JudikaturJustiz9ObA40/13t

9ObA40/13t – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. Juli 2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kuras und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Rudolf Gleißner und Mag. Ernst Bassler als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei L***** K***** , vertreten durch Dr. Wolfgang Miller, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei S***** , vertreten durch Dr. Peter Rudeck und Dr. Gerhard Schlager, Rechtsanwälte in Wien, wegen Kündigungsanfechtung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 23. Jänner 2013, GZ 9 Ra 64/12s 18, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die ursprünglich aus Polen stammende, mittlerweile aber die österreichische Staatsbürgerschaft besitzende Klägerin war seit 13. 7. 2009 als Hilfsköchin bei der Beklagten beschäftigt. Sie wurde vom Produktionsleiter, ihrem unmittelbaren Vorgesetzten, besonders unter Druck gesetzt und im Zusammenhang mit der Arbeitseinteilung benachteiligt. Zudem begleitete er seine konkrete Kritik an der Arbeit der Klägerin häufig mit Äußerungen, in denen er auf ihre polnische Herkunft in herabsetzender und beleidigender Weise Bezug nahm. Ein längerer Krankenstand der Klägerin resultierte auch aus einer Erschöpfungsdepression, wobei dazu die psychische Belastung, die sich für sie durch das Verhalten ihres Vorgesetzten ihr gegenüber ergab, beitrug. Nachdem sich neben der Klägerin auch andere Küchenmitarbeiter in einer Besprechung mit dem Küchenleiter am 9. 12. 2010 über das Verhalten des Produktionsleiters beschwert hatten die Klägerin klagte ua auch darüber, dass sie vom Produktionsleiter wegen ihrer polnischen Herkunft schlecht behandelt und beschimpft worden sei wurde der Produktionsleiter für einen Zeitraum von drei Monaten auf einen Büroarbeitsplatz versetzt.

Aufgrund eines schriftlichen Ansuchens des für die Küche gesamtverantwortlichen Küchenleiters, das dieser mit den hohen Krankenständen der Klägerin begründete, sprach die Beklagte am 3. 2. 2011 die Kündigung des Dienstverhältnisses der Klägerin gemäß § 42 Abs 1 VBO 1955 zum 31. 3. 2011 aus. Tatsächlich hatte der Küchenleiter die Kündigung der Klägerin jedoch nicht deshalb beantragt, weil er ihre Weiterbeschäftigung aufgrund ihrer Krankenstände nicht wollte, sondern weil er ein Zusammenarbeiten des Produktionsleiters mit der Klägerin aufgrund der Beschwerden der Klägerin über das Verhalten des Produktionsleiters für unmöglich hielt. Davon hatte er jedoch die für die Entscheidung über die Kündigung zuständige Personalabteilung der Beklagten nicht informiert. Wäre der Personalabteilung zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs bekannt gewesen, dass die Klägerin dem Produktionsleiter eine benachteiligende Behandlung und Beschimpfungen im Hinblick auf ihre Herkunft vorgeworfen und sich auch darüber beschwert hatte, dann hätte die Beklagte die Kündigung nicht ausgesprochen.

2. Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts, mit der die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung des Dienstverhältnisses der Klägerin für rechtsunwirksam erklärt wurde. Durch die Äußerungen des Produktionsleiters, in denen er gegenüber der Klägerin auf ihre polnische Herkunft in herabsetzender und beleidigender Weise Bezug genommen habe, habe er die Klägerin aus Gründen ihrer ethnischen Zugehörigkeit gemäß § 4a Abs 3 Z 2 iVm § 4a Abs 1 erster Satz VBO 1995 belästigt und damit diskriminiert. Da aber auch der Küchenleiter seine nachteilige, das Dienstverhältnis der Klägerin betreffende Entscheidung im Zusammenhang mit der Beendigung des Dienstverhältnisses deshalb getroffen habe, weil sich die Klägerin über das diskriminierende Verhalten des Produktionsleiters beschwert gehabt habe, sei auch der Diskriminierungstatbestand des § 4a Abs 3 Z 3 VBO 1995 erfüllt. Gemäß § 54d Abs 1 VBO 1995 sei die Kündigung für rechtsunwirksam zu erklären, weil das Dienstverhältnis der Klägerin infolge einer Verletzung des Diskriminierungsverbots iSd § 4a Abs 1 zweiter Satz Z 7 VBO 1995 beendet worden sei.

