JudikaturJustizRS0097947

RS0097947 – OGH Rechtssatz

Rechtssatz
02. Oktober 2001

Von der beantragten Vernehmung eines Kindes, das Opfer eines Sexualdelikts war, als Zeuge in der Hauptverhandlung (hier: zur Tatzeit 7 1/2-jähriges und zur Zeit der Hauptverhandlung 8 1/2-jähriges, geistig minderbegabtes Mädchen) kann - im Interesse der Wahrung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit, aber auch des in Art 6 Abs 3 lit d MRK jedem Angeklagten zustehenden Rechts, Fragen an einen Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen - nur dann ohne einen Nichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 4 StPO bewirkenden Verfahrensmangel Abstand genommen werden, wenn das erkennende Gericht auf Grund konkreter, im der Regel von einem jugendpsychiatrischen Sachverständigen zu attestierender Umstände die Überzeugung gewinnt, daß diese Vernehmung auch bei einer entsprechenden Fragestellung eine fortdauernde psychische Schädigung des Kindes befürchten läßt, die durch die eigentümliche psychische Beschaffenheit eben dieses Kindes bedingt ist. Nur unter dieser Voraussetzung hat - im Interesse des unmündigen Tatopfers - das Gebot der Unmittelbarkeit und des tunlichst uneingeschränkten Fragerechts des Angeklagten zurückzutreten.

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