JudikaturJustizRS0129287

RS0129287 – OGH Rechtssatz

Rechtssatz
23. Januar 2014

Die Einstellung der Gesellschaft zur Homosexualität hat sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend gewandelt (Aufhebung der Strafbarkeit homosexueller Handlungen unter Erwachsenen; weitgehend schon erfolgte rechtliche Gleichstellung von homosexuellen Paaren mit Ehepaaren – Eingetragene Partnerschafts-G). Der Schutz der Intimsphäre (Art 8 EMRK) erfasst selbstverständlich auch Homosexuelle, die sich zu Recht gegen eine Diskriminierung zur Wehr setzen und zur Wehr setzen dürfen. Dies gipfelt im unionsrechtlichen Diskriminierungsverbot, welches in Art 21 EU-Grundrechtecharta als Grundrecht festgeschrieben ist. In diesem Sinne schützt die österreichische Rechtsordnung jede Person vor einer Diskriminierung wegen ihrer sexuellen Orientierung. Wären – wie in zurückliegenden Entscheidungen des OGH ausgedrückt – bestimmte Formen der sexuelle Ausrichtung unter dem Blickwinkel eines entsprechenden Verständnisses eines Teils der Bevölkerung nach wie vor auch negativ zu verstehen und solcherart zB als „Vorwurf der Homosexualität“ als Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Ehre aufzufassen, käme es zu einem partiellen Ehrverständnis, das sich nach dem (vom Vorsatz des Täters umfassten, konkret festzustellenden) persönlichen Umfeld des einer bestimmten sexuellen Ausrichtung „Geziehenen“ richten würde. Durch eine solche Auslegung würde dieses unionsrechtliche Diskriminierungsverbot zumindest konterkariert, weil ein sich wegen seiner homosexuellen Ausrichtung gegen eine darauf gegründete Benachteiligung zur Wehr setzender Bürger sich selbst einer als mit einer verächtlichen Eigenschaft oder Gesinnung, eines unehrenhaften oder gegen die guten Sitten verstoßenden Verhalten zeihen müsste.