JudikaturJustizDs32/08

Ds32/08 – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. September 2008

Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Notare hat am 18. September 2008 durch die Präsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Griss als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner und Dr. Philipp und die Notarenrichter Dr. Hauser und Dr. Jurkowitsch als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Rechenmacher als Schriftführer, in der Disziplinarsache gegen Dr. *****, öffentlicher Notar in *****, wegen des Disziplinarvergehens gemäß § 156 Abs 1/1 NO infolge der Beschwerde des Disziplinarbeschuldigten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Disziplinargericht für Notare vom 4. Juli 2008, AZ Ds 101/08, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Mit Bescheid vom 28. April 2008, Pers 4-M-39, hat ***** des Landesgerichts ***** über den Beschuldigten gemäß § 180 Abs 2 NO die provisorische Suspension verhängt.

Die Notariatskammer ***** habe am 23. April 2008 an die Staatsanwaltschaft ***** eine Sachverhaltsdarstellung übermittelt. Drei, in der Sache vergleichbare Beschwerden seien Grund für eine außerordentliche Kanzleirevision gewesen. Dabei sei festgestellt worden, dass in Verlassenschaftsverfahren Beträge an Erben und Pflichtteilsberechtigte erst nach Monaten und aufgrund von Urgenzen ausgezahlt worden seien und dass der Beschuldigte in zwei Fällen die Gerichtskommissionsgebühr doppelt an sich selbst überwiesen und erst nach Monaten zurückgezahlt habe. Seit 2005 habe der Beschuldigte trotz wiederholter Urgenzen keine Monatsabschlüsse an die Notariatskammer übermittelt. Als Gerichtskommissär habe er Treuhandgelder nicht wie in den Aufzeichnungen der Notaranderkontobuchhaltung verzeichnet verwendet. Er habe Gerichtskommissionsgebühren und Verwahrungsgebühren ohne Gerichtsbeschluss vorweg entnommen. Belege in der Notartreuhandbuchhaltung hätten mit den tatsächlichen Überweisungen nicht übereingestimmt; Geldbeträge seien widmungswidrig verwendet worden; Überweisungen seien unzulässigerweise getätigt worden. Gegen den Beschuldigten seien mehrere Ordnungsstrafverfahren eingeleitet worden. Die Verfahren seien mit Beschluss vom 8. April 2008 gemäß § 169 Abs 1 NO dem Oberlandesgericht ***** als Disziplinargericht abgetreten worden; das Disziplinarverfahren sei zu Ds 101/08 anhängig.

Die dem Notar vorgeworfenen Unregelmäßigkeiten führten ohne Suspension zu einer unmittelbaren Gefährdung der schutzwürdigen Interessen der Parteien, insbesondere da sich daraus zumindest der dringende Verdacht eines sorglosen Umgangs mit Treuhandgeldern ergebe.

Das Oberlandesgericht ***** als Disziplinargericht für Notare bestätigte die vorläufige Suspension.

Im Ordnungsstrafverfahren ***** habe der Sachverständige festgestellt, dass im Verlassenschaftsverfahren nach ***** am 19. November 2007 ein Betrag von 31.500 EUR nicht auf das Konto des Finanzamts für Heimfälligkeiten, sondern auf das Verkehrssteuerkonto des Beschuldigten verbucht worden sei. Der Beleg gemäß Notartreuhandbuchhaltung stimme mit der von der Bank durchgeführten Überweisung nicht überein. Der Beschuldigte habe diesen Betrag widmungswidrig verwendet, indem er eine eigene Verkehrssteuerschuld gezahlt habe. Damit sei der massive Verdacht einer Veruntreuung gemäß § 133 Abs 1 und 2 StGB und eines Disziplinarvergehens nach § 156 Abs 1 Z 1 NO begründet. Darüber hinaus müsse sich der Beschuldigte vorhalten lassen, in mehreren Fällen die Standespflichten verletzt zu haben.

Der extrem sorglose Umgang des Beschuldigten mit Fremdgeldern rechtfertige die vorläufige Suspension. Es bestehe der Verdacht, dass der Beschuldigte Fremdgelder in nicht unbeträchtlicher Höhe zu eigenem Nutzen verwendet habe. Bei den Verfehlungen zeige sich eine gewisse Steigerung, die in der Fehlbuchung im November 2007 ihren Höhepunkt gefunden habe.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde des Beschuldigten ist nicht berechtigt. Der Beschuldigte macht Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend.

