JudikaturLG für ZRS Wien

35R340/22t – LG für ZRS Wien Entscheidung

Entscheidung
Zivilrecht
18. Januar 2023

Kopf

Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht fasst durch Mag. Maurer als Vorsitzenden sowie Mag. Heinrich und Mag. Kießwetter als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin A* GmbH , FN **, **gasse **, ** B*, vertreten durch Dr. Andreas Huber, Rechtsanwalt in Wien, wider den Beklagten C* , **, D* B*, vertreten durch Mag. Daniel Lackner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Besitzstörung, infolge Rekurses der Klägerin gegen den Endbeschluss des Bezirksgerichts Donaustadt vom 15.10.2022, 8 C 481/22g-9, in nicht-öffentlicher Sitzung den

B e s c h l u s s :

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss dahin abgeändert, dass er insgesamt zu lauten hat:

„1. Der Beklagte hat durch das Befahren mit dem Pkw E* mit dem amtlichen Kennzeichen ** am 13.6.2022 um 17:14 Uhr den Besitz der klagenden Partei an der Liegenschaft F*-**-Gasse G*-H*, D* B*, auf welchem sich ein Privatparkplatz befindet, gestört.

2. Der Beklagte ist schuldig, jede weitere in Punkt 1. näher bezeichnete Störung oder ähnliche Störungen in Zukunft zu unterlassen.

3. Der Beklagte ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 793,82 bestimmten Prozesskosten (darin enthalten EUR 112,50 USt sowie EUR 114,- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu bezahlen.“

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit EUR 434,54 (darin enthalten EUR 146,76 UST sowie EUR 154,- Barauslagen) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig (§ 528 Abs. 2 Z. 6 ZPO).

Text

B e g r ü n d u n g :

Die Klägerin ist Mieterin des Parkplatzes F*-**-Gasse G* ** H*, D* B*.

Mit ihrer Besitzstörungsklage begehrte sie den Endbeschluss, dass der Beklagte am 13.6.2022 gegen 17.14 Uhr ihren Besitz an dieser Liegenschaft dadurch gestört habe, dass er sie mit dem Pkw E* mit dem amtlichen Kennzeichen ** befahren habe. Er sei schuldig, weitere derartige oder ähnliche Störungen in Zukunft zu unterlassen. Dazu brachte sie – soweit im Rekursverfahren noch relevant – vor, sie habe vor Klagseinbringung ein Aufforderungsschreiben an den Beklagten gerichtet und ihn aufgefordert, durch Zahlung eines Pauschalbetrages eine Unterlassungserklärung abzugeben. Das Angebot sei nicht fristgerecht bzw. vollständig angenommen worden. Die Wiederholungsgefahr sei daher gegeben.

Der Beklagte bestritt und brachte – soweit im Rekursverfahren noch relevant – vor, er habe fristgerecht die gewünschte Unterlassungserklärung abgegeben und einen angemessenen Pauschalbetrag von EUR 100,- an den Klagevertreter überwiesen, weshalb eine Wiederholungsgefahr nicht mehr gegeben sei. Am selben Tag habe er ein Mail vom Klagevertreter mit dem Hinweis erhalten, dass die Zahlung von EUR 100,- nicht akzeptiert und der Betrag rücküberwiesen würde. Die vom Klagevertreter geforderten EUR 390,- seien überhöht.

