JudikaturJustiz9ObA82/14w

9ObA82/14w – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. August 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk und Mag. Ernst Bassler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** S*****, vertreten durch Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Stadtgemeinde W*****, vertreten durch Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in St. Pölten, wegen Feststellung eines aufrechten Dienstverhältnisses (Streitwert 30.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 16. Mai 2014, GZ 10 Ra 114/13b 50, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Arbeits und Sozialgericht vom 30. Juli 2013, GZ 40 Cga 17/12y 46, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.680,84 EUR (darin 280,14 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs liegt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO vor, wenn das Gesetz selbst eine klare, dh eindeutige Regelung trifft (RIS Justiz RS0042656). Da dies hier der Fall ist, ist die Revision der Klägerin entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung der Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

2. Die Klägerin war seit 1990 als Vertragsbedienstete nach dem NÖ GVBG bei der Beklagten beschäftigt. Seit 1998 war sie auch Vorsitzende des Personalvertretungsausschusses der Bediensteten der Beklagten. Im März 2012 beschloss der Gemeinderat der Beklagten die Einleitung des Kündigungsverfahrens gegen die Klägerin. Der Personalvertretungsausschuss verweigerte die Zustimmung zur Kündigung. Der Gemeinderat beschloss die Kündigung in einer Sitzung im April 2012. Ein Zentralausschuss besteht bei der Beklagten nicht.

3. § 22 Abs 2 und 3 des Niederösterreichischen Gemeinde-Personalvertretungsgesetzes (NÖ GPVG) lautet:

§ 22 Besonderer Schutz der Personalvertreter

(1) …

(2) Ein Vertragsbediensteter als Personalvertreter (Mitglied eines Wahlausschusses) darf ferner nur mit Zustimmung des Personalvertreterausschusses, dem er (es) angehört, gekündigt oder entlassen werden, es sei denn, auf den Vertragsbediensteten trifft der Kündigungsgrund der Erreichung der Altersgrenze bzw. Dienstunfähigkeit zu.

(3) Wird die Zustimmung zu einer Maßnahme gemäß Abs 2 innerhalb von zwei Wochen nicht erteilt, so entscheidet über diese Maßnahme das zuständige Organ nach Anhörung des Zentralausschusses.

(4) …

4. Nach Ansicht der Klägerin sei § 22 Abs 3 leg cit so zu verstehen, dass dann, wenn die Zustimmung zu einer Maßnahme gemäß Abs 2 innerhalb von zwei Wochen nicht erteilt werde, über diese Maßnahme bei der es sich nach Ansicht der Klägerin um die Maßnahme der Zustimmung zur Kündigung handle nicht der Gemeinderat, sondern das Organ der Personalvertretung als zuständiges Organ nach Anhörung des Zentralausschusses zu entscheiden habe.

4.1. Aus dem Wortlaut des Abs 3 erster Halbsatz leg cit ergibt sich, dass die Zustimmung des Personalvertreterausschusses auf die Kündigung oder Entlassung des Personalvertreters zu beziehen ist (arg.: „Zustimmung zu einer Maßnahme gemäß Abs 2“). Wenn Abs 3 zweiter Halbsatz leg cit von der Entscheidung „über diese Maßnahme“ spricht, ergibt schon die grammatikalische Auslegung, dass es sich nicht um die Entscheidung über die Zustimmung zur Kündigung oder Entlassung, sondern um die Entscheidung über die Kündigung oder Entlassung selbst handelt. Die Wendung „so entscheidet über diese Maßnahme das zuständige Organ nach Anhörung des Zentralausschusses“ kann danach nicht anders verstanden werden, als dass das für die Kündigung oder Entlassung zuständige Organ darüber entscheiden soll, davor jedoch mangels Zustimmung des Personalvertreterausschusses noch das diesem übergeordnete Organ der Personalvertretung anhören muss. Daraus kann aber nur abgeleitet werden, dass es vor einer Kündigung oder Entlassung zu einer Einbindung der Personalvertretung kommen soll, nicht aber, dass die Kompetenz zur Entscheidung über die Kündigung oder Entlassung auf die Personalvertretung übergehen sollte. Die Ansicht der Klägerin würde demgegenüber dazu führen, dass der Personalvertreterausschuss mangels Zustimmung zur Kündigung oder Entlassung den soweit vorhanden Zentralausschuss anzuhören hätte und in der Folge selbst über die Kündigung oder Entlassung entscheiden könnte. Dafür ist kein gesetzgeberischer Wille ersichtlich.

