JudikaturJustizRI0100103

RI0100103 – OLG Innsbruck Rechtssatz

Rechtssatz
27. Februar 2024

In § 272 ZPO ist das Prinzip der freien richterlichen Beweiswürdigung verankert. Diese besteht darin, aus den unterschiedlichen Verfahrens­ergebnissen Schlussfolgerungen im Hinblick auf die verfahrensrelevanten tatsächlichen Ereignisse zu ziehen. Der persönliche Eindruck des Gerichts, seine Kenntnisse der Lebensvorgänge, seine Erfahrungen in der menschlichen Gemeinschaft und seine Menschenkenntnis werden zur entscheidenden Grundlage für die Wahrheitsermittlung. Bei der Bildung seiner Überzeugung, ob die für die Feststellung einer Tatsache notwendige (hohe) Wahrscheinlichkeit vorliegt, ist der Richter im Grunde - und nur im gewissen Umfang durch Beweiserleichterungen wie etwa den Anscheinsbeweis, durch Zugeständnisse der Parteien wie prozessuale Geständnisse oder Einengungen der Tatsachengrundlagen zB in Säumnisfällen eingeschränkt - frei: Das Gericht ist nach der Zivilprozessordnung an keine festen Beweisregeln, d.h. an keine generell-abstrakten Regeln, wann ein bestimmter Beweis als erbracht anzusehen ist, gebunden, sondern nur an seine persönliche, unmittelbare und objektivierbare, also im Instanzenzug nachprüfbare Überzeugung von der Wahrheit und von der Richtigkeit der Beweiseregebnisse. Es hat daher anhand der dargestellten Instrumente zu überprüfen, ob mit den vorliegenden Beweisergebnissen jener Wahrscheinlichkeitsgrad erreicht wird, der es rechtfertigt, die fraglichen Tatsachen nach dem anwendbaren Beweismaß für wahr zu halten. Bei dieser Überzeugungsbildung ist das Gericht nicht auf die aufgenommenen Beweise beschränkt, sondern kann auch das (vorprozessuale oder prozessuale) Verhalten der Prozessbeteiligten, sowie die Vorkommnisse in der gesamten Verhandlung berücksichtigen und miteinbeziehen.

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