Mit dem angefochtenen Endbeschluss sprach das Erstgericht in Punkt 1. aus, dass der Beklagte durch das Befahren mit dem genannten Pkw zur genannten Zeit den Besitz der Klägerin an der genannten Liegenschaft gestört habe. In Punkt 2. wies es jedoch das weitere Begehren, der Beklagte sei schuldig, jede weitere in Punkt 1. des Endbeschlusses näher bezeichnete Störung oder ähnliche Störungen in Zukunft zu unterlassen, ab. In Punkt 3. verpflichtete es den Beklagten zum anteiligen Kostenersatz von EUR 57,- (Barauslagen) binnen 14 Tagen. Zu Beginn der Begründung führte es unter anderem aus, der Beklagte habe am 12.7.2022 ein Schreiben des Klagevertreters vom 7.7.2022 erhalten, indem er zur Abgabe einer Unterlassungserklärung sowie zur Zahlung von EUR 390,- aufgefordert worden sei. Noch am selben Tag habe der Beklagte die von der Klägerin vorformulierte Unterlassungserklärung unterschrieben, in der er sich zur Zahlung von EUR 500,- für den Fall verpflichtet habe, dass es zu einem weiteren Verstoß kommen sollte, und habe sie per Mail an den Klagevertreter geschickt. Außerdem habe er einen Betrag von EUR 100,- an das vom Klagevertreter angegebene Kanzleikonto überwiesen. Am selben Tag habe der Beklagte ein Mail vom Klagevertreter mit dem Hinweis erhalten, dass die Zahlung von EUR 100,- nicht akzeptiert und der Betrag rücküberwiesen werde, was auch erfolgt sei. Weiters stellte es fest, dass der Beklagte mit dem Fahrzeug E* ** den Privatparkplatz am 13.6.2022 um 17:14 Uhr zum Reversieren befahren habe, ohne dazu berechtigt zu sein. Aufgrund der vorhandenen Beschilderung sei auf das Befahrungsverbot ausreichend hingewiesen worden. Der Pkw sei auf den Beklagten zugelassen gewesen. Rechtlich erachtete es unter anderem, bei der Prüfung der Wiederholungsgefahr sei darauf zu achten, ob dem Verhalten des Beklagten in seiner Gesamtheit gewichtige Anhaltspunkte entnommen werden könnten, dass dieser ernstlich gewillt sei, von künftigen Störungen Abstand zu nehmen (RIS-Justiz RS0012087). Die Wiederholungsgefahr fehle daher, wenn der Störer nach anwaltlicher Aufforderung eine außergerichtliche Unterlassungserklärung abgebe, sich künftig hin derartiger oder ähnlicher Störungen zu enthalten und diese während des gesamten Verfahrens aufrecht erhalte. Dabei schade es nicht einmal, wenn der Störer die subjektive Erkennbarkeit einer Fläche als privaten Abstellplatz verneine (LG Steyr AnwBl 2003/7889 [krit H. Leitner]). Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte neuerlich den ruhigen Besitz stören werde, seien in Anbetracht der Verpflichtungserklärung, in der er sich für den Fall, dass es zu einem weiteren Verstoß komme, zur Zahlung von EUR 500,- verpflichtet habe, entkräftet. Alleine aus der Weigerung, den von der Klägerin geforderten Pauschalbetrag iHv EUR 390,- für den außergerichtlichen Vergleich zu zahlen, könne der Schluss, der Beklagte werde auch in Hinkunft nicht gewillt sein, den Besitz der Klägerin zu achten, nicht gezogen werden. Auch nach einer Entscheidung des LG Linz (16.12.1999, 11 R 406/99y) bedinge die Abgabe einer außergerichtlichen Unterlassungserklärung den Schluss, dass neuerliche Besitzstörungen vernünftigerweise nicht mehr zu erwarten seien, sodass die Wiederholungsgefahr wegfalle. Entgegen der Ansicht der Klägerin komme es auch nicht auf die Vollstreckbarkeit des Unterlassungsanspruchs an. Das Rechtsschutzziel der Besitzstörungsklage, einen vollstreckbaren Titel zu schaffen, sei insofern nicht vereitelt, weil im gegenständlichen Fall keine Wiederholungsgefahr vorliege und es daher eines vollstreckbaren Titels nicht bedürfe. Unstrittigerweise sei die Unterlassungserklärung auch vom Rechtsfreund der Klägerin vorformuliert, sodass erkennbar sei, dass sich die Klägerin mit der Unterfertigung der vorliegenden Unterlassungserklärung offenbar ausreichend in ihrer Rechtsposition geschützt fühle. Das Beharren auf einer vollstreckbaren Unterlassungserklärung zur Verneinung der Wiederholungsgefahr könne nach einer Entscheidung sogar schikanös sein (LGZ Wien ZVR 2016/16). Ob Wiederholungsgefahr vorliege, sei primär Tatfrage. Die Wiederholungsgefahr könne im Einzelfall auch ohne vollstreckbaren Unterlassungsvergleich von vornherein fehlen oder nachträglich wegfallen (Kodek in Fasching/Konecny³ III/2 § 454 ZPO Rz 99/1 (Stand 1.11.2017, rdb.at). Wo mangels Wiederholungsgefahr auch ein Unterlassungsbegehren nicht möglich sei, solle das Rechtsschutzbedürfnis überhaupt fehlen (LGZ Wien 46 R 490/70 Miet 22.009). Die Kostenentscheidung gründe auf § 43 Abs. 1 ZPO, wobei von einem gleichteiligen Obsiegen der Parteien auszugehen gewesen sei. Die Klägerin habe daher Anspruch auf Ersatz von 50 % der von ihr allein getragenen Pauschalgebühr.

