JudikaturJustizRS0119838

RS0119838 – OGH Rechtssatz

Rechtssatz
01. März 2005

Werden materiell-rechtliche Nichtigkeitsgründe schriftlich nicht gesetzmäßig dargestellt, kann eine öffentliche Verhandlung entfallen. Diese Regelung besteht auch vor dem vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte extensiv ausgelegten Gebot des public hearing (Art 6 Abs 1 EMRK), weil dessen Schutzzweck nur bei einer Erörterung zugänglichen (Rechts )Fragen unter Beachtung des dadurch verursachten Aufwandes greift. Die damit verbundene Konsequenz mangelnder Möglichkeit des Obersten Gerichtshofes, auf das den Anfechtungskriterien im Nichtigkeitsverfahren nicht entsprechende Vorbringen meritorisch einzugehen, bedeutet aber inhaltlich weder für den Angeklagten noch für die Rechtsfortbildung einen Nachteil: Denn auch für solche Fälle gilt das Korrektiv des § 290 Abs 1 Satz 2 StPO, der dem Höchstgericht selbst in einem die Nichtigkeitsbeschwerde zurückweisenden Beschluss eine meritorische Stellungnahme aus Anlass des aktuellen Straffalles und - zur Vermeidung eines Nachteiles für den Angeklagten - sogar die inhaltliche Änderung dessen rechtlichen Ergebnisses eröffnet.