JudikaturJustizRS0113268

RS0113268 – OGH Rechtssatz

Rechtssatz
18. Juni 2001

1. Auch ein Rechtsanwalt, der sich infolge Entrüstung über das Verhalten eines anderen in einer nach den Umständen entschuldbaren Weise zu einer Beleidigung oder Beschimpfung hinreißen lässt, kann einen Entschuldigungsgrund für sich geltend machen.

2. Selbst das Überschreiten der einem Juristen grundsätzlich erkennbaren Grenze zwischen Kritik und Beleidigung kann unter besonderen Umständen entschuldbar sein, zumal § 9 Abs 1 RAO durch die Wendung "was er zur Vertretung seiner Partei für dienlich erachtet" deutlich auf sein Ermessen hinweist, was der subjektiven Tatseite eine besondere Bedeutung verleiht; trotzdem ist für schriftliche Ehrenbeleidigungen wie Herabsetzungen, Beleidigungen, Beschimpfungen, Verspottungen etc. grundsätzlich auf den Empfängerhorizont abzustellen, also darauf, wie die schriftliche Mitteilung objektiv zu verstehen ist und wie sie daher auch vom Empfänger verstanden werden konnte. Bei Mehrdeutigkeit muss sich der Schreiber die für ihn ungünstige Auslegung zurechnen lassen.