JudikaturJustiz9Os35/83

9Os35/83 – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. April 1983

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 26.April 1983 unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Walenta, Dr. Reisenleitner und Dr. Felzmann als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Preiß als Schriftführer in der Strafsache gegen Alois A wegen des Verbrechens der Notzucht nach § 201 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 20.Jänner 1983, GZ. 17 Vr 3102/82-18, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Landerl und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Bassler, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 24.Jänner 1954 geborene Deichgräber Alois A der Verbrechen der Notzucht nach § 201 Abs 1 StGB und des Zwanges zur Unzucht nach § 203 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 30.September 1982 auf der Laubichl-Alm in Werfenweng Anna Katharina B mit Gewalt, und zwar indem er ihr mit einem Haarspray ins Gesicht sprühte und sie mit Handschellen fesselte, sowie durch eine gegen sie gerichtete Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben, und zwar dadurch, daß er eine Pistole aus einer Entfernung von ca. 1 m auf sie richtete und dabei äußerte: 'Das ist ein überfall, ganz ruhig bleiben, wenn du machst, was ich dir befehle, wird euch nichts passieren', widerstandsunfähig machte und in diesem Zustand (1.) durch zweimalige Vornahme eines Oralverkehrs zur Unzucht sowie überdies

(2.) zum außerehelichen Beischlaf mißbrauchte.

Rechtliche Beurteilung

Den Schuldspruch wegen Verbrechens des Zwanges zur Unzucht nach § 203 Abs 1 StGB bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z. 5 und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der Berechtigung nicht zukommt.

In Ausführung des ersterwähnten Nichtigkeitsgrundes bezeichnet der Angeklagte die Feststellung des Erstgerichtes als unzureichend begründet, derzufolge es bei dem der Notzuchtshandlung vorangegangenen (erzwungenen) Oralverkehr mit Anna Katharina B zum Samenerguß kam.

Diese Urteilsannahme stehe im Widerspruch zu seiner Verantwortung, 'das Opfer habe sich dazu in der Hauptverhandlung nicht geäußert'. Dabei übersieht der Beschwerdeführer, daß die Frage, ob es bei ihm während der Unzuchtshandlung zum Samenerguß gekommen ist oder nicht, keine entscheidende Tatsache im Sinne des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes betrifft, weil diese weder für die Unterstellung der Tat unter das Gesetz (§ 203 StGB) noch für die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes von Bedeutung ist. Im übrigen hat das Erstgericht die bekämpfte Urteilskonstatierung ersichtlich auf die Angaben der Zeugin Anna Katharina B vor der Gendarmerie gestützt (Seite 11, 13), die sie auch in diesem Punkte - dem Beschwerdevorbringen zuwider - in der Hauptverhandlung vom 2. Dezember 1982 (Seite 106; verlesen in der Hauptverhandlung vom 20. Jänner 1983, S. 133) wiederholte, sodaß von einem Begründungsmangel keine Rede sein kann.

In seiner Rechtsrüge wendet sich der Angeklagte aus dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z. 10 StPO

gegen die Annahme realkonkurrierender Tatbestandsverwirklichung in Ansehung des Verbrechens der Notzucht nach § 201 Abs 1 StGB und des Verbrechens des Zwanges zur Unzucht nach § 203 Abs 1 StGB mit der Begründung, sein auf einem einheitlichen Willensentschluß beruhender Vorsatz sei auf Erreichung des Samenergusses gerichtet gewesen, die Anwendung 'verschiedener Methoden' zur Erreichung dieses Zieles sei - ungeachtet der durch 'Störung von dritter Seite' bedingten Unterbrechungen des Tatablaufes - als einheitliches Geschehen anzusehen, wobei der ihm getrennt als Verbrechens des Zwanges zur Unzucht zugerechnete jeweilige Oralverkehr mit Anna Katharina B vor und nach der als Notzucht beurteilten Tathandlung eine bloße Vorbereitungshandlung bzw. eine Nachphase des (außerehelichen) Beischlafes darstelle.

Auch die Rechtsrüge versagt.

