JudikaturJustizRS0093174

RS0093174 – OGH Rechtssatz

Rechtssatz
17. Februar 1994

Eine gröbliche Vernachlässigung der Verpflichtung zur Fürsorge oder Obhut liegt dann vor, wenn zwischen jenem Vorgehen, welches unter den gegebenen Umständen allgemein erwartet wird, und dem pflichtwidrigen Verhalten ein krasses Mißverhältnis besteht (Kienapfel BT I 3.Auflage § 92 RdZ 21, Leukauf-Steininger Kommentar 3.Auflage § 92 RN 10). Das Tatbestandserfordernis der Gröblichkeit der Pflichtverletzung zielt auf die Erfassung beträchtlicher Vernachlässigung ab, zu deren Umschreibung sich die Judikatur der Wendung bedient, daß die Abweichung geradezu auf einen Charaktermangel des Täters hinweisen muß. Damit wird der auffällige Niveauunterschied zwischen Pflichterfüllung und tatbestandsmäßiger Pflichtverletzung verdeutlicht, aber nicht die Auffassung entwickelt, daß das Tatbestandsmerkmal der gröblichen Pflichtverletzung nur dann erfüllt sei, wenn sich darin ein ganz bestimmter Charaktermangel des Täters manifestiert hat. Feststellungen über Art und Gewicht allfälliger Charakterfehler, insbesondere über eigensüchtige Motive wie Vergnügungssucht oder Geiz sind daher nicht geboten.