34R89/24a – LG für ZRS Wien Entscheidung
Kopf
Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht hat durch den Richter Mag. Ulf Marschner als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. Veronika Vorderwinkler und Mag. Romana Fritz in der Rechtssache der klagenden Partei H*** F***, M***gasse ***, **** L***, vertreten durch Mag. Torsten Witt, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei K*** GmbH, G***straße ***, **** G***, vertreten durch Dr. Stephan Duschel, Mag. Klaus Hanten und Mag. Clemens Kurz, Rechtsanwälte in Wien, wegen Besitzstörung infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Endbeschluss des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 27.5.2024, 83 C 62/24m-9, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben und die angefochtene Entscheidung dahingehend abgeändert, dass sie wie folgt lautet:
„1. Das Klagebegehren, die beklagte Partei habe den ruhigen Besitz der klagenden Partei am Objekt in **** Wien, M***straße 30, dadurch gestört, dass der PKW Citroen mit dem Kennzeichen O-***C am 18.01.2024 um 08:15 Uhr auf dem Stellplatz der Liegenschaft **** Wien, M***straße **, abgestellt war, und sei bei sonstiger Exekution schuldig, ab sofort jede weitere solche oder ähnliche Störung zu unterlassen, wird abgewiesen.
2. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 542,06 (darin enthalten EUR 89,54 an USt und EUR 4,80 an Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 336,82 (darin enthalten EUR 56,14 an USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Begründung:
Text
Die klagende Partei ist Miteigentümerin einer der Liegenschaft; mit ihren Anteilen ist die Nutzungsberechtigung am Stellplatz Nummer 7 auf der Liegenschaft verbunden.
Am 18.1.2024 wurde ein auf die beklagte Partei zugelassener PKW auf dem Stellplatz Nummer 7 abgestellt. Der klagenden Partei wurde dadurch der Zugang zum Stellplatz versperrt und diese somit auch am Abstellen ihres PKW behindert.
Mit Schreiben vom 24.1.2024 übermittelte der Klagevertreter der beklagten Partei ein Anbot zur Unterfertigung einer Unterlassungserklärung sowie die Aufforderung, der klagenden Partei Schadenersatz in Höhe von EUR 500,-, Kosten für das Einschreiten des Klagevertreters in Höhe von EUR 300,- und der Halterauskunft in Höhe von EUR 15,30 zu leisten. Für den Fall der Nichteinhaltung der Bedingungen wurde der beklagten Partei die Einbringung einer Klage in Aussicht gestellt.
Der Beklagtenvertreter übermittelte daraufhin mit Schreiben vom 30.1.2024 dem Klagevertreter ein Angebot zum gerichtlichen Abschluss eines unbedingten vollstreckbaren Unterlassungsvergleichs, in dem er auch anführte, eine Zahlung von EUR 150,- geleistet zu haben.
Mit Schreiben vom 5.2.2024 an den Beklagtenvertreter gab der Klagevertreter bekannt, die klagende Partei sei bereit von gerichtlichen Schritten abzusehen, sofern ein Betrag von EUR 300,- an Kostenersatz (darin enthalten 20% an USt) sowie ein Pauschalbetrag in Höhe von EUR 300,- an Schadenersatz bis längstens 9.2.2024 auf das Kanzleikonto des Klagevertreters überwiesen werde. Sollte diese Frist ungenutzt verstreichen, sei der Klagevertreter beauftragt, ohne weitere Korrespondenz gerichtliche Schritte einzuleiten, sowie den überwiesenen Betrag in Höhe von EUR 150,- auf das Konto der beklagten Partei rückzuüberweisen.
Mit Schreiben vom 6.2.2024 verwies der Beklagtenvertreter auf das Angebot der beklagten Partei.
Mit ihrer am 12.2.2024 eingebrachten Besitzstörungsklage stellte die klagende Partei das aus dem Spruch ersichtliche Unterlassungsbegehren, gestützt auf eine Besitzstörung durch das Abstellen des auf die beklagte Partei zugelassenen PKW auf dem der klagenden Partei zugewiesenen Stellplatz.
Die beklagte Partei bestritt die erfolgte Besitzstörung ausdrücklich nicht, begehrte Klagsabweisung und wendete im Wesentlichen ein, dadurch, dass sie der klagenden Partei ausdrücklich den gerichtlichen Abschluss eines unbedingten vollstreckbaren Unterlassungsvergleichs angeboten habe, sei die Wiederholungsgefahr weggefallen. Zudem habe sie auch Kostenersatz in einer Höhe geleistet, mit der die Kosten des Einschreitens des Klagevertreters jedenfalls gedeckt seien.