3. Ihre außerordentliche Revision begründet die Beklagte nun damit, dass dem Berufungsgericht eine im Sinne der Rechtssicherheit zu korrigierende Fehlbeurteilung unterlaufen sei und insbesondere zur Bestimmung des § 4a VBO 1995 oder der vergleichbaren Regelungen der §§ 17 Abs 7 und 26 Abs 7 GlBG keine höchstgerichtliche Judikatur existiere. Damit zeigt sie aber keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf:

3.1. Eine Belästigung steht dann mit dem geschützten Merkmal (zB ethnische Zugehörigkeit iSd § 17 Abs 1 GlBG oder § 4a Abs 1 VBO 1995) „im Zusammenhang“, wenn die konkrete belästigende Verhaltensweise der Tatsache, dass ein geschütztes Merkmal vorliegt, zugerechnet werden kann. Das Erfordernis des „Zusammenhangs“ darf dabei, um den Zweck des Gesetzes, Diskriminierungen hintanzuhalten, zu erreichen, nicht zu eng gesehen werden ( Hopf/Mayr/ Eichinger, GlBG § 21 Rz 9; 8 ObA 8/09y; 9 ObA 21/12x). Das Merkmal der ethnischen Zugehörigkeit die AntirassismusRL 2000/43/EG spricht in diesem Zusammenhang von „Rasse oder ethnische Herkunft“ - ist nicht vom Bestehen tatsächlicher Unterschiede abhängig. Es genügt wie im vorliegenden Fall die durch herabsetzende Bezugnahme auf die ausländische Herkunft zum Ausdruck gebrachte „Fremdzuschreibung“ (vgl RV 307 BlgNR 22. GP 14; Hopf/Mayr/Eichinger , GlBG § 17 Rz 15; 10 ObS 34/06g ua).

3.2. Dass der Produktionsleiter der Beklagten mit seinen unter Bezugnahme auf die ausländische Herkunft der Klägerin herabsetzenden und beleidigenden Äußerungen eine unerwünschte Verhaltensweise iSd § 4a Abs 3 Z 2 VBO 1995 gesetzt hat, die mit dem in § 4a Abs 1 VBO 1995 genannten Grund der ethnischen Zugehörigkeit der Klägerin im Zusammenhang steht, haben die Vorinstanzen zutreffend bejaht. Da der Küchenleiter die Kündigung der Klägerin tatsächlich deshalb beantragte, weil sich die Klägerin über das (diskriminierende) Verhalten des Produktionsleiters beschwert hatte und er aus diesem Grund eine weitere Zusammenarbeit dieser beiden Personen für unmöglich hielt, ist auch die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die Klägerin sei durch den darauf basierenden Kündigungsausspruch der Beklagten auch gemäß § 4a Abs 3 Z 3 VBO 1995 diskriminiert worden (vgl dazu auch das Benachteiligungsverbot nach § 27 GlBG), nicht korrekturbedürftig. Abgesehen davon muss sich die Beklagte, die die Kündigung der Klägerin nicht ausgesprochen hätte, wären ihr die wahren Umstände über das diskriminierende Verhalten ihres Produktionsleiters und die Beschwerden der Klägerin bekannt gewesen, die Kenntnisse ihres Küchenleiters, die dieser bei seinem Kündigungsansuchen verschwieg, gemäß den von ihr organisierten Abläufen zur Informationsbeschaffung vor dem Kündigungsanspruch zurechnen lassen (vgl auch Hopf/Mayr/Eichinger , GlBG § 12 Rz 6 ua).

3.3. Die im Übrigen von der Beklagten erstmals im Revisionsverfahren vorgetragene Behauptung die Kündigung der Klägerin stünde nicht in dem für die Bejahung der Kausalität der Beschwerde der Klägerin für den Kündigungsausspruch geforderten engen zeitlichen Zusammenhang, trifft im Hinblick auf den zeitlichen Geschehensablauf nicht zu. Am 9. 12. 2010 erfolgte die Beschwerde der Klägerin, am 23. 12. 2010 war die Klägerin im Krankenstand, am 10. 1. 2011 ersuchte sie um Versetzung in eine andere Abteilung, am 12. 1. 2011 stellte der Produktionsleiter das schriftliche Ansuchen auf Kündigung der Klägerin.

Insgesamt vermag die außerordentliche Revision der Beklagten keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO darzustellen.