Nach den insoweit maßgebenden Urteilskonstatierungen hat der Beschwerdeführer die mit Handschellen gefesselte Anna Katharina B durch Drohung mit einer Pistole während eines Zeitraums von rund vier Stunden (S. 144) zunächst zu einem Oralverkehr gezwungen, der zum Samenerguß, sohin zu seiner sexuellen Befriedigung führte (S. 141). Nach dem Einschlafen ihrer durch die Geräusche erwachten 3 1/2-jährigen Tochter Sylvia mißbrauchte er Anna Katharina B zum außerehelichen Beischlaf und vollzog an ihr sodann - nach neuerlicher Beruhigung des wieder erwachten Kindes und vergeblichen Versuchen der B, den Angeklagten von weiteren 'sexuellen Handlungen' abzuhalten - einen weiteren Mundverkehr (S. 141). Ausgehend von diesen Urteilskonstatierungen können die geschilderten Tathandlungen nicht als eine 'Einheit des Geschehens' gesehen werden, zumal die einzelnen Unzuchtshandlungen nicht Begleithandlungen des Geschlechtsverkehrs, sondern nach den getroffenen Feststellungen 'getrennte Aktionen' des Angeklagten darstellten (S. 145). Das Gesetz unterscheidet bei den strafbaren Handlungen gegen die Sittlichkeit zwischen der Vollziehung des (außerehelichen) Beischlafes und der Vornahme anderer unzüchtiger Handlungen; während § 201 StGB Drohung und Gewalt als Mittel zur Herbeiführung der Widerstandsunfähigkeit, verbunden mit dem Mißbrauch zum (außerehelichen) Beischlaf pönalisiert, stellt § 203 StGB in Ergänzung der vorerwähnten Strafnorm die auf gleiche Art erzwungene Begehung oder Duldung unzüchtiger Handlungen außerhalb des Beischlafes unter Strafsanktion. Dies bedeutet, daß Idealkonkurrenz zwischen Notzucht und Zwang zur Unzucht nicht möglich ist. Hingegen kann, wie das Erstgericht zutreffend erkannt hat, Realkonkurrenz zwischen diesen Tatbeständen selbst bei einem einheitlichen Angriff gegeben sein, wenn nämlich die (auf differenzierten geschlechtlichen Mißbrauch gerichteten) Unzuchtsakte nicht bloße Vorbereitungshandlungen bzw. Zwischen- oder Nachphasen der Beischlafshandlungen darstellen und auf gesonderten Willensentschlüssen beruhen (vgl. Leukauf-Steininger, Kommentar2 § 201 RN. 25 und die dort zitierte Judikatur sowie 13 Os 65/82). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben; der jeweils erzwungene, auch zeitlich mit der Notzucht nicht zusammenfallende Oralverkehr stellt ein über die Notzucht hinausgehendes exzessives Verhalten des Angeklagten dar, das nicht als bloße 'Begleithandlung' des erzwungenen Beischlafsaktes angesehen werden kann. Die erwähnten Unzuchtsakte sind vielmehr als vom Delikt des § 201 Abs 1 StGB getrennte, nach den Urteilsannahmen (S. 145) auf gesondertem Willensentschluß des Angeklagten beruhende Tathandlungen zu beurteilen, wobei es keinen Unterschied macht, ob der Vorsatz des Angeklagten von vornherein auf geschlechtlichen Mißbrauch des Opfers teils durch Beischlaf, teils auf andere Art gerichtet war, ob der Angeklagte - was den Urteilsfeststellungen entnommen werden kann - Anna Katharina B zunächst zu Unzuchtshandlungen zwang, dann aber - nach seiner sexuellen Befriedigung und in zeitlichem Abstand - seine Absicht änderte und einen auf Notzucht gerichteten Vorsatz faßte und in die Tat umsetzte, worauf er schließlich (nach geraumer Zeit) neuerlich Unzuchtshandlungen vornahm (13 Os 124/75), oder aber ob er - worauf die vom Erstgericht nicht übernommene, einen Samenerguß nach dem ersten Oralverkehr in Abrede stellende Verantwortung des Angeklagten abstellt - nach einem erfolglos gebliebenen Oralverkehr seine sexuelle Befriedigung auf andere Weise, nämlich durch Beischlaf suchte (vgl. Leukauf-Steininger, a.a.O. § 201 RN. 26), wobei nach Lage des Falles von einem bloßen Ausnützen einer durch die Vortat geschaffenen und weiter bestehenden Zwangslage des Opfers (vgl. hiezu ÖJZ-LSK 1979/41) nach den zugrundezulegenden Urteilsfeststellungen keine Rede sein kann. Dem Erstgericht ist sohin mit der (rechtlichen) Annahme realkonkurrierender Tatbestandsverwirklichung im Sinne der §§ 201 Abs 1 und 203 Abs 1 StGB kein Rechtsirrtum unterlaufen.

Der Nichtigkeitsbeschwerde war daher zur Gänze ein Erfolg zu versagen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach § 201 Abs 1 StGB unter Bedachtnahme auf § 28 StGB

zu einer Freiheitsstrafe von 3 (drei) Jahren. Dabei wertete es als erschwerend das Zusammentreffen zweier Verbrechen, daß der Angeklagte in einer für das Opfer qualvollen Weise gehandelt hat, daß er die Wehr- und Hilflosigkeit des Opfers ausgenützt hat, daß ihn selbst die Anwesenheit eines Kleinkindes nicht von seiner Tat abgehalten hat, weiters daß er die Tathandlung durch mehrere Stunden fortgesetzt hat und daß er schließlich schon mehrmals mit dem Gesetz in Konflikt gekommen ist, als mildernd hingegen das volle, umfassende und auch reumütige Geständnis, eine gewisse Enthemmung durch Alkoholgenuß und die verminderte Dispositionsfähigkeit. Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der Strafe an.

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Zwar bedürfen die vom Erstgericht konstatierten Strafzumessungsgründe insoweit einer Korrektur, als die Ausnützung der Wehr- und Hilflosigkeit des Opfers vorliegend keinen Erschwerungsgrund darstellt, weil dieser Umstand zum Tatbestand der Delikte nach § 201 Abs 1 bzw. § 203 Abs 1 StGB gehört, somit nicht (nochmals) als erschwerender Umstand ins Treffen geführt werden darf, und nur jene Vorstrafen erschwerend sind, die wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender Taten erfolgten. Andererseits stellen die Enthemmung durch Alkoholgenuß und die verminderte Dispositionsfähigkeit nur einen einzigen mildernden Umstand dar. Im übrigen hat das Erstgericht aber die Strafzumessungsgründe richtig erfaßt, vor allem zutreffen als erschwerend berücksichtigt, daß der Berufungswerber in einer für sein Opfer qualvollen Weise gehandelt und es dadurch sowie durch die Fortsetzung der Tathandlungen durch mehrere Stunden hindurch letztlich in Todesangst versetzt hat. Berücksichtigt man diesen Umstand sowie die Tatsache, daß die Taten an einer abgelegenen Örtlichkeit ohne Sicht- und Gehörkontakt zur Umwelt (vgl. S. 144) in brutaler und rücksichtsloser Weise verübt wurden, so entspricht das vom Erstgericht gefundene Strafmaß der Schwere der personalen Täterschuld sowie dem Gewicht der verschuldeten Rechtsgutsverletzung, weshalb zu dessen Reduzierung kein Anlaß bestand.

Auch der Berufung mußte daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.