Mit dem angefochtenen Endbeschluss gab das Erstgericht dem Klagebegehren zur Gänze statt. Dem legte es die eingangs wiedergegebenen, teils unstrittigen Feststellungen zugrunde und folgerte rechtlich zusammengefasst, die Wiederholungsgefahr sei gegeben, weil nicht auszuschließen sei, dass eine der beklagten Partei zuzurechnende Besitzstörung neuerlich vorgenommen werden werde. Eine Zusage, in Hinkunft gleichartige Störungen zu unterlassen, werde regelmäßig ebenso wenig als ausreichend erachtet, wie das Anbot eines außergerichtlichen, nicht vollstreckbaren Unterlassungsvergleichs. Denn sie gewähre dem Gestörten keine ausreichende Sicherheit gegen eine Wiederholung der Störung. Nur ein exekutionsfähiger Titel biete der klagenden Partei alles, was sie auch durch eine Entscheidung des Gerichts erhalten könne, und erfülle somit ihr Rechtsschutzziel (LGZ Wien 36 R 132/21k unter Verweis auf 34 R 14/13f; 36 R 132/21k, 35 R 236/22y uva). Das Rechtsschutzziel der Schaffung eines exequierbaren Titels könne außerhalb eines Prozesses nur durch die dafür im Exekutionsrecht vorgesehenen Mittel erreicht werden: Durch Anbieten eines an keine Bedingungen geknüpften (prätorischen) Vergleichs oder eines vollstreckbaren Notariatsakts (LGZ Wien 36 R 330/12i). Ein von der klagenden Partei gestelltes Angebot auf außergerichtliche Streitbeilegung könne allenfalls – bei vollständiger Annahme durch die beklagte Partei – als Vereinbarung zwischen den Parteien über den Verzicht auf die Klagsführung angesehen werden (LGZ Wien 64 R 56/19m, 35 R 31/18w, 36 R 263/16t, 35 R 209/12p, 35 R 278/12k, 34 R 175/16m). Darüber hinaus habe die beklagte Partei das außergerichtliche Angebot der klagenden Partei nicht angenommen, indem sie lediglich die Zahlung eines Betrags von EUR 150,- anstatt der von der klagenden Partei letztlich angebotenen EUR 600,- zusätzlich zur Unterfertigung der Unterlassungserklärung angeboten habe. Dies sei vertragsrechtlich nicht als Annahme eines Anbots, vielmehr als dessen Ablehnung unter Stellung eines neuen Anbots seitens der beklagten Partei an die klagende Partei zu verstehen. Eine Vereinbarung sei zwischen den Parteien somit nicht zustandegekommen.
Dagegen richtet sich der Rekurs der beklagten Partei aus dem Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im klagsabweisenden Sinn; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die klagende Partei beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Der Rekurs ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Wie die beklagte Partei zutreffend hinweist, hat sie nach den vorliegenden Feststellungen – die gegenteilige Behauptung in der Rekursbeantwortung der klagenden Partei ist insofern aktenwidrig bzw geht nicht vom festgestellten Sachverhalt aus – der klagenden Partei ausdrücklich den gerichtlichen Abschluss eines unbedingten vollstreckbaren Unterlassungsvergleich angeboten, und damit genau jenes Verhalten gesetzt, durch das nach der vom Erstgericht insoweit zutreffend zitierten ständigen Rechtsprechung (nicht nur) des Rekursgerichts (sh etwa auch RS0079899 ua) die Widerholungsgefahr wegfällt. Unerheblich ist dabei, ob die klagende Partei dieses Vergleichsangebot der beklagten Partei abgelehnt hat, weil schon das Angebot eines vollstreckbaren Unterlassungsvergleichs in der Regel den für den Wegfall der Wiederholungsgefahr geforderten Sinneswandel erkennen lässt (RS0079966).
Hierbei schadet es - entgegen der vom Rekursgericht nicht geteilten Rechtsansicht des Erstgerichts - nicht, dass die beklagte Partei nicht auch zugleich die Schadenersatzforderungen der klagenden Partei (vollständig) erfüllte oder anerkannte. Vielmehr steht dem Wegfall der Wiederholungsgefahr bei Kumulierung mehrerer Ansprüche ebenso wenig entgegen, dass die beklagte Partei – wie hier – nur über das Unterlassungsbegehren einen vollstreckbaren Vergleich anbietet, darüber hinausgehende Ansprüche (hier: Schadenersatz) aber nicht (bzw hier: nicht vollständig) anerkennt und es diesbezüglich auf eine gerichtliche Entscheidung ankommen lässt (RS0079899 [T14,T38], RS0079966 [T3]), wie ein Vertreten des Standpunkts im Prozess, zu der beanstandeten Handlung berechtigt gewesen zu sein (RS0079899 [T18]). Ob mit dem von der beklagten Partei überwiesenen Betrag ein Schaden der klagenden Partei vollständig abgedeckt wurde, kann hier dahingestellt bleiben, da ein solcher Schadenersatz nicht Gegenstand des vorliegenden Besitzstörungsverfahrens ist.
Mangels Wiederholungsgefahr kommt dem Klagebegehren somit keine Berechtigung zu, weshalb die angefochtene Entscheidung in Stattgebung des Rekurses entsprechend abzuändern war.
Die infolge der Abänderung neu zu treffende Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz beruht auf § 41 Abs 1 iVm § 54 Abs 1a ZPO. Kosteneinwendungen wurden nicht erstattet.
Die Entscheidung über die kostendes Rekursverfahrens gründet sich auf § 50 Abs 1 iVm § 41 Abs 1 ZPO.
Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs 2 Z 6 ZPO jedenfalls unzulässig.