Gegen diesen Endbeschluss richtet sich der Rekurs der Klägerin aus dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, ihn dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben werde.

Der Beklagte beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist berechtigt.

Die Rekurswerberin verweist darauf, dass das Erstgericht mit der Entscheidung von der ständigen Rechtsprechung des LG für ZRS Wien abweiche, wonach bei Besitzstörungsklagen das Interesse des Verletzten, ein wirksames Instrument auch gegen zukünftige Eingriffe zu erlangen, im Vordergrund stehe. Das Rechtsschutzziel sei die Schaffung eines exekutierbaren Titels und könne dieses außerhalb eines Prozesses nur durch die dafür im Exekutionsrecht vorgesehenen Mittel erreicht werden, nämlich dem Anbieten eines an keine Bedingungen geknüpften (prätorischen) Vergleichs oder das Anbieten eines vollstreckbaren Notariatsakts. Nur dadurch erhalte der Kläger all das, was er durch ein Urteil erlangen könne. Durch eine außergerichtliche Unterlassungserklärung werde der Unterlassungsanspruch hingegen nicht erfüllt. Die alternative Möglichkeit, die gerichtliche Anspruchsdurchsetzung zu vermeiden, sei das Zustandekommen einer Vereinbarung der Streitparteien über den Klagsverzicht, sohin ein Verzicht auf die gerichtliche Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs des Verletzten. Nur durch die vorbehaltlose Annahme eines solchen Angebots komme die Vereinbarung zustande. Eine solche Vereinbarung sei im vorliegenden Fall mangels Zahlung der geforderten Kosten nicht zustande gekommen. Es sei daher weiterhin vom Bestehen der Wiederholungsgefahr auszugehen.

Der Rekurs gibt die ständige Judikatur des Rekursgerichts wieder, das sich nicht veranlasst sieht, im vorliegenden Fall davon abzugehen.

Eine außergerichtliche Unterlassungserklärung beseitigt die Wiederholungsgefahr in der Regel nicht (ständige Rechtsprechung LGZ Wien; 35 R 321/15p unter Hinweis auf 34 R 17/13x). Nur ein exekutionsfähiger Titel bietet dem Kläger alles, was er auch durch ein Urteil erhalten kann, und erfüllt somit sein Rechtsschutzziel (LGZ Wien 36 R 299/12f). Das Rechtsschutzziel der Schaffung eines exequierbaren Titels kann außerhalb eines Prozesses nur durch die dafür im Exekutionsrecht vorgesehenen Mittel erreicht werden: Durch Anbieten eines an keine Bedingungen geknüpften (prätorischen) Vergleichs oder eines vollstreckbaren Notariatsakts (LGZ Wien 36 R 330/12i). Ein von dem Kläger gestelltes Angebot auf außergerichtliche Streitbeilegung kann allenfalls - bei vollständiger Annahme durch den Beklagten - als Vereinbarung zwischen den Parteien über den Verzicht auf die Klagsführung angesehen werden (z.B. LGZ Wien 64 R 56/19m, 35 R 31/18w, 36 R 263/16t, 35 R 209/12p, 35 R 278/12k, 34 R 175/16m).