4.2. Eines Vergleichs mit § 27 Abs 4 B PVG bedarf es insofern nicht. Im Übrigen bleibt die Entscheidungskompetenz für eine Kündigung oder Entlassung auch nach dieser Bestimmung auf Dienstgeberseite (lediglich Übergang auf den Leiter der Zentralstelle).

4.3. Auch ein Vergleich mit dem Kündigungsschutz für Betriebsratsmitglieder ist nicht geeignet, ein anderes Verständnis zu bewirken. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber das Personalvertretungsrecht als adäquate Institution der Interessenvertretung der Bediensteten ansieht, sodass das ArbVG nur bei Fehlen eines anwendbaren Personalvertretungsrechts heranzuziehen ist (8 ObA 204/99). Für die von der Klägerin geforderte analoge Anwendung der Bestimmungen der Arbeitsverfassung bei sonstiger „EU Rechtswidrigkeit“ oder einem Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ist damit kein Raum.

4.4. Der Hinweis der Klägerin auf § 23 NÖ GPVG geht fehl, weil eine dienstrechtliche Verantwortung für die Ausübung ihrer Personalvertreterfunktion nicht entscheidungsgegenständlich ist.

4.5. Aus dem Verweis auf die Entscheidung (richtig:) 4 Ob 21/79 ist nichts zu gewinnen, weil jener Entscheidung nicht die Kündigung eines Personalvertreters zugrunde lag. Der unter RIS Justiz RS0053025 veröffentlichte Rechtssatz lautet: „Nur für die Kündigung eines Personalvertreters bedarf es der Zustimmung des zuständigen Personalvertreterausschusses.“ Daraus ist lediglich zu folgern, dass es für die Kündigung anderer Vertragsbediensteter keiner solchen Zustimmung bedarf. Über die Rechtsfolgen des Fehlens einer Zustimmung des Personalvertreterausschusses zur Kündigung eines Personalvertreters wird damit nichts ausgesagt.

4.6. Zusammenfassend ist ein Grund dafür, dass § 22 Abs 3 NÖ GPVG zu einem Übergang der Entscheidungsbefugnis für die Kündigung oder Entlassung eines Personalvertreters vom Dienstgeber auf den Personalvertretungsausschuss führt, nicht ersichtlich.

5. Dass bei einem freigestellten Personalvertreter der im Allgemeinen erzielbare angemessene Arbeitserfolg nicht zu überprüfen sei, bei der Klägerin hingegen schon, begründet keinen Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, ist es doch eine sachlich nachvollziehbare gesetzgeberische Entscheidung, einen Personalvertreter einer Gemeinde mit mehr als 150 wahlberechtigten Bediensteten freizustellen (vgl § 117 Abs 1 ArbVG).

6. Die Klägerin ist schließlich der Ansicht, dass die Beklagte dem Personalvertreterausschuss die ihr erteilten Ermahnungen zur Kenntnis bringen hätte müssen. Wie schon vom Berufungsgericht zutreffend dargelegt, lässt sich aus § 25 Abs 2 NÖ GPVG nicht ableiten, dass Ermahnungen auch der Personalvertretung zur Kenntnis zu bringen sind. Es ist aber auch nicht ersichtlich, inwiefern der Klägerin ihre Argumentation zum Vorteil gereichen könnte. Hätte der Personalvertreterausschuss die Ermahnungen als ungerechtfertigt erachtet, wäre keine andere Entscheidung als die von ihm getroffene Verweigerung seiner Zustimmung zur Kündigung zu erwarten gewesen. Hätte er die Ermahnungen als gerechtfertigt angesehen, hätte die Klägerin die Zustimmung zur Kündigung zu befürchten gehabt.

7. Da die Klägerin insgesamt keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO und insbesondere keine als erheblich zu qualifizierende Auslegungsbedürftigkeit des § 22 Abs 2 und 3 NÖ GPVG aufzeigt, ist ihre Revision zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (vgl RIS Justiz RS0035979).