JudikaturJustiz9ObA211/94

9ObA211/94 – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. November 1994

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Mag.Eva-Maria Sand und Winfried Kmenta als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Claudia N*****, Studentin, ***** vertreten durch Dr.Heinz Mildner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei R***** reg.GenmbH, ***** vertreten durch Dr.Gunther Nagele, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 26.840 sA (im Revisionsverfahren S 16.400 sA), infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27.Juli 1994, GZ 5 Ra 135/94-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei der klagestattgebende Teil des Urteils des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 22. März 1994, GZ 47 Cga 37/94p-8, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.

Die Rekursbeantwortung der beklagten Partei wird als verspätet zurückgewiesen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen, unter denen Ausbildungskosten zum Unterschied von Einschulungskosten zur Gänze oder zum Teil zurückverlangt werden können, anhand von Lehre und Judikatur eingehend und zutreffend dargestellt. Es reicht daher insofern aus, auf die Richtigkeit der Begründung des angefochtenen Beschlusses hinzuweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionswerberin über die Nichtigkeit bzw Teilnichtigkeit der anzuwendenden kollektivvertraglichen Regelungen entgegenzuhalten, daß zwar auch normative Bestimmungen in Kollektivverträgen Gesetze im materiellen Sinne sind, diese aber nicht - wie es der Revisionswerberin offenbar vorschwebt - wie Gesetze im formellen Sinn einem Normenprüfungsverfahren unterzogen werden können.

Kollektivvertragliche Bestimmungen unterliegen nur insoweit einer Normenkontrolle, als im konkreten Rechtsstreit deren Wirksamkeit von Fall zu Fall überprüft werden kann. Vereinbarungen über die aliquote Rückzahlung konkreter Ausbildungskosten sind unter den vom Berufungsgericht aufgezeigten Voraussetzungen grundsätzlich zulässig. Der Arbeitnehmer erhält durch die Ausbildung, die über eine bloße Einschulung hinausgeht, nämlich ein zusätzliches Äquivalent, das es rechtfertigt, den Arbeitnehmer in einem gewissen Rahmen mit Ausbildungskosten zu belasten, wenn er schon kurze Zeit nach Abschluß der Ausbildung kündigt und damit dem Arbeitgeber die auf dessen Kosten erworbenen zusätzlichen Fähigkeiten nicht mehr zur Verfügung stellt. Soweit die Rückersatzverpflichtung der Höhe nach jedoch den Vermögensnachteil des Arbeitgebers aus der Ausbildung übersteigt oder dieser keine adäquate Günstigerstellung des Arbeitnehmers gegenübersteht, erlangt die Vereinbarung im übersteigenden Ausmaß allerdings den Charakter einer eigenständigen, von der ursprünglichen Ausbildung losgelösten unzulässigen Kündigungsbeschränkung (vgl WBl 1993, 399 mwH; DRdA 1994/19 [Dirschmied] mwH uva). Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Vereinbarung einzelvertraglich erfolgte oder gemäß § 2 Abs 2 Z 2 ArbVG normativer Inhalt eines Kollektivvertrags ist.

Es kommt daher jeweils auf die Umstände des Einzelfalls an. Rückforderbar sind stets nur notwendige Ausbildungskosten; Kosten, die der Arbeitgeber in seinem Interesse auflaufen läßt, können als einseitige Maßnahmen dem Arbeitnehmer nicht angelastet werden (DRdA 1994/19 [Dirschmied]). Dient ein Seminar oder ein Kurs auch dazu, dem neuen Arbeitnehmer die Betriebsspezifika näherzubringen, würde es sich dabei lediglich um eine Einschulungsmaßnahme handeln, die bei jeder Neuaufnahme notwendig ist und daher ausschließlich dem Betriebsrisiko des Arbeitgebers zugerechnet werden muß (Dirschmied aaO 251). Wenn der Klägerin von der Direktion der beklagten Partei "nahegelegt" wurde, während der Dauer der Kurse im Hotel zu übernachten, obwohl es für sie ein geringerer Aufwand gewesen wäre, den Kursort von ihrem Wohnort aus aufzusuchen, handelt es sich bei den Aufenthaltskosten nicht um notwendige Ausbildungskosten, die zurückverlangt werden können. Das Beziehen eines Quartiers am Kursort, um die "Kommunikation zu verbessern", liegt nicht im Rahmen einer überbetrieblichen Verwertbarkeit von Ausbildungsmaßnahmen. Andererseits können in einem anders gelagerten Fall Fahrt- und Aufenthaltskosten durchaus wiederum Teil der notwendigen Ausbildungskosten sein. Aus der Einzelfallgestaltung ergibt sich daher noch kein Anhaltspunkt für die Nichtigkeit einer nur allgemein gehaltenen Regelung. Ob die Klägerin aufgrund ihrer besseren Vorbildung überhaupt Kenntnisse vermittelt erhielt, die ihrer überbetrieblichen Weiterbildung dienen konnten, blieb bisher unerörtert. Fragen der Einhaltung einer Konkurrenzklausel sind nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

Soweit das Berufungsgericht daher den Sachverhalt noch für ergänzungsbedürftig hält, kann den Ergänzungsaufträgen, da der Oberste Gerichtshof keine Tatsacheninstanz ist, nicht entgegengetreten werden. Eine abschließende Beurteilung kann jedenfalls erst aufgrund gesicherter und vollständiger Feststellungen erfolgen.

Der Rekurs der Klägerin wurde dem Beklagtenvertreter am 5.9.1994 zugestellt. Die nach dem Amtsvermerk des Erstgerichtes erst am 4.10.1994 zur Post gegebene, mit 4.10.1994 datierte Rekursbeantwortung ist demnach verspätet (§ 125 Abs 2 ZPO).

Die Kostenentscheidung ist in § 52 ZPO begründet.