkt 1.), für den Betroffenen mit sofortiger Wirkung gemäß § 120 AußStrG ein Rechtsanwalt zum einstweiligen Erwachsenenvertreter zur Besorgung von zwei dringenden Angelegenheiten bestellt wurde (Spruchpunkt 2.) und dieser Rechtsanwalt zum Rechtsbeistand des Betroffenen im Verfahren, in dem die Notwendigkeit der Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters geprüft wird, bestellt wurde (Spruchpunkt 3.). Im darüber hinausgehenden Umfang – hinsichtlich der Beendigung der beiden Vorsorgevollmachten und der Bestellung des einstweiligen Erwachsenenvertreters für die Besorgung weiterer Angelegenheiten – hob es den erstinstanzlichen Beschluss zur (allfälligen) neuerlichen Entscheidung auf. Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs gegen den bestätigenden Teil seiner Entscheidung nicht zulässig sei.
[3] Dagegen richtet sich der von den Kindern des Betroffenen, die beide Vorsorgebevollmächtigte sind und der Sohn zugleich als gesetzlicher Erwachsenenvertreter des Betroffenen im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis eingetragen ist, eingebrachte außerordentliche Revisionsrekurs .
Rechtliche Beurteilung
[4] Der Akt ist aus folgenden Erwägungen dem Erstgericht zurückzustellen :
[5] 1. Die Entscheidung des Rekursgerichts wurde dem Betroffenen bislang nicht zugestellt.
[6]2. Nach § 116a Abs 1 AußStrG kann die betroffene Person im Erwachsenenschutzverfahren unabhängig von ihrer Verfahrensfähigkeit Verfahrenshandlungen vornehmen. Sie kann daher im gesamten Verfahren selbstständig Anträge stellen und Rechtsmittel erheben. Ein Vertreter bzw Rechtsbeistand (vgl § 119 AußStrG) schränkt die Möglichkeit der betroffenen Person nicht ein, im Verfahren selbstständig zu handeln. Damit schließt der in § 119 AußStrG geschaffene Vertretungszwang die Fähigkeit der betroffenen Person, eigene Verfahrenshandlungen neben dem Vertreter vorzunehmen, nicht aus ([23. 5. 2019] 3 Ob 87/19v [Punkt 3.1] mwN).
[7]3. Ungeachtet des Umstands, dass der Rechtsbeistand nicht Adressat von eigenen Verfahrensrechten ist, weil er seine Rechte von den Rechten der betroffenen Person ableitet, kann die betroffene Person auch bei einem durch einen Rechtsbeistand bzw Vertreter in ihrem Namen erhobenen Rechtsmittel ein weiteres, gesondertes Rechtsmittel selbst erheben. Steht der betroffenen Person ganz allgemein ein eigenständiges Rechtsmittelrecht (also unabhängig von einer in ihrem Namen erfolgten Rechtsmittelerhebung Dritter) zu, müssen ihr sämtliche Beschlüsse zugestellt werden, was ausdrücklich in § 116a Abs 2 Satz 1 AußStrG angeordnetist ([23. 5. 2019] 3 Ob 87/19v [Punkt 3.2] mwN) .
[8]4. Das Erstgericht wird daher die Rekursentscheidung an den Betroffenen zur allfälligen Einbringung eines Revisionsrekurses zuzustellen haben (vgl RS0123128 [T8]), wobei der Betroffene darüber zu belehren sein wird, dass er sich im Revisionsrekursverfahren gemäß § 6 Abs 2 iVm § 65 Abs 3 AußStrG durch einen Rechtsanwalt oder Notar vertreten lassen muss.
[9] 5. Nach Einlangen eines Rechtsmittels oder nach fruchtlosem Ablauf der hierfür offenstehenden Frist wird der Akt neuerlich dem Obersten Gerichtshof vorzulegen sein.