JudikaturJustizRS0115802

RS0115802 – OGH Rechtssatz

Rechtssatz
23. Juni 2005

1.) Das Entschlagungsrecht nach § 152 Abs 2 Z 2a StPO kommt dem in seiner Geschlechtssphäre verletzten Zeugen nur dann zu, wenn die Parteien im Sinne des § 162a StPO ausreichende Gelegenheit hatten, sich an einer vorausgegangenen gerichtlichen Vernehmung zu beteiligen.

2.) Eine "erhebliche" psychische Belastung eines (mittlerweile 20-jährigen) Tatopfers eines Sexualdelikts stellt keinen gesetzlichen Grund für die Unterlassung der Vernehmung dar. § 151 Abs 1 Z 3 StPO verbietet die Vernehmung von Personen, die wegen ihrer Leibesbeschaffenheit oder Gemütsbeschaffenheit außerstande sind, die Wahrheit anzugeben. Darüber hinaus liegt (nur) in jenen vergleichbaren Fällen ein undurchführbarer Beweis (§ 252 Abs 1 Z 1 StPO) vor, in denen das Gericht bei unmündigen Zeugen auf Grund konkreter, in der Regel von einem jugendpsychiatrischen Sachverständigen zu attestierender Umstände die Überzeugung gewinnt, dass die (neuerliche) Vernehmung des Kindes dessen fortdauernde psychische Schädigung befürchten lässt (SSt 60/87, EvBl 1999/164, 15 Os 164/97, 14 Os 17/99).

3.) Im Fall einer aus gesundheitlichen Gründen undurchführbaren Vernehmung dürfen die untersuchungsrichterlichen Vernehmungsprotokolle (ungeachtet einer ausreichenden Wahrung der Verteidigungsrechte im Sinne einer Kontradiktorietät) nach § 252 Abs 1 Z 1 StPO verlesen werden.

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