Da der Beklagte das Anbot der Klägerin auf außergerichtliche Streitbeilegung hinsichtlich der Kostentragung nicht annahm, konnte er nicht davon ausgehen, dass er alle geforderten Bedingungen für einen Verzicht des Klägers auf die Klagsführung erfüllt habe. Mangels Zustandekommens einer Vereinbarung zwischen den Parteien fehlt auch die Grundlage für die Argumentation des Erstgerichts, der Beklagte habe sich für den Fall, dass es zu einem weiteren Verstoß komme, zur Zahlung von EUR 500,- verpflichtet, weshalb nicht davon auszugehen sei, dass er neuerlich den Besitz der Klägerin stören werde.

Abschließend ist im Hinblick darauf, dass sich der Beklagte auch auf die Entscheidung des Berufungsgerichts zu 35 R 126/21w berief (und argumentierte, gemäß dieser Entscheidung sei die von ihm an die Klägerin für Rechtsanwaltskosten geleistete Zahlung von EUR 100,- jedenfalls angemessen gewesen), zur Klarstellung festzuhalten, dass damit weder über die Zulässigkeit der dort von dem Abschleppunternehmen dem Störer angebotenen Vereinbarung zur Streitbeilegung, noch über einen Wegfall der Wiederholungsgefahr abgesprochen wurde, sondern darüber, inwieweit das Abschleppunternehmen berechtigt war, durch die Besitzstörung verursachte Aufwendungen an den Störer zu verrechnen. Dabei wurde festgehalten, dass der Störer das betreffende Angebot nicht vollständig angenommen, sondern die Zahlung teilweise unter Vorbehalt der Rückforderung geleistet hatte, sodass die betreffende Vereinbarung nicht zustande kam. Zwar wurde dennoch keine Besitzstörungsklage erhoben, jedoch konnte aus der nicht zustande gekommenen Vereinbarung kein rechtswirksamer Anspruch auf die darin vorgesehene Geldforderung abgeleitet werden. Dem in seinem Besitz Gestörten wurde schließlich nach Schadenersatzrecht ein angemessener Ersatz für die notwendigen Verteidigungs- und Rechtsverfolgungskosten zuerkannt und damit auch für jene Kosten des durch die Besitzstörung veranlassten Einschreitens eines Rechtsanwalts.

Dem berechtigten Rekurs war daher Folge zu geben und der angefochtene Beschluss im Sinne einer gänzlichen Klagstattgebung abzuändern.

Davon ausgehend war auch eine neue Kostenentscheidung für das erstinstanzliche Verfahren zu treffen, die auf § 41 Abs. 1 ZPO beruht. Der Beklagte wendete gegen die Kostennote des Klagevertreters zutreffend ein, dass die Urkundenvorlage mit Schriftsatz vom 4.8.2022 auch in der Verhandlung erfolgen hätte können, sodass die Kosten dafür nicht zu ersetzen sind. Hingegen ist der weitere Einwand, die Fahrtkosten für die Verhandlung würden im Einheitssatz aufgehen, nicht berechtigt, da dies nur für den doppelten Einheitssatz gilt, der Klagevertreter aber nur den einfachen Einheitssatz verzeichnete.

Die Kostenentscheidung für das Rekursverfahren beruht auf den §§ 41,50 ZPO.