Mangelhaft soll das Verfahren sein, weil der Bericht über die außerordentliche Kanzleirevision vom 15. Oktober 2007 dem Beschuldigten erst gemeinsam mit dem angefochtenen Beschluss zugestellt wurde. Er habe davor dessen Inhalt nicht gekannt und habe somit zu den darin erhobenen Vorwürfen nicht Stellung nehmen können. Dieser Vorwurf geht ins Leere, weil es sich bei dem angeführten Bericht um ein kammerinternes Schriftstück handelt. Es ist auch nicht richtig, dass der Beschuldigte den Inhalt nicht gekannt hätte. Er ist von allen im Bericht angeführten Beschwerdefällen im Zuge der daraufhin eingeleiteten zahlreichen Ordnungsstrafverfahren nachweislich verständigt worden. Wie sich aus den Akten ergibt, hat er zu den Vorwürfen auch Stellung genommen.

In seiner Rechtsrüge macht der Beschuldigte geltend, dass es sich bei dem größten Teil der angeführten Beschwerdefälle lediglich um Standespflichtverletzungen im Sinne von Ordnungswidrigkeiten handle. Die Fehlüberweisung in der Verlassenschaftssache ***** wird nicht bestritten, es wird jedoch als „Milderungsgrund" angeführt, dass dieser Betrag zurückgezahlt wurde, wenn auch erst Monate nach der Aufdeckung.

Nach § 180 Abs 1 lit b NO ist die Suspension vom Amt als mittlerweilige Vorkehrung vom Disziplinargericht zu verhängen, wenn die Fortsetzung der Amtsführung des Notars während einer Disziplinaruntersuchung oder während eines Strafverfahrens nach der StPO bedenklich erscheint.

Gegen den Beschuldigten ist ein Disziplinarverfahren zu Ds 101/08 anhängig; bei der Staatsanwaltschaft ***** ein Ermittlungsverfahren zu *****. Zu prüfen bleibt, ob die Fortsetzung der Amtsführung des Beschuldigten bis zum Abschluss der genannten Verfahren bedenklich erscheint.

Der Beschuldigte hat zugegeben, den heimgefallenen Betrag von 31.500 EUR auf sein eigenes Finanzamtskonto überwiesen zu haben. Dieses Fehlverhalten begründet den massiven Verdacht des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt, weil der Beschuldigte im Verlassenschaftsverfahren als Gerichtskommissär tätig geworden ist. Dass die Rückzahlung des Geldes nach der Aufdeckung keinen „Milderungsgrund" bilden kann, bedarf keiner weiteren Begründung. Ob der Beschuldigte mit der verzögerten Überweisung und Auszahlung von Treuhandgeldern und der Nichtvorlage von Monatsabschlüssen ein Disziplinarvergehen begangen hat, wird im weiteren Verfahren zu klären sein. Auch dieses Verhalten zeigt aber einen generell leichtfertigen Umgang mit Treuhandgeldern.

Nicht mehr von einem bloß leichtfertigen Umgang mit Fremdgeldern kann gesprochen werden, wenn - wie oben dargelegt - Geld für eigene Zwecke verwendet wird. Dieses gravierende Fehlverhalten lässt die Fortsetzung der Amtsführung durch den Beschuldigten jedenfalls bedenklich erscheinen. Schon aus diesem Grund ist die vorläufige Suspension gerechtfertigt.

Nach dem Akteninhalt besteht im Übrigen der begründete Verdacht, dass der Beschuldigte auch in der Abwesenheitspflegschaftssache zu ***** des Bezirksgerichts ***** Fremdgeld für eigene Zwecke verwendet hat. Wie sich aus dem Bericht der Staatsanwaltschaft ***** ergibt, sollte der Beschuldigte 30.000 EUR für den Abwesenden fruchtbringend anlegen; das von ihm auch tatsächlich angelegte Sparbuch soll aber saldiert worden sein. Der Verbleib des Geldes soll